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RBOG 2004 Nr. 13

Es ist im Einzelfall zu entscheiden, ob das Zahlen fälliger (liquider) Erbschaftsschulden durch einen Erben als blosse Verwaltungshandlung oder als Einmischung gilt


Art. 571 Abs. 2 ZGB


1. Die Vermutung der Ausschlagung der Erbschaft bei offenkundiger Überschuldung des Nachlasses wird umgestossen, wenn ein Erbe die Erbschaft annimmt oder Erbenhandlungen im Sinn von Art. 571 Abs. 2 ZGB vornimmt (Tuor/Picenoni, Berner Kommentar, Art. 566 ZGB N 12 und Art. 571 ZGB N 5; Escher, Zürcher Kommentar, Art. 566 ZGB N 14). Nach dieser Bestimmung verwirkt ein Erbe das Ausschlagungsrecht, wenn er sich in die Angelegenheiten der Erbschaft eingemischt oder Handlungen vorgenommen hat, die nicht durch die blosse Verwaltung der Erbschaft und durch den Fortgang der Geschäfte des Erblassers gefordert waren, oder wenn er sich Erbschaftssachen angeeignet oder verheimlicht hat.

2. a) Blosse Verwaltungshandlungen im Sinn von Art. 571 Abs. 2 ZGB vermögen die Vermutung der Ausschlagung (Art. 566 Abs. 2 ZGB) nicht umzustossen. Als blosse Verwaltungshandlungen bezeichnet werden dringende Ausbesserungen, die Bezahlung fälliger Erbschaftsschulden, das Inkasso fälliger Guthaben des Erblassers, die Weiterführung eines hängigen Prozesses oder eines eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahrens, die Weiterführung des Geschäftsbetriebs einschliesslich der Ordnung der Anstellungsverhältnisse oder der dringende Verkauf von Vermögenswerten, die beispielsweise einen Wertverlust erleiden oder der Beschaffung der für die Verwaltung nötigen Gelder dienen (Tuor/Picenoni, Art. 571 ZGB N 13; Schwander, Basler Kommentar, Art. 571 ZGB N 5). Als Einmischung und damit als konkludente Annahme der Erbschaft zu betrachten ist demgegenüber die Aneignung von Erbschaftssachen und -werten oder die Verheimlichung solcher gegenüber Miterben (Schwander, Art. 571 ZGB N 4). Die Wegnahme wertloser oder ganz geringfügiger Sachen ist noch nicht als Einmischung anzusehen. Die konkludente Annahme der Erbschaft setzt in der Regel ein bewusstes, vorsätzliches Verhalten (bezogen auf die einzelne Handlung) und zumeist ein positives Tun voraus. Dabei steht fast immer eigenes Interesse zum Beispiel die Vermischung von Nachlass- und Erbengeldern und nicht das blosse Erhaltungsinteresse im Vordergrund. Erforderlich ist das Wissen des Erben, dass es sich um einen dem Nachlass zugehörigen Wert handle (Schwander, Art. 571 ZGB N 5). Gemeinsam ist den Handlungen, dass sich die zur Erbschaft berufene Person verhält, wie wenn sie schon definitiv Erbin wäre; sie tritt eigentlich das Erbe wenigstens zum Teil schon an (Schwander, Art. 571 ZGB N 4).

b) Dass das Bezahlen fälliger (liquider) Schulden als blosse Verwaltungshandlung angesehen wird, erachtet das Obergericht im Zusammenhang mit der vermuteten Ausschlagung zufolge offensichtlicher Überschuldung des Nachlasses als nicht unproblematisch: Alsdann bestimmt zunächst der Erbe, welche Erbschaftsgläubiger mit den vorhandenen Aktiven des Nachlasses befriedigt werden. An sich müsste es aber wegen der offenkundigen Überschuldung bzw. der vermuteten Ausschlagung zur konkursamtlichen Liquidation gemäss Art. 193 SchKG kommen. Es würden sämtliche Gläubiger der nämlichen Klasse gleich behandelt (Art. 220 Abs. 1 SchKG). Im Ergebnis kann somit bei einer überschuldeten Erbschaft die Befriedigung einzelner Gläubiger zu einer Gläubigerbevorzugung führen, was wohl als Einmischung zu qualifizieren wäre. Der Erbe kann sich in diesem Zusammenhang auch kaum darauf berufen, erst nach einigen Zahlungen festgestellt zu haben, dass die Verlassenschaft überschuldet sei, weil es alsdann an der Offensichtlichkeit der Zahlungsunfähigkeit des Erblassers zum Todeszeitpunkt fehlen und damit die Vermutung der Ausschlagung nicht greifen würde. Man wird dieses Problem allenfalls lösen können, indem einerseits bei einem offenkundig überschuldeten Nachlass die Schuldentilgung nur als Verwaltungshandlung zu betrachten ist, wenn die Bezahlung dieser Forderung als (mindestens subjektiv für den betreffenden Erben) dringend notwendig erscheint und/oder damit weitere Folgekosten für die Erbschaft vermieden werden können. Andererseits muss offensichtlich sein, dass der Erbe sich nicht einmischen, sondern (gutgläubig) die Erbschaft verwalten wollte. An diese Kriterien ist insbesondere bei Berufung des Erben auf die vermutete Ausschlagung nach Ablauf der Ausschlagungsfrist ein strenger Massstab anzulegen.

Obergericht, 6. Juli 2004, ZBR.2004.25


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