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RBOG 2000 Nr. 26

Verhältnis zwischen Erläuterung, Abänderungsklage, Befehls- und Rechtsöffnungsverfahren bei Indexklauseln von Scheidungsurteilen


Art. 80 SchKG, Art. 85 ff. SchKG, Art. 128 f ZGB, § 164 Ziff. 4 ZPO, § 251 ZPO, § 260 ZPO


1. a) Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Bezirksgerichts geschieden. In der Scheidungskonvention verpflichtete sich X zu Unterhaltsleistungen an seine Ehefrau Y und sein Kind, welche nach folgender Klausel indexiert wurden: "Die Unterhaltsleistungen gemäss den Ziff. 4 und 5 basieren auf dem Landesindex der Konsumentenpreise des BIGA am Tag des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Sie erfahren jeweils mit Wirkung auf den nächsten Fälligkeitstermin hin bei jeder Veränderung des Indexes um 10,5 Punkte eine Anpassung von 10%, ausgehend vom heutigen Nominalbetrag der Renten. Falls X nachweist, dass sich sein Erwerbseinkommen nicht im gleichen Umfang der Teuerung angepasst hat, reduziert sich der vorstehende Teuerungsausgleich dementsprechend." X bezahlte die aufindexierten Unterhaltsbeiträge bis Mitte 1992 und reduzierte anschliessend seine Zahlungen auf den ursprünglichen Grundbetrag. Im Jahr 1993 wurde er von Y für ausstehende Alimentenschulden betrieben. Im Rechtsöffnungsentscheid wurde die Auffassung vertreten, die Indexklausel lasse es zu, auf den ursprünglichen Grundbetrag zurückzugehen.

b) Auf die Klage von Y, wonach gerichtlich festzustellen sei, dass X aufgrund der Indexklausel im Scheidungsurteil seine Unterhaltsbeiträge für seine geschiedene Frau und das gemeinsame Kind nicht um früher vorgenommene Teuerungsanpassungen bis zum Basisunterhaltsbeitrag reduzieren dürfe, sondern nur für die jeweils aufgrund der Teuerung in Frage stehende Erhöhung der bis dahin bereits aufindexierten Unterhaltsbeiträge, trat das Bezirksgericht nicht ein. Scheidungskonventionen, welche durch die richterliche Genehmigung den Charakter von Urteilsbestimmungen annähmen, seien der Erläuterung zugänglich. Somit könne beim Richter, der das Erkenntnis ausgefällt habe, um dessen Erläuterung nachgesucht werden. Im Weiteren sei die Vornahme der Auslegung eines Urteilsdispositivs Sache des Vollstreckungsrichters im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens, und die Auslegung eines Dispositivs könne nicht zum Gegenstand eines erneuten Zivilprozesses gemacht werden.

2. Dagegen erhob Y Rekurs mit dem Antrag, die Klage sei gutzuheissen; eventuell sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zwecks materieller Überprüfung zurückzuweisen. Zur Begründung führte sie an, mit dem Scheidungsurteil liege keine res iudicata vor, weil sich der Rekursgegner auf die neu eingetretene Tatsache berufe, weniger zu verdienen, weshalb er gestützt auf die Indexklausel weniger zahlen müsse. Dies werde von der Rekurrentin nicht akzeptiert. Die Rekurrentin könne die Frage, ob ihr jetzt und in Zukunft noch Geld zufalle, nur durch ein Urteil auf dem ordentlichen Verfahrensweg verbindlich feststellen lassen, da der Entscheid des Rechtsöffnungsrichters nur betreibungsrechtliche Wirkung zeitige, die sich zudem auf die gerade im Gang befindliche Betreibung beschränke. Im Übrigen sei es auch jeder Partei, die in einem Rechtsöffnungsverfahren unterliege, möglich, einen ordentlichen Prozess anzustrengen. Wenn auf die Leistungsklage einzutreten sei, sei notwendigerweise vorfrageweise zu überprüfen, wie die Indexklausel zu handhaben sei. Insofern wäre es nicht nötig, zusätzlich ein Feststellungsbegehren zu stellen. Es könne der Rekurrentin aber nicht zugemutet werden, periodisch immer wieder ein Urteil zu erstreiten, wobei zugleich die Gefahr sich widersprechender Urteile bestehen würde.

3. a) Wenn die Bestimmungen eines Urteils, Beschlusses oder einer Verfügung unklar oder sich widersprechend sind, so kann beim Richter, welcher das Erkenntnis ausgefällt hat, um dessen Erläuterung nachgesucht werden (Walder, Zivilprozessrecht, 4.A., § 39 N 22). Auch Scheidungskonventionen sind der Erläuterung zugänglich, da sie durch die richterliche Genehmigung den Charakter von Urteilsbestimmungen annehmen (ZR 79, 1980, Nr. 89 S. 173). Zweck einer Erläuterung ist unter anderem, Hindernisse in der Vollstreckung eines Entscheids, die lediglich in dessen Formulierung liegen, zu beseitigen (Hauser/Hauser, Erläuterungen zum Gerichtsverfassungsgesetz des Kantons Zürich, Zürich 1978, § 176 N 1).

b) Soweit die Rekurrentin mit ihrem Rechtsbegehren die Beseitigung von Unklarheiten in der Ehescheidungskonvention beantragt, muss sie daher auf den Weg der Erläuterung verwiesen werden.

4. a) Die im Scheidungsurteil festgesetzten Unterhaltsbeiträge berechtigen nur dann zur definitiven Rechtsöffnung, wenn das Urteil diesbezüglich noch unverändert gilt (Gessler, Scheidungsurteile als definitive Rechtsöffnungstitel, in: SJZ 83, 1987, S. 250). Gemäss Art. 129 ZGB kann bei erheblicher und dauernder Veränderung der Verhältnisse die Rente herabgesetzt, aufgehoben oder für eine bestimmte Zeit eingestellt werden, wobei eine Verbesserung der Verhältnisse der berechtigten Person nur dann zu berücksichtigen ist, wenn im Scheidungsurteil eine den gebührenden Unterhalt deckende Rente festgesetzt werden konnte. Als Voraussetzung für die nachträgliche Abänderung einer Rente kommen nur Umstände in Betracht, die nach der Festlegung der Rente eingetreten sind und im ursprünglichen Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden konnten. Für die Beurteilung der Veränderung ist auf die im Urteil für den Scheidungszeitpunkt festgestellten Einkommensverhältnisse abzustellen, auch wenn sich diese im Nachhinein als falsch erweisen. Auch nachträgliche Veränderungen können eine Abänderung jedoch nur begründen, wenn sie bei der Festsetzung der Rente noch nicht im Voraus berücksichtigt worden sind. Bei bereits im Scheidungszeitpunkt voraussehbaren Veränderungen ist im Zweifel davon auszugehen, dass diese bereits bei der ursprünglichen Festsetzung oder Vereinbarung der Rente berücksichtigt wurden (Schwenzer, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht [Hrsg.: Schwenzer], Basel/Genf/München 2000, Art. 129 ZGB N 5 ff.). Verändern sich die Verhältnisse nachträglich erheblich und dauernd, so kann die Rente gemäss Art. 129 ZGB durch den Zivilrichter entsprechend angepasst werden. Es ist daher nicht Sache des Rechtsöffnungsrichters, vorfrageweise über die Abänderung des Unterhaltsbeitrags zu entscheiden (Gessler, S. 250).

b) Zur Verhinderung eines späteren Abänderungsprozesses wird oft bereits im Scheidungsurteil eine Veränderung des Unterhaltsbeitrags beim Eintritt bestimmter voraussehbarer Ereignisse vorgesehen. Dies ist ohne weiteres zulässig (Gessler, S. 250; SJZ 87, 1991, 245). Bedingte Urteile betreffend Unterhaltsleistungen enthalten meistens eine Indexierung der Rente. Sie passen sich damit automatisch an die gestiegenen Lebenskosten entsprechend der Entwicklung des Landesindizes der Konsumentenpreise oder eines anderen Indizes an. Der jeweilige Stand des Indizes stellt eine gerichtsnotorische Tatsache dar und braucht daher im Rechtsöffnungsverfahren nicht nachgewiesen werden. Die Berechnung der indexierten Alimente bietet kaum je grössere Schwierigkeiten. Jedoch bedürfen die gängigen Indexklauseln oftmals der Auslegung (Gessler, S. 251). Mittels Auslegung ermittelt der Rechtsöffnungsrichter den Sinn und Zweck der Indexklausel (BGE 116 III 64). Ist im Scheidungsurteil ein Teuerungsausgleich nur vorgesehen, falls sich das Einkommen des Alimentenschuldners entsprechend der Teuerung angepasst hat, so lässt sich diese Einkommensentwicklung im Rechtsöffnungsverfahren selten zuverlässig abklären. Bereits der Begriff des Einkommens ist häufig unklar. Fällt darunter bloss der eigentliche Monatslohn, oder sind damit auch Einkünfte aus einem Nebenerwerb oder gar Vermögenserträge gemeint? Wie sind Einkommensschwankungen zu behandeln (Gessler, S. 251)? Fraglich kann auch sein, ob die festgestellte Ursache einer Einkommensveränderung eine Anpassung der Unterhaltsrente gestützt auf den Sinn und Zweck der jeweiligen Indexklausel rechtfertigt oder einen Abänderungsgrund gemäss Art. 129 ZGB darstellt.

c) Wird der Eintritt einer im Urteil näher umschriebenen Bedingung von einer Partei nicht anerkannt und lässt sich dieser mit Urkunden allein nicht einwandfrei beweisen, so gilt im Rechtsöffnungsverfahren die Bedingung als nicht eingetreten (Gessler, S. 250; Staehelin, Basler Kommentar, Art. 80 SchKG N 44 ff.). Darüber kann auch nicht vorfrageweise ohne Beweismittelbeschränkung entschieden werden, denn das SchKG ordnet die im Rechtsöffnungsverfahren zulässigen Einwendungen und Beweismittel abschliessend, so dass diese Regelung bei der Beurteilung von Vorfragen nicht umgangen werden darf (Gessler, S. 251; SJZ 87, 1991, 245; Staehelin, Art. 80 SchKG N 44). Der Beweis eines bestimmten, von der Gegenpartei bestrittenen Einkommens darf daher nur mit Urkunden erbracht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Rechtsöffnungsentscheid infolge seiner fehlenden materiellen Rechtskraft und der Möglichkeit der Rückforderungsklage nach Art. 86 SchKG bzw. der Aufhebung oder Einstellung der Betreibung gemäss Art. 85 f. SchKG notfalls korrigiert werden kann (Gessler, S. 252).

d) Vielfach lässt sich der Eintritt einer im Urteil vorgesehenen Bedingung daher grundsätzlich nur in einem ordentlichen Verfahren ohne Beweismittelbeschränkung abklären. Einem solchen neuerlichen Verfahren steht die materielle Rechtskraft des Urteils nicht entgegen, da sich eine Partei auf die erst nachträglich eingetretene Änderung der Rechtslage in einem zweiten Prozess jederzeit berufen kann. Diesbezüglich ist zu bedenken, dass die Parteien indessen mit der Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen im Scheidungsurteil einen solchen zweiten ordentlichen Prozess gerade vermeiden wollten (Gessler, S. 251). Die kantonale Prozessordnung sieht daher ein besonderes, vereinfachtes Verfahren vor, in welchem ohne Beweismittelbeschränkung entschieden wird, ob die in einem Urteil vorgesehene Bedingung, von welcher die Leistungspflicht einer Partei abhängt, tatsächlich eingetreten ist (vgl. Gessler, S. 251). Der Bezirksgerichtspräsident kann gemäss § 164 Ziff. 4 i.V.m. § 260 ZPO im Befehlsverfahren entscheiden, ob, falls ein Urteil die Pflichten einer Partei von einer Bedingung oder Gegenleistung abhängig macht, diese Voraussetzung der Vollstreckung erfüllt ist, denn es entspricht dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung, dass sie auch im Zusammenhang mit der durch das SchKG geregelten Vollstreckung von Verpflichtungen auf Geldleistungen anwendbar ist, indem ein selbständiges Feststellungsbegehren gestellt werden kann (vgl. Gessler, S. 251). Dieses Verfahren steht sicher dem Gläubiger offen, der den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung nachzuweisen hat. Ob es auch einem Schuldner offen steht, welcher den Eintritt einer auflösenden Bedingung beweisen muss, ist hier nicht zu entscheiden. Diesbezüglich ist aber zu bedenken, dass dem Schuldner bereits die Korrekturmöglichkeiten nach Art. 85 ff. SchKG zur Verfügung stehen.

e) Im Sinn dieser Erwägungen ist somit auf das Feststellungsbegehren von Y nicht einzutreten, zumal es sich bei der in der Scheidungskonvention festgelegten Bedingung der "Nichterhöhung des Einkommens" um eine von X durch Urkunden zu beweisende Resolutivbedingung handelt. Um allfällige Unklarheiten in der Scheidungskonvention zu beseitigen, ist die Rekurrentin auf den Weg der Erläuterung zu verweisen. Auch liegt es an ihr zu entscheiden, ob sie in Anbetracht des Sinns und Zwecks der vereinbarten Indexklausel und der Umstände, die beim Schuldner zu einem veränderten Einkommen führten, nochmals um definitive Rechtsöffnung ersuchen soll oder allenfalls ein Abänderungsverfahren, welches aber lediglich für die Zukunft Wirkungen zeitigt, anstrengen will.

Rekurskommission, 11. Oktober 1999, ZR.1999.76


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