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RBOG 2000 Nr. 33

Das Gemeinwesen hat die gesamte Steuerforderung eines Kalenderjahrs im Konkurs des Schuldners einzugeben


Art. 80 SchKG, Art. 206 Abs. 1 SchKG, § 184 StG, § 40 StV, § 46 StV


1. Die Politische Gemeinde stellte X am 21. Juli 1998 eine Steuerveranlagung über Fr. 10'214.20 für das Steuerjahr 1998 zu. Mit Verfügung vom 4. August 1998 wurde über X der Konkurs eröffnet. Die Gemeinde gab im Konkurs des X die bis dahin angefallenen Steuern ein und hob für den Restbetrag mit Zahlungsbefehl die Betreibung an. Die Vorinstanz wies das Begehren um definitive Rechtsöffnung mit der Begründung ab, der Zahlungsbefehl sei nichtig. Die Gemeinde macht im Rekursverfahren geltend, bei periodischen Steuern entstehe die Steuerschuld sukzessive nach Massgabe des Zeitablaufs von Tag zu Tag.

2. a) Gemäss Art. 206 Abs. 1 SchKG können neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Sich darauf beziehende Betreibungen sind nichtig (BGE 121 III 386; Wohlfart, Basler Kommentar, Art. 206 SchKG N 15 mit Hinweisen). Prozessvoraussetzung für die Erteilung der Rechtsöffnung nach Art. 80 ff. SchKG ist das Vorliegen einer gültigen Betreibung. In einer nichtigen Betreibung kann auf ein Rechtsöffnungsgesuch nicht eingetreten werden, da es hiefür des Rechtsschutzinteresses ermangelt. Über die Frage der Nichtigkeit hat der Rechtsöffnungsrichter vorfrageweise von Amtes wegen zu entscheiden (Staehelin, Basler Kommentar, Art. 84 SchKG N 12 mit Hinweisen).

b) Die Steuerforderung ist der kraft steuerrechtlicher Vorschrift entstehende vermögensrechtliche Anspruch des Gemeinwesens gegenüber einem bestimmten Individuum. Rechtsgrund der Steuerforderung bildet das Steuergesetz. Daneben bedarf es eines Entstehungsgrunds, d.h. desjenigen Sachverhalts, an dessen Erfüllung das Steuergesetz ihr Zustandekommen knüpft. Die zeitliche Entstehung der Steuerforderung ist von der äusseren Beschaffenheit des Steuerobjekts abhängig. Bei periodischen Steuern gründet die Entstehung der Steuerforderung auf der Steuerperiode, welche den Zeitraum darstellt, für den eine bestimmte Steuer erhoben wird (Blumenstein/Locher, System des Steuerrechts, 5.A., S. 273 f.). Die Steuerperiode ist von rechtlicher Bedeutung für die Entstehung und den sachlichen Umfang der Steuerforderung. Notwendig ist vor allem, dass das Individuum während der Steuerperiode der Steuerhoheit des steuerfordernden Gemeinwesens unterworfen ist (Blumenstein/Locher, S. 275). Fälligkeit der Steuerforderung ist der Zeitpunkt, in dem der Steuergläubiger die Erfüllung einer entstandenen Steuerforderung verlangen kann und der Steuerschuldner leisten muss. Dieser Zeitpunkt wird im Gesetz regelmässig genau bestimmt (Blumenstein/Locher, S. 280 f.).

Nach § 55 Abs. 1 StG werden die Einkommens- und Vermögenssteuern für jede Steuerperiode festgesetzt und erhoben. Als Steuerperiode galten bis Ende 1998 zwei aufeinanderfolgende Kalenderjahre (§ 55 Abs. 1 aStG), während nach § 55 Abs. 2 revStG ein Kalenderjahr einer Steuerperiode entspricht. Besteht die Steuerpflicht für das Einkommen nur während eines Teils der Steuerperiode, wird die Steuer auf den in diesem Zeitraum erzielten Einkünften erhoben (§ 55 Abs. 3 revStG); nach § 56 Abs. 2 und 3 aStG galt als Steuerjahr das Kalenderjahr, und es wurde der entsprechende Teilbetrag der Steuer erhoben, falls die Steuerpflicht nur während eines Teils des Steuerjahrs bestand. Nach § 187 StG i.V.m. § 40 Abs. 2 StV werden die in drei Raten zu beziehenden Steuern am 31. Mai, 31. August und 31. Oktober des Steuerjahrs fällig. § 41 Abs. 1 Ziff. 4 StV schliesslich hält ausdrücklich fest, dass die Hauptsteuern jedenfalls bei Konkurseröffnung fällig werden. Diese Regelung entspricht Art. 208 Abs. 1 SchKG. Beim Wegzug in eine andere thurgauische Gemeinde oder in einen anderen Kanton werden die bis dahin zu entrichtenden Hauptsteuern mit dem Wegzug fällig (§ 41 Abs. 2 StV).

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen im kantonalen Steuerrecht erweist sich der von der Rekurrentin eingeschlagene Weg nicht als gangbar. Insbesondere aufgrund der Regelungen über die Steuerfälligkeit ist klar, dass mit der Konkurseröffnung die gesamte, auf die entsprechende Steuerperiode entfallende Steuerforderung fällig wird und damit im Konkurs einzugeben ist. Dies gilt umso mehr, als selbst aufgrund einer provisorischen Steuerrechnung die Fälligkeit eintritt (§ 46 StV). Ergibt sich im Nachhinein, dass die Steuerpflicht nicht für die gesamte Steuerperiode bestand, erfolgt im Rahmen einer neuen Steuerveranlagung eine entsprechende Anpassung der Steuerforderung. Entscheidend dafür, dass eine Forderung im Sinn von Art. 208 Abs. 1 SchKG fällig werden kann, ist denn auch lediglich ein Anspruch, der gegen den Gemeinschuldner rechtlich geltend gemacht werden kann; ob die Forderung ziffernmässig schon feststeht, spielt keine Rolle (Schwob, Basler Kommentar, Art. 208 SchKG N 8). Dass die Auffassung der Rekurrentin, die Steuerschuld entstehe bei periodischen Steuern sukzessive nach Massgabe des Zeitablaufs von Tag zu Tag, so nicht zutreffen kann, zeigt sich in der Regelung von § 40 Abs. 4 revStV, wonach die ganze für die Steuerperiode in Rechnung gestellte Steuerforderung fällig wird, wenn trotz Mahnung die erste und die zweite Rate nicht fristgerecht bezahlt wurden. Mithin geht der Gesetzgeber selbst davon aus, dass für die gesamte Steuerperiode die Steuerforderung bereits entstanden ist. Daran ändert nichts, dass sich dies beispielsweise beim Wegzug des Steuerpflichtigen in einen andern Kanton (im Nachhinein) als Fiktion erweist; alsdann entsteht lediglich ein Rückforderungsanspruch des Steuerschuldners, falls er bereits den auf die gesamte Steuerperiode entfallenden Steuerbetrag bezahlt hat.

c) Die Rekurrentin stützt die in Betreibung gesetzte Teilforderung auf die Steuerveranlagung. Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 4. August 1998 bestand indessen für die gesamte Steuerperiode 1998 die entsprechende Steuerforderung und wurde kraft ausdrücklicher Bestimmung (§ 41 Abs. 1 Ziff. 4 StV) mit der Konkurseröffnung fällig. Für die Teilforderung kann daher in Anwendung von Art. 206 Abs. 1 SchKG keine neue Betreibung eingeleitet werden. Damit erweist sich die Betreibung bzw. der Zahlungsbefehl als nichtig, weshalb die Vorinstanz zu Recht auf das Rechtsöffnungsgesuch nicht eintrat.

Obergericht, 17. Januar 2000, BR.1999.154


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