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RBOG 2002 Nr. 7

Voraussetzungen für die Anordnung der Gütertrennung im Eheschutzverfahren


Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB


1. Gemäss Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB kann der Eheschutzrichter die Gütertrennung anordnen, wenn es die Umstände rechtfertigen.

2. a) Im Gegensatz zur richterlichen Ehetrennung (Art. 118 ZGB) führt die Auflösung des gemeinsamen Haushalts nicht von Gesetzes wegen zur Gütertrennung. Allerdings bedarf es bei der Gütertrennung als Eheschutzmassnahme auch nicht eines "besonderen" wichtigen Grundes, wie er in Art. 185 ZGB verlangt wird. Die richterliche Bewilligung zum Getrenntleben im Sinn von Art. 175 ZGB kann, muss aber für den Eheschutzrichter nicht Anlass sein, um die Gütertrennung anzuordnen. Es genügt, wenn die Umstände dies rechtfertigen. Die Gefährdung von wirtschaftlichen Interessen steht im Vordergrund, aber auch andere persönlichkeitsrelevante Gesichtspunkte sind von Bedeutung (BGE 116 II 28 f.; Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, Art. 176 ZGB N 38; Bräm/Hasenböhler, Zürcher Kommentar, Art. 176 ZGB N 55 ff.). Für den Entscheid, ob die Umstände die Anordnung der Gütertrennung rechtfertigen, ist eine Interessenabwägung notwendig. Im summarischen Eheschutzverfahren genügt dabei Glaubhaftmachung. Zu beachten ist dabei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit: Der Wechsel zur Gütertrennung führt zu bedeutsamen Veränderungen, die später von Gesetzes wegen nicht mehr rückgängig zu machen sind. Der ordentliche Güterstand (Errungenschaftsbeteiligung) bringt den Gedanken der Schicksalsgemeinschaft hinsichtlich der in der Ehe erworbenen Vermögenswerte zum Ausdruck. Im Hinblick auf den Zweck des klassischen Eheschutzes, die gefährdete Ehe zu sanieren, sollte dieser Gedanke nicht so rasch preisgegeben werden (BGE 116 II 28; Hausheer/Reusser/Geiser, Art. 176 ZGB N 38a). Gegen den Willen eines Ehegatten erscheint die Anordnung der Gütertrennung immer gerechtfertigt, wenn die Errungenschaftsbeteiligung bzw. die Gütergemeinschaft ihre innere Berechtigung verloren hat; dies wird häufig zutreffen, wenn die Wohngemeinschaft unter den Ehegatten dauernd aufgegeben ist, oder wenn jedes einträgliche Zusammenwirken durch das Verhalten des einen oder beider Ehegatten oder durch objektive Umstände verunmöglicht wird (Hausheer/Reusser/Geiser, Art. 185 ZGB N 19).

b) Mit dem Inkrafttreten des revidierten Scheidungsrechts hat sich die Funktion des Eheschutzes erweitert: Widersetzt sich ein Ehegatte der Scheidung oder Trennung, bleibt dem scheidungs- bzw. trennungswilligen Ehegatten grundsätzlich nur die Möglichkeit, die vierjährige Trennungszeit gemäss Art. 114 ZGB abzuwarten. Bezweckten Eheschutzmassnahmen früher einzig die Aussöhnung der Ehegatten und die Vermeidung künftiger oder Behebung bestehender Schwierigkeiten (vgl. BGE 116 II 28), dient das Eheschutzverfahren heute oft zur Vorbereitung der Scheidung. Mit Bezug auf letzteren Zweck wird denn auch von der "kleinen Scheidung" oder dem "Ehescheidungsvorbereitungsverfahren" gesprochen (vgl. Steck, Neue Funktionen des Eheschutzes im Vorfeld der Scheidung, S. 4 ff., in: Schweizerisches Institut für Verwaltungskurse an der Universität St. Gallen [Hrsg.], Scheidungsrecht - erste Erfahrungen und neue Probleme, St. Gallen 2000). In den Fällen, in denen sich die Ehegatten nicht auf ein gemeinsames Scheidungs- oder Trennungsbegehren einigen können und zwischen ihnen Differenzen bezüglich des Getrenntlebens bzw. der Folgen desselben bestehen, ist heute an die Stelle der unter altem Recht möglichen Einreichung der Scheidungs- oder Trennungsklage in Verbindung mit dem Erlass vorsorglicher Massnahmen das Eheschutzverfahren zur Regelung der Verhältnisse während der Trennungsdauer getreten (Steck, S. 10). Diesem Wandel ist auch bei der eheschutzrichterlichen Anordnung der Gütertrennung Rechnung zu tragen. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied in diesem Zusammenhang, wenn aufgrund der Akten und nach Würdigung der gesamten Umstände feststehe, dass keine oder nur geringe Aussicht auf eine Wiedervereinigung der Ehegatten vorhanden sei und nach Ablauf der vierjährigen Trennungszeit mit grosser Wahrscheinlichkeit die Scheidungsklage gestützt auf Art. 114 ZGB eingereicht werde, habe der Eheschutzrichter auf entsprechendes Begehren die Gütertrennung anzuordnen. Alsdann existiere zwischen den Ehegatten keine Schicksalsgemeinschaft mehr, und das Eheschutzverfahren diene einzig der Scheidungsvorbereitung, weshalb kein hinreichender Grund vorliege, die engen wirtschaftlichen Bindungen, die durch die Errungenschaftsbeteiligung oder Gütergemeinschaft bestünden, gegen den Willen eines Ehegatten aufrechtzuerhalten (ZR 100, 2001, Nr. 24). Das Obergericht des Kantons Solothurn erwog, es rechtfertige sich - im Gegensatz zum klassischen Eheschutz - eher, die Gütertrennung anzuordnen, wenn damit zu rechnen sei, dass die vierjährige Frist nach Art. 114 ZGB abgewartet werden müsse (SOG 2000 Nr. 2 S. 7 = SJZ 97, 2001, Nr. 37 S. 581 f.). Auch das Kantonsgericht St. Gallen hielt dafür, die Anordnung der Gütertrennung bei Aufhebung des gemeinsamen Haushalts setze keinen wichtigen Grund, sondern nur ausreichende Umstände voraus. Sei die Ehe als Wohn- und Schicksalsgemeinschaft definitiv aufgegeben worden, falle oft auch die Grundlage für eine Errungenschaftsbeteiligung dahin. Der subjektive Scheidungswille eines Ehegatten genüge aber nicht. Es brauche objektive Anhaltspunkte, dass die Trennung als dauerhafter Zustand zu betrachten sei. Das möge etwa der Fall sein, wenn sämtliche Kontakte abgebrochen seien und keine Informationen mehr ausgetauscht würden, wenn der Streit namentlich in wirtschaftlichen Belangen fortgesetzt werde und vielleicht noch eskaliere, wenn die Lebenspläne der Ehegatten sich weit auseinander entwickelt hätten, oder wenn das Getrenntleben schon längere Zeit gedauert habe. Zu bedenken sei nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit auch, welche Wirkungen die Gütertrennung für die ganze Familie haben könne. Die Frage, wer Anlass zur Trennung gegeben habe, könne hingegen so nicht mehr gestellt werden, weil das einer kleinen Zerrüttungsprüfung gleichkäme, die mit dem neuen Scheidungsrecht nicht zu vereinbaren wäre (ZBJV 138, 2002, S. 72 f. mit Hinweisen).

3. a) Auch nach Auffassung des Obergerichts ist auf Begehren eines Ehegatten die Gütertrennung anzuordnen, wenn aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände mit grosser Wahrscheinlichkeit von einer dauerhaften Trennung der Parteien und davon auszugehen ist, nach der vierjährigen Trennungszeit gemäss Art. 114 ZGB werde die Scheidungsklage erhoben. Es ist aber zu betonen, dass der Scheidungswille eines Ehegatten und die Tatsache des Getrenntlebens allein nicht genügen, um gegen den Willen des anderen Ehegatten die Gütertrennung anzuordnen. Ein solcher "Automatismus" fände im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr müssen objektive Umstände vorhanden sein, die darauf schliessen lassen, dass keine oder nur geringe Aussicht auf eine Wiedervereinigung der Ehegatten besteht. Insofern ist Weber (in: AJP 2001 S. 466) Recht zu geben, dass stets die "gesamten" Umstände zu berücksichtigen sind. Die Tatsache, dass die Eheleute sich trennten und zumindest bei einem Ehegatten der Scheidungswille (auch) nach vierjähriger Trennungszeit mit grosser Wahrscheinlichkeit noch vorhanden sein wird, stellt im Rahmen der Würdigung aller Umstände gemäss Art. 4 ZGB ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" im Sinn von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB dar. Zwar trifft zu, dass das Bundesgericht festhielt, die während des Getrenntlebens im Sinn von Art. 114 ZGB fortbestehende eheliche Bande, die sogenannte Ehe "auf dem Papier", zeitige durchaus weiterhin ihre gesetzlichen Wirkungen (BGE 127 III 134; Weber, S. 466). Namentlich erwähnt wurden interessanterweise aber (nur) der Unterhalt und die Erbansprüche, nicht hingegen das Güterrecht. Im Übrigen vermöchten gerade güterrechtliche Überlegungen eines Ehegatten auch angesichts der präzisierten Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Scheidungsgrund der Unzumutbarkeit gemäss Art. 115 ZGB einen Scheidungsanspruch nicht zu begründen. Es geht bei der Scheidung gemäss Art. 115 ZGB nach wie vor um die Prüfung der Frage, ob der Fortbestand der rechtlichen Verbindung seelisch zumutbar sei, oder ob die geistig-emotionale Reaktion, das Fortbestehen der rechtlichen Bindungen während vier Jahren als unerträglich zu betrachten, objektiv nachvollziehbar ist (BGE 127 III 134). Entgegen der Auffassung von Weber (S. 466) bedeutet der Umstand, dass der Fortbestand der rechtlichen Verbindung seelisch zumutbar sei, nicht zwingend, dass dies auch für den gesamten Inhalt dieser Verbindung zu gelten habe. Mit dieser Begründung müsste alsdann auch die Berechtigung zum Getrenntleben (Art. 175 ZGB) an qualifizierte Voraussetzungen geknüpft werden; dies wird im Zusammenhang mit der vierjährigen Trennungszeit gemäss Art. 114 ZGB aber zu Recht verneint (vgl. ZBJV 138, 2002, S. 67 ff.; Entscheid des Obergerichts vom 2. November 2001, ZR.2001.67). Dass die Aufteilung der Vorsorgeguthaben - im Gegensatz zur güterrechtlichen Auseinandersetzung - erst im Rahmen der späteren Scheidung erfolgen kann (vgl. Weber, S. 466), ist eine Folge der gesetzlichen Regelung: Mit Bezug auf das Vorsorgeguthaben ist der Zeitpunkt der Auseinandersetzung - ohne Ausnahmemöglichkeiten - fixiert (Art. 22 Abs. 2 FZG), während die Gütertrennung kraft des Gesetzes auch während bestehender Ehe angeordnet werden kann (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 und 185 ZGB). Grundsätzlich richtig ist der Einwand, gegebenenfalls könne der erwerbstätige Ehegatte seinem Ehepartner die Anwartschaft auf eine Beteiligung an der künftigen Errungenschaft nehmen (vgl. Weber, S. 465). Umgekehrt ist es aber auch dem nicht erwerbstätigen Ehegatten möglich, mit dem Antrag auf Gütertrennung beispielsweise gegenüber einem selbständigerwerbenden Partner vorhandene Errungenschaft zu sichern und nicht befürchten zu müssen, die Errungenschaft werde durch wirtschaftliche Umstände (z.B. Betriebsverluste, Vermögenszerfall) oder ein - nicht immer leicht beweisbares - Verhalten des Ehepartners geschmälert.

b) Nicht richtig ist die Argumentation des Rekursgegners, die Umstände im Sinn von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB seien den wichtigen Gründen gemäss Art. 185 ZGB gleichzusetzen. Das Bundesgericht hatte bereits in BGE 116 II 28 ff. festgestellt, dass es sich aufdränge, die Umstände gemäss Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB unter dem Blickwinkel von Art. 175 ZGB zu sehen und folglich vor allem die Frage nach der Gefährdung der wirtschaftlichen Sicherheit des Ehegatten, der um Gütertrennung nachsuche, zu stellen. Denkbar sei allerdings auch, dass der Schutz der Persönlichkeit eines Ehegatten die Gütertrennung als notwendig erscheinen lasse. In jenem Entscheid wies das Bundesgericht aber gleichzeitig darauf hin, Sinn und Zweck der Eheschutzmassnahmen seien auf die Aussöhnung der Ehegatten, auf die Vermeidung künftiger oder die Behebung bestehender Schwierigkeiten ausgerichtet; sie wollten verhindern, dass die Uneinigkeit der Ehegatten zur völligen Entfremdung führe. Im Zusammenhang mit dem Eheschutz als Scheidungsvorbereitungsverfahren dürfte diese Rechtsprechung überholt sein, weil die Gütertrennung nur angeordnet werden soll, wenn mit grosser Wahrscheinlichkeit keine Aussicht auf Wiedervereinigung der Ehegatten besteht, die Entfremdung mithin eingetreten ist und mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auch nicht behoben werden kann (Entscheid des Obergerichts vom 3. Dezember 2001, ZR.2001.135, S. 4 ff.).

Obergericht, 19. Dezember 2001, ZR.2001.129


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