RBOG 2001 Nr. 18
Die vertragliche Pflicht, vor Anhebung eines Prozesses ein Schlichtungsverfahren durchzuführen, gilt für das Rechtsöffnungsverfahren nicht
1. Mit Formularvertrag der Gastrosuisse mietete die Rekurrentin von der Rekursgegnerin einen Restaurationsbetrieb. Die Vermieterin setzte ausstehende Mietzinse in Betreibung. Die Rekurrentin machte geltend, die Rechtsöffnung könne schon aus formellen Gründen nicht bewilligt werden: Die Rekursgegnerin hätte sich zunächst an den Rechtsdienst der Gastrosuisse wenden müssen.
2. a) Gemäss Art. 35 des Mietvertrags unterbreiten die Parteien alle Streitigkeiten, die aus dieser Vereinbarung entstehen, dem Rechtsdienst der Gastrosuisse. Dieser oder eine von ihm beauftragte Person setzt zur Bereinigung der Differenzen eine Vergleichsverhandlung an. Kann eine Einigung auf dem Vergleichsweg nicht zustande kommen, werden die Parteien auf den ordentlichen Prozessweg verwiesen.
b) Zur Schlichtung von Streitigkeiten sind grundsätzlich die Gerichte zuständig. Die Parteien können eine bestehende Streitigkeit jedoch mittels Schiedsvertrag einem Schiedsgericht zur Beurteilung unterbreiten (Art. 4 Abs. 2 des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit). Nicht bezüglich sämtlicher Differenzen kann indessen eine private Institution an die Stelle des Staates treten. Gegenstand eines Schiedsverfahrens können nur Ansprüche sein, welche der freien Verfügung der Parteien unterliegen (Art. 5 des Konkordats). Frei verfügbar ist ein strittiger Anspruch, wenn der Streit durch rechtsverbindlichen aussergerichtlichen Vergleich oder durch Anerkennung vor einem staatlichen Gericht erledigt werden kann (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3.A., vor §§ 238-258 N 18). Nicht schieds- und damit auch nicht vergleichsfähig sind die betreibungs- bzw. konkursrechtlichen Klagen: Solche Massnahmen der Zwangsvollstreckung können auch Dritte berühren. Bei der Konkurseröffnung und bei der Rechtsöffnung ist dies zum Beispiel der Fall im Hinblick auf das Anschlussrecht gemäss Art. 110 f. SchKG (Rüede/Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2.A., S. 51; Frank/Sträuli/Messmer, vor §§ 238-258 ZPO N 19; Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3.A., S. 604; Panchaud/Caprez, Die Rechtsöffnung, Zürich 1980, § 49 N 1).
Einem Gericht vorgeschaltete Schlichtungsstellen und ähnliche Einrichtungen, die nicht endgültig entscheiden, mögen sie auf Vertrag, Statuten oder Gesetz beruhen, sind keine Schiedsgerichte (Rüede/Hadenfeldt, S. 26). Die für ein Schiedsgerichtsverfahren geltenden Grundsätze sind aber auch hier massgebend: Bei Problemkreisen, die nicht der freien Verfügung der Parteien unterliegen, ist eine Vereinbarung, wonach die Parteien den Rechtsweg erst beschreiten dürfen, nachdem sie sich an die eigentlich vereinbarte Schlichtungsstelle gewandt haben, unverbindlich.
c) Die vertragliche Verpflichtung der Parteien, eine Streitsache vor Einleitung der Klage dem Rechtsdienst Gastrosuisse zu unterbreiten, ist im Rahmen der materiellen Beurteilung von Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis zwischen der Rekurrentin und der Rekursgegnerin fraglos zu berücksichtigen: Im Fall einer Aberkennungsklage nach Art. 83 Abs. 2 SchKG müsste sich die Klägerin vor Einleitung des Prozesses an diesen Rechtsdienst wenden, andernfalls das ordentliche Gericht die Klage auf Einrede hin wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung als zur Zeit unbegründet abweisen würde (Rüede/Hadenfeldt, S. 27). Im Rechtsöffnungsverfahren hingegen geht es nicht um eine definitive materielle Beurteilung des Streitverhältnisses, sondern lediglich um die Frage, ob im eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren der Rechtsvorschlag zu beseitigen sei oder nicht. Das Rechtsöffnungsverfahren ermöglicht dem Gläubiger, welchem sich der Schuldner schriftlich verpflichtete, in einem schnellen, summarischen Verfahren zur Vollstreckung zu gelangen. Der Rechtsöffnungsrichter bestimmt ferner die Parteirollen für den ordentlichen Prozess über die An- oder Aberkennungsklage (Peter, Fragen zur provisorischen Rechtsöffnung, in: SJZ 95, 1999, S. 142). Klauseln über Schlichtungsstellen und Schiedsgerichte sind auf solche Prozesse anwendbar, nicht hingegen auf das Zwangsvollstreckungsverfahren (vgl. auch RBOG 1974 Nr. 7). Art. 35 des Mietvertrags steht somit der Beurteilung des Gesuchs um Bewilligung der provisorischen Rechtsöffnung nicht entgegen. Es ist dort denn auch nur davon die Rede, vorgängig eines ordentlichen Verfahrens sei eine Vergleichsverhandlung durchzuführen. Über Rechtsöffnungsgesuche wird indessen im summarischen Verfahren entschieden (§ 161 Ziff. 4, § 175 Ziff. 3 ZPO).
Obergericht, 23. April 2001, BR.2001.15