RBOG 1999 Nr. 18
Kostenvorschusspflicht des Gläubigers im Summarverfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens; Bestätigung von RBOG 1997 Nr. 21
Art. 48 f. GebV SchKG, Art. 265 a SchKG
1. Der Rekurrent erhob mit der Begründung, er sei nicht zu neuem Vermögen gekommen, Rechtsvorschlag. Die Vorinstanz forderte den Schuldner entgegen der in RBOG 1997 Nr. 21 veröffentlichten Praxis zur Leistung eines Kostenvorschusses auf mit der Androhung, bei Säumnis könne auf das Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens nicht eingetreten werden. Der Rekurrent leistete den Kostenvorschuss nicht, worauf die Vorinstanz auf das Verfahren nicht eintrat und die Gläubigerin darauf hinwies, es stehe ihr frei, die Rechtsöffnung zu verlangen. Der Schuldner erhob Rekurs.
2. a) Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag mit der Begründung, er sei nicht zu neuem Vermögen gekommen, legt das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag dem Richter vor, welcher die Parteien anhört und endgültig entscheidet. Er bewilligt den Rechtsvorschlag, wenn der Schuldner seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegt und glaubhaft macht, dass er nicht zu neuem Vermögen gekommen ist. Bewilligt der Richter den Rechtsvorschlag nicht, stellt er den Umfang des neuen Vermögens fest (Art. 265a Abs. 1-3 SchKG). Innert 20 Tagen nach der Eröffnung des Entscheids über den Rechtsvorschlag können der Schuldner und der Gläubiger auf dem ordentlichen Prozessweg beim Richter des Betreibungsorts Klage auf Bestreitung oder Feststellung des neuen Vermögens einreichen (Art. 265a Abs. 4 SchKG).
b) In RBOG 1997 Nr. 21 entschied die Rekurskommission, im Summarverfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens sei der Gläubiger kostenvorschusspflichtig. Dies ergebe sich aus Art. 48 i.V.m. Art. 49 Abs. 2 GebV SchKG. Vom Gläubiger und nicht vom Schuldner sei der Vorschuss einzuverlangen, weil das Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens grundsätzlich vom Gläubiger provoziert worden sei. Ob der Schuldner über neues Vermögen verfüge, werde zwar nach revidiertem SchKG nicht mehr erst dann geprüft, wenn der Gläubiger ein Rechtsöffnungsbegehren stelle; dass er nunmehr kein dahingehendes Gesuch mehr einzureichen habe, führe aber nicht zu einer Vertauschung der Parteirollen im Rahmen der Betreibung, sondern lediglich zu einer Umkehr der Beweislast, was das neue Vermögen anbelange.
c) Die Vorinstanz verweist bezüglich ihrer abweichenden Meinung auf Gasser (Ein Jahr revidiertes SchKG oder: Erst die Praxis bringt es an den Tag, in: ST 1998 S. 20). Dieser vertritt die Auffassung, im summarischen Vorverfahren gehe es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes um die Bewilligung des Rechtsvorschlags (Art. 265a Abs. 2 SchKG), mithin also nicht - wie in der Rechtsöffnung - um dessen Beseitigung. Das neue Verfahren orientiere sich damit an seinem bewährten Pendant der Wechselbetreibung (Art. 179 ff. SchKG). Hier wie dort trete der Schuldner als Gesuchsteller auf, denn es gehe um die Zulassung seines Rechtsvorschlags, der hier - anders als in der ordentlichen Betreibung - nicht schon kraft einseitiger Erklärung Wirkung entfalte. Von daher sei klar, dass dem Schuldner die Klägerrolle zukomme und dem betreibenden Gläubiger jene des Beklagten. Der Gläubiger dürfe daher nicht mit Vorschüssen belastet werden, ungeachtet des an sich geringen Betrags, der im Bewilligungsverfahren auf dem Spiel stehe (vgl. Art. 48 GebV SchKG). Es gelte zu vermeiden, dass er unvermutete Kostenrisiken laufe. Viele Gläubiger wollten es gar nicht bis zum Feststellungsverfahren kommen lassen, ja nicht einmal bis zur Vorstufe des summarischen Verfahrens, weil sie dort - falls der Rechtsvorschlag bewilligt werde - als Verlierer dem Schuldner die bevorschussten Kosten wieder zu ersetzen hätten. Den Gläubigern gehe es lediglich darum, für den vermutlich wertlosen Konkursverlustschein wenigstens einen Betreibungsversuch zu wagen, etwa um die neue Verjährungsfrist (Art. 265 i.V.m. Art. 149a Abs. 1 SchKG) zu unterbrechen, oder in der Hoffnung, der Schuldner unterlasse oder versäume die Einrede des fehlenden neuen Vermögens. Die Praxis einzelner Betreibungsämter, dem Gläubiger vor der Überweisung des Rechtsvorschlags an das Gericht Kenntnis vom entsprechenden Rechtsvorschlag zu geben und ihm eine kurze Frist anzusetzen, um die Betreibung noch zurückziehen zu können, verdiene Unterstützung.
d) Das Hauptargument für die Kostenvorschusspflicht des Schuldners, dieser trete als Gesuchsteller auf, weil es um die Zulassung seines Rechtsvorschlags gehe, vermag allerdings nicht zu überzeugen: Zwar spricht Art. 265a Abs. 2 und 3 SchKG ausdrücklich von der "Bewilligung" bzw. "Nichtbewilligung" des Rechtsvorschlags. Insofern liegt tatsächlich auch eine Übereinstimmung mit dem Rechtsvorschlag in der Wechselbetreibung vor (vgl. Art. 182, 183, 186 SchKG). Hier wie dort wird letztlich aber - wie im (ordentlichen) Rechtsöffnungsverfahren gemäss Art. 80-82 SchKG - über die Fortsetzung der Betreibung und damit über die Beseitigung des Rechtsvorschlags entschieden: Bei Verweigerung des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung muss der Schuldner bezahlen oder die Konkurseröffnung hinnehmen; ein Aberkennungsverfahren findet nicht mehr statt (Bauer, Basler Kommentar, Art. 182 SchKG N 72). Die Verweigerung des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung hat somit dieselbe Wirkung wie die Beseitigung des (ordentlichen) Rechtsvorschlags im Verfahren betreffend definitive Rechtsöffnung nach Art. 80 f. SchKG. Im summarischen Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens wird bei "Bewilligung" des Rechtsvorschlags die Betreibung eingestellt; im Fall der Nichtbewilligung nimmt sie - entsprechend dem Umfang des festgestellten neuen Vermögens -ihren Fortgang, falls nicht der ordentliche Prozess gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG eingeleitet wird. In dieser Hinsicht weist das summarische Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens durchaus Ähnlichkeiten mit dem Verfahren betreffend provisorische Rechtsöffnung (Art. 82 SchKG) auf, in dessen Anschluss der ordentliche Prozess gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG eingeleitet werden kann.
Die Überweisung des Rechtsvorschlags an den Summarrichter von Amtes wegen war zudem im Gesetzgebungsverfahren umstritten: Der Nationalrat lehnte einen Antrag, den Rechtsvorschlag nur auf Verlangen des Gläubigers an den Richter weiterzuleiten, ausdrücklich ab; dabei wurde argumentiert, sofern auf den bisherigen Text zurückgegangen und entscheidend auf den Antrag des Gläubigers abgestellt würde, entstünde der Eindruck, dass in erster Linie der Gläubiger die Beweise erbringen müsse (Amtl. Bull. NR 1993 S. 38 f.). Es ging somit bei der Änderung der entsprechenden Bestimmungen in erster Linie um die Beweislastverteilung im summarischen Verfahren, indem klargestellt werden sollte, dass den Schuldner die Behauptungs- bzw. Beweislast treffe (RBOG 1998 Nr. 14 S. 119). Da der Schuldner den Rechtsvorschlag substantiiert begründen müsse, erhalte der Gläubiger eine bessere Möglichkeit zur Replik (Huber, Basler Kommentar, Art. 265a SchKG N 25).
Zu relativieren ist daher auch das mit Bezug auf die Kostenvorschusspflicht vordergründige Kriterium, dem Schuldner komme die Klägerrolle zu (Gasser, S. 20). Vielmehr löst die Erhebung des Rechtsvorschlags mit der Einrede "kein neues Vermögen" von Gesetzes wegen einen gewissen Automatismus aus, ohne dass gesagt werden könnte, der Schuldner wolle den Richter anrufen. Dies zeigt sich etwa darin, dass nach der in der Lehre überwiegend begrüssten Praxis (Gasser, S. 20; Huber, Art. 265a SchKG N 21) dem Gläubiger nach Erhebung des entsprechenden Rechtsvorschlags seitens des Schuldners die Gelegenheit geboten wird, durch Rückzug der Betreibung auf die Durchführung des summarischen Verfahrens zu verzichten. Alsdann lässt sich auch der Standpunkt vertreten, es sei der Gläubiger, welcher mit seinem Festhalten an der Betreibung das Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens "provoziere". Art. 49 Abs. 2 GebV SchKG, wonach die Gerichtsgebühren von der Partei vorzuschiessen sind, die das Gericht "angerufen" hat, hilft somit auch nicht weiter. Im Unterschied zum Rechtsöffnungsverfahren nach Art. 80 ff. SchKG muss denn auch keine der Parteien einen Antrag auf Bewilligung bzw. Verweigerung des Rechtsvorschlags stellen, um das summarische Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens einzuleiten.
e) Im summarischen Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens ist somit gestützt auf Art. 68 Abs. 1 SchKG i.V.m. Art. 48 und 49 Abs. 2 GebV SchKG der Gläubiger kostenvorschusspflichtig (RBOG 1997 Nr. 21; Huber, Art. 265a SchKG N 21; Gut/Rajower/Sonnenmoser, Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens, in: AJP 1998 S. 532, 535). Diesen Standpunkt rechtfertigen auch vorwiegend praktische Gründe: Würde der Schuldner als vorschusspflichtig erklärt, dürfte sich der Summarrichter aufgrund der geänderten Praxis des Bundesgerichts (BGE 118 III 27 ff., 33 ff.) in etlichen Fällen mit einem Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung konfrontiert sehen. Dies zwänge ihn, sich mit der Einkommens- und Vermögenssituation des Schuldners bzw. der Aussichtslosigkeit der Einrede von Amtes wegen zu befassen, obwohl (noch) kein Kostenvorschuss geleistet wurde. Konsequenterweise müsste über das Armenrechtsgesuch denn auch vorab entschieden werden, weil ansonsten die von der Vorinstanz und Gasser (S. 20) grundsätzlich befürwortete Erledigungsart des Nichteintretens für den Fall, dass der Schuldner den Vorschuss nicht leistet, verunmöglicht würde. Träfe der Summarrichter den Entscheid über die unentgeltliche Prozessführung zusammen mit der Verfügung betreffend Bewilligung des Rechtsvorschlags, hätte er einen materiellen Entscheid über das Vorhandensein neuen Vermögens gefällt, in dessen Anschluss der ordentliche Prozess gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG angehoben werden könnte. Dem Schuldner hingegen, auf dessen Rechtsvorschlag mangels Leistung des Kostenvorschusses nicht eingetreten wurde, wäre diese Möglichkeit verwehrt.
Schliesslich erscheint es auch vom Ergebnis her gerechtfertigt, beim Gläubiger einen Kostenvorschuss zu verlangen und bei ihm auch die Verfahrenskosten zu beziehen, allenfalls verbunden mit einem Rückgriffsrecht auf den Schuldner, falls dieser im summarischen Verfahren unterliegt. Immerhin besteht die Gefahr, dass der Gläubiger zwar im Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens obsiegen kann, indessen im Verfahren der (ordentlichen) Rechtsöffnung unterliegt oder ein solches Verfahren gar nicht anstrengt, weil die in Betreibung gesetzte Forderung unbegründet war (z.B. Verjährung, Verrechnung etc.). Wäre der Schuldner im Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens vorschusspflichtig, erscheint es fraglich, ob er als unterliegende Partei die Kosten dieses Verfahrens vom Gläubiger zurückfordern kann, obwohl letztlich die Betreibung nicht fortgesetzt wurde und damit der Schuldner "obsiegte" (vgl. Gut/Rajower/Sonnenmoser, S. 535).
f) Ist der Gläubiger im summarischen Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens kostenvorschusspflichtig, ist gleichzeitig auch die Erledigungsart des summarischen Verfahrens vorgezeichnet, wenn der Vorschuss nicht fristgerecht geleistet wird: Es ist alsdann der Rechtsvorschlag zu bewilligen bzw. festzustellen, beim Schuldner sei kein neues Vermögen vorhanden (RBOG 1997 Nr. 21 S. 128 f.). Ein Nichteintretensentscheid für den Fall, dass der Gläubiger den Vorschuss nicht leistet, ist nicht möglich, weil dies im Ergebnis der Verweigerung des Rechtsvorschlags "kein neues Vermögen" gleichkäme, und weil die Betreibung - allenfalls mit dem ordentlichen Rechtsöffnungsverfahren - ihren Fortgang nähme. Der Gläubiger hätte es in der Hand, durch Nichtleisten des von ihm verlangten Kostenvorschusses das summarische und das ordentliche Verfahren betreffend Feststellung neuen Vermögens faktisch gegenstandslos werden zu lassen.
3. Der Rekurs ist begründet. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Streitsache zur Durchführung des summarischen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird die Gläubigerin zur Leistung eines Kostenvorschusses aufzufordern haben, verbunden mit der Androhung, dass im Säumnisfall der Rechtsvorschlag "kein neues Vermögen" bewilligt werde.
Rekurskommission, 7. Juni 1999, BR.1999.60