RBOG 2000 Nr. 12
Die Grundstückgewinnsteuer ist nicht ins Lastenverzeichnis aufzunehmen; in den Steigerungsbedingungen ist aber auf die Verpflichtung des Ersteigerers zur Tragung dieser Steuer hinzuweisen
1. Die Beschwerdeführerin macht Nichtigkeit der Steigerungsbedingungen geltend, da die Grundstückgewinnsteuerforderung im Lastenverzeichnis nicht aufgeführt und deshalb im Zuschlagspreis nicht eingerechnet werde.
2. a) Die Steigerungsbedingungen (samt dem Lastenverzeichnis) bilden die Grundlage der bevorstehenden Versteigerung. Sie bestimmen die Art und Weise derselben, insbesondere die Modalitäten des Zuschlags. Gegen die aufgelegten Steigerungsbedingungen kann Beschwerde erhoben werden (Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6.A., § 28 N 47 f.). Für das Beschwerdeverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz, d.h. die kantonalen Aufsichtsbehörden haben den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Sie sind jedoch gemäss der Dispositionsmaxime an die Parteianträge gebunden (Art. 20a Abs. 2 SchKG; Spühler/Stücheli/Pfister, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht I, Zürich 1996, S. 18 f.).
Wegen des Sinns und Zwecks der betreibungsrechtlichen Beschwerde, nämlich der Korrektur eines Verfahrensfehlers, muss ein Zurückkommen auf die anzufechtende Handlung oder Unterlassung möglich sein. Die betreibungsrechtliche Beschwerde dient nie lediglich zur Feststellung einer Pflichtwidrigkeit (Spühler/Stücheli/Pfister, S. 14 f.).
b) Verstossen Verfügungen gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen worden sind, so sind sie nichtig. Unabhängig davon, ob Beschwerde geführt worden ist, stellen die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen die Nichtigkeit einer Verfügung fest (Art. 22 Abs. 1 SchKG).
Nichtigkeit ist nur ausnahmsweise anzunehmen. Eine Gesetzesverletzung führt nur dann zur Nichtigkeit einer Handlung, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder sich aus dem Sinn und Zweck der fraglichen Norm ergibt. Mit anderen Worten liegt Nichtigkeit ausser in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen nur ausnahmsweise vor, wenn nach den Umständen das System der Anfechtbarkeit nicht den notwendigen Schutz verleiht. Eine Verfügung ist dann nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer ist, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist, und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet ist (Cometta, Basler Kommentar, Art. 22 SchKG N 8 ff.).
c) In ihrem Kreisschreiben vom 18. Februar 1999 empfahl die Rekurskommission des Obergerichts den Betreibungsämtern des Kantons Thurgau, im Betreibungsverfahren gestützt auf Art. 49 Abs. 2 VZG in den Steigerungsbedingungen die Verpflichtung des Ersteigerers zur Bezahlung der Grundstückgewinnsteuern vorzusehen, um allfälligen Schwierigkeiten beim Doppelaufruf zu begegnen. Dabei sollen in den Steigerungsbedingungen der Zeitpunkt des Erwerbs sowie der seinerzeitige Erwerbspreis, welcher der Steuerverwaltung bekannt ist, und - soweit aktenkundig - allfällige wertvermehrende Aufwendungen aufgeführt werden; so können die am Erwerb der Liegenschaft Interessierten die zu erwartenden Grundstückgewinnsteuern selbst abschätzen. In den Steigerungsbedingungen ist sodann ausdrücklich auf das gesetzliche Pfandrecht des Staates für die Grundstückgewinnsteuern (Art. 836 ZGB, § 68 EG ZGB sowie §§ 198 ff. StG) hinzuweisen.
Die thurgauische Praxis folgt daher der vom Bundesgericht in BGE 122 III 246 ff. vertretenen Auffassung nicht, wonach bei der Betreibung auf Grundpfandverwertung anfallende Grundstückgewinnsteuern als Kosten der Verwertung im Sinn von Art. 157 SchKG zu betrachten und demzufolge vom Bruttoerlös abzuziehen und zu bezahlen seien, bevor der Nettoerlös an die Gläubiger verteilt werde. Einerseits sind Grundstückgewinnsteuern nicht den Verwertungskosten gleichzusetzen. Sie fallen - für den Fall, dass ein Gewinn erzielt wird - sowohl bei privatrechtlichem Grundstückverkauf als auch in der Zwangsverwertung gleichermassen an, sind also keineswegs zwangsverwertungsspezifisch (Jent-Sørensen, Grundstückgewinnsteuern und Gewinnanteilsrecht der Miterben in der Zwangsverwertung von Grundstücken, in: BlSchK 62, 1998, S. 130 f.). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass, damit die bundesgerichtliche Lösung generell anwendbar wäre, dort, wo Deckungsprinzip und Doppelaufruf gelten, der genaue Betrag der Grundstückgewinnsteuern vor Erteilung des Zuschlags feststehen müsste. Die Ermittlung des mutmasslichen Steuerbetrags ist nicht ausreichend, da er zu verzerrten Resultaten führt: Ergibt sich, dass bei Einbezug des mutmasslichen Steuerbetrags die vorgehenden pfandgesicherten Forderungen nicht gedeckt sind, so darf der Zuschlag nicht erteilt werden; das Pfandrecht des betreibenden Grundpfandgläubigers wird gelöscht, und er erhält in der Höhe seiner ganzen Forderung einen Pfandausfallschein. Wäre der genaue Steuerbetrag hingegen bekannt gewesen, hätten sich die Grundstückgewinnsteuern möglicherweise derart reduziert, dass der Zuschlag hätte erteilt werden können und müssen (Jent-Sørensen, S. 138 f.). Im Weiteren verfügt ein Betreibungsbeamter nicht über die erforderlichen Unterlagen bezüglich des zu verwertenden Grundstücks, da ihm eine analoge Vorschrift zu Art. 223 Abs. 2 SchKG fehlt, die ihm einen direkten Zugriff auf Geschäftsbücher, Buchhaltungen und übrige Akten ermöglicht. Daher wird eine Überbindung der Grundstückgewinnsteuern an den Ersteigerer vorgesehen, da der in Anspruch genommene Ersteigerer eine Forderung gegen den ehemaligen Grundeigentümer infolge Insolvenz meist nicht realisieren kann (Jent-Sørensen, S. 128).
d) Den Steigerungsbedingungen ist zu entnehmen, dass das Betreibungsamt den Empfehlungen im erwähnten Kreisschreiben gefolgt ist. Es fehlen lediglich allfällige wertvermehrende Aufwendungen. Soweit indessen solche nicht aktenkundig sind, ist das Betreibungsamt nicht gehalten, diesbezüglich weitere Nachforschungen zu tätigen. Daher erweist sich die Beschwerde als unbegründet.
Obergericht, 10. April 2000, BS.2000.6