Skip to main content

RBOG 2001 Nr. 17

Vollstreckungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Beschlagnahmeverfügungen und Ersatzforderungen


Art. 44 SchKG, Art. 80 SchKG, Art. 58 ff. (Fassung 1937) StGB


1. X liess durch den Rekurrenten in dessen Gantlokal gefälschte Gegenstände versteigern. Im Rahmen der Strafuntersuchung gegen X beschlagnahmte das Bezirksamt den Erlös der Gant, bevor der Rekurrent diesen an X weitergeleitet hatte. Eine vom Rekurrenten gegen diese Beschlagnahmeverfügung eingereichte Beschwerde wies die Staatsanwaltschaft ab. Die Beschlagnahmeverfügung wurde nicht vollzogen; vielmehr blieb das beschlagnahmte Geld beim Rekurrenten. Das Bezirksgericht verurteilte X wegen gewerbsmässigen Betrugs und zog den unrechtmässig erlangten Vermögensvorteil zu Gunsten des Staats ein. Dieser Entscheid wurde dem Rekurrenten nicht zugestellt. Als das Bezirksamt den beschlagnahmten Betrag beim Rekurrenten einziehen wollte, machte dieser geltend, er habe nie eine entsprechende Verfügung erhalten. In der Folge stellte das Bezirksgericht dem Rekurrenten ein schriftlich begründetes Urteil mit Bezug auf die Einziehung zu. In der vom Bezirksamt gegen den Rekurrenten gestützt auf die Beschlagnahmeverfügung und das X betreffende Strafurteil des Bezirksgerichts eingeleiteten Betreibung erteilte die Vorinstanz definitive Rechtsöffnung im Umfang des unrechtmässig erlangten Vermögensvorteils.

2. Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, wird definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Urteils getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft (Art. 80 Abs. 1 und 81 Abs. 1 SchKG).

a) Auf ein Rechtsöffnungsgesuch kann mangels Rechtsschutzinteresses nicht eingetreten werden, wenn die Betreibung nichtig ist; über diese Frage hat der Rechtsöffnungsrichter vorfrageweise von Amtes wegen zu entscheiden (Staehelin, Basler Kommentar, Art. 84 SchKG N 12 f. mit Hinweisen). Ebenfalls von Amtes wegen zu prüfen hat der Rechtsöffnungsrichter, ob ein gültiger Rechtstitel vorliegt (Staehelin, Art. 84 SchKG N 50 mit Hinweisen). Will der Schuldner bestreiten, dass eine Forderung auf dem Betreibungsweg vollstreckt werden kann, hat er Rechtsvorschlag zu erheben (Art. 69 Ziff. 3 SchKG; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6.A., § 18 N 8; Acocella, Basler Kommentar, Art. 38 SchKG N 50; BGE 122 III 295 ff. [mit Bezug auf die Bestreitung der gewählten Betreibungsart]).

Auf dem Weg der Schuldbetreibung werden die Zwangsvollstreckungen durchgeführt, welche auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtet sind (Art. 38 Abs. 1 SchKG). Gemäss Art. 44 SchKG geschieht allerdings die Verwertung von Gegenständen, welche aufgrund strafrechtlicher oder fiskalischer Gesetze mit Beschlag belegt sind, nach den entsprechenden eidgenössischen oder kantonalen Gesetzesbestimmungen. Der Grundsatz, dass auch öffentlich-rechtliche Forderungen nach dem SchKG zu vollstrecken sind, erleidet damit eine wesentliche Einschränkung.

Art. 44 SchKG bezieht sich auf die strafprozessuale Beschlagnahme zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, wie etwa die Beweissicherung oder die Beschlagnahme im Sinn von Art. 58 ff. StGB (Acocella, Art. 44 SchKG N 3 mit Hinweisen). Im Verfahren nach SchKG sind nur die Ersatzforderungen gemäss Art. 59 Ziff. 2 StGB zu vollstrecken. Art. 59 Ziff. 2 Abs. 3 StGB hält ausdrücklich fest, die Beschlagnahme begründe bei der Zwangsvollstreckung der Ersatzforderung kein Vorzugsrecht zu Gunsten des Staates (Schmid, in: Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei [Hrsg.: Schmid], Bd. I, Zürich 1998, Art. 59 StGB N 125, 167, 169, 170 ff., 181 ff.; BGE 120 IV 367, 115 III 4).

b) Das Bezirksamt könnte seine Ansprüche gegenüber dem Rekurrenten nur dann im Betreibungsverfahren nach SchKG vollstrecken, wenn der Strafrichter gegen den Rekurrenten eine Ersatzforderung im Sinn von Art. 59 Ziff. 2 StGB festgesetzt hätte. Das ist indessen hier nicht der Fall: Im Strafurteil gegen X wurde der unrechtmässig erlangte Vermögensvorteil zu Gunsten des Staates eingezogen. Diese Massnahme stützt sich daher auf Art. 59 Ziff. 1 StGB. Auch die dem Rekurrenten nachträglich zugestellte Urteilsbegründung bezieht sich ausdrücklich auf Art. 59 Ziff. 1 StGB. Daran ändert nichts, dass im fraglichen Strafurteil darauf hingewiesen wurde, für die Verfahrenskosten sowie die Ersatzforderung werde das Bezirksamt separat Rechnung stellen. Auch aus der Verfügung betreffend Beschlagnahme kann das Bezirksamt nichts zu seinen Gunsten ableiten, weil sowohl die definitive Einziehung nach Art. 59 Ziff. 1 StGB als auch die Festsetzung der Ersatzforderung nach Art. 59 Ziff. 2 StGB durch den Richter zu erfolgen hat und somit eine Ersatzforderung nicht automatisch an die Stelle der Beschlagnahme tritt (vgl. Schmid, Art. 59 StGB N 148 ff., 176).

c) Zusammenfassend verfügt das Bezirksamt nicht über einen Entscheid zur Vollstreckung der Forderung gegen den Rekurrenten. Es mangelt daher an einem Titel für die definitive Rechtsöffnung, weshalb diese zu verweigern ist. Zum gleichen Ergebnis führt die Tatsache, dass mangels einer Ersatzforderung im Sinn von Art. 59 Ziff. 2 StGB das Betreibungsverfahren nach SchKG ausgeschlossen ist, mithin die Forderung nicht auf dem Betreibungsweg geltend gemacht werden kann (Art. 69 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG). Das führt zur Gutheissung des Rekurses.

3. Im Hinblick auf die von der Vorinstanz und vom Rekurrenten aufgeworfenen Fragen sind trotz des Schutzes des Rekurses einige Hinweise angebracht.

a) Entgegen der Auffassung des Rekurrenten ist die Verfügung des Bezirksamts betreffend Beschlagnahme rechtskräftig und vollstreckbar. Das von der Verfügung erfasste Geld war ein taugliches Beschlagnahmeobjekt. Daran ändert die vom Rekurrenten behauptete Vermischung mit anderem Geld nichts, weil grundsätzlich der deliktische Mittelzufluss einziehbar bleibt (Schmid, Art. 59 StGB N 50).

Ob der Einwand des Rekurrenten zutrifft, die Beschlagnahme von Vermögenswerten könne nur zur Sicherung der künftigen Vollstreckung eines Strafurteils erfolgen, nicht aber als Sicherung der Einziehung gemäss Art. 58 und 59 StGB, erscheint fraglich. Er mag sich zwar auf den Wortlaut von § 117 StPO stützen, dürfte aber bereits angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichts in solchen Fällen (vgl. BGE 111 Ia 11 f.) einer näheren Überprüfung nicht standhalten. Es lässt sich auch der Standpunkt vertreten, der Hinweis in § 117 Abs. 1 StPO auf Art. 58 und 59 StGB beziehe sich auf sämtliche Fälle und nicht nur auf die Einziehung im Sinn von Art. 59 Ziff. 1 StGB. Trotzdem ist zu empfehlen, dass die Bezirksämter ihre Beschlagnahmeverfügungen nicht nur auf § 117 Abs. 1 oder 3 StPO, sondern auch auf Art. 59 Ziff. 2 Abs. 3 StGB (Beschlagnahme von Vermögenswerten zur Durchsetzung der Ersatzforderung) stützen. Eine Beschlagnahme von Vermögenswerten für verschiedene Zwecke ohne interne Ausscheidung ist im Übrigen zulässig, da es sich nur um eine provisorische Massnahme handelt (Schmid, Art. 59 StGB N 143).

Hier liegt das Problem darin, dass die Beschlagnahmeverfügung nicht vollstreckt wurde; eigentlich erfolgte die Beschlagnahme gar nicht. Das Bezirksamt hätte die Gelder behändigen und verwahren sollen.

b) Das Strafurteil ist mit Bezug auf die Einziehung gegenüber dem Rekurrenten nicht vollstreckbar. Dem Rekurrenten wurde das rechtliche Gehör verweigert. Darauf kann aber nicht verzichtet werden, weil im Einziehungsverfahren alle sich im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Bestimmungen stellenden Fragen - eingeschlossen zivilrechtliche Vorfragen - zu entscheiden sind. Zudem muss der betroffene Dritte alle seine aus Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 bzw. Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB fliessenden Rechte in diesem Einziehungsverfahren geltend machen können; im nachfolgenden Vollstreckungsverfahren ist er mit solchen Einwänden ausgeschlossen (Schmid, Art. 59 StGB N 83). Daher genügt eine nachträgliche Zustellung des Strafurteils an den Rekurrenten nicht. Zudem ist der Rekurrent im Strafurteil des Bezirksgerichts formell nicht als Partei aufgeführt, und auch im Dispositiv wird er nicht erwähnt.

c) Grundsätzlich steht einem nachträglichen Einziehungsverfahren unter Beteiligung des Rekurrenten nichts im Weg (Schmid, Art. 59 StGB N 148 f., 157, Art. 58 StGB N 87 ff.). Da es um die Anwendung von materiellem Bundesrecht (nach kantonalem Strafprozessrecht) geht, ist gegen den zu fällenden Entscheid die Berufung möglich. Der richterliche Entscheid ist wohl in der Form eines Beschlusses zu fällen (§ 165 StPO; vgl. Schmid, Art. 59 StGB N 149).

d) Ob die nachträgliche Einziehung im Sinn von Art. 59 Ziff. 1 StGB noch erfolgversprechend sein wird, ist allerdings eine andere Frage. Sind die deliktischen Vermögenswerte nicht bzw. nicht mehr vorhanden, und können auch keine Surrogate ausgemacht werden, kann nur noch eine Ersatzforderung gemäss Art. 59 Ziff. 2 StGB festgesetzt werden (Schmid, Art. 89 StGB N 98 ff.). Die notwendigen Abklärungen sind vom Bezirksamt vorzunehmen. Weil unabhängig vom rechtskräftig erledigten Strafverfahren gegen X das Einziehungsverfahren gegen den Rekurrenten noch nicht rechtskräftig erledigt ist, ist die rechtskräftige Beschlagnahmeverfügung des Bezirksamts grundsätzlich nach wie vor vollstreckbar. Ob sie tatsächlich vollstreckt werden kann, ist eine andere Frage. Der Versuch eines Vollzugs der Beschlagnahmeverfügung empfiehlt sich indessen auch aus der Sicht des Rekurrenten. Es liegt nämlich in seinem Interesse, sich der Beschlagnahme zu unterziehen und den beschlagnahmten Geldbetrag herauszugeben. Der angedeutete Einwand, er habe das beschlagnahmte Geld verbraucht, könnte den Verdacht einer strafbaren Handlung nach Art. 169 StGB (Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte) oder gemäss Art. 289 StGB (Bruch amtlicher Beschlagnahme) begründen. Aufgrund der Sachdarstellung im Beschwerdeentscheid der Staatsanwaltschaft muss jedenfalls davon ausgegangen werden, dass der Rekurrent zum Zeitpunkt der Beschlagnahme noch über den Ganterlös verfügte.

Mit Blick auf den zu fällenden Einziehungsentscheid stellt sich schliesslich die Frage, ob gestützt auf Art. 59 Ziff. 2 Abs. 3 StGB auch eine neue Beschlagnahmeverfügung möglich wäre.

Obergericht, 6. November 2000, BR.2000.94


JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.