RBOG 2004 Nr. 18
Auf einen verspäteten Rekurs gegen ein Konkursdekret kann nicht eingetreten werden, selbst wenn der Gläubiger ausdrücklich darauf verzichtet, die Nichteinhaltung der Frist geltend zu machen
Art. 33 Abs. 3 SchKG, Art. 174 SchKG
1. Die Vorinstanz eröffnete über den Rekurrenten per 2. Februar 2004 den Konkurs. Am 23. Februar 2004 teilte die Gläubigerin dem Gerichtspräsidium mit, sie ziehe das Konkursbegehren zurück. Am 26. Februar 2004 erhob der Schuldner Rekurs.
2. a) Zu Recht wies der Rekurrent darauf hin, dass er mit seiner Eingabe vom 26. Februar 2004 die zehntägige Rekursfrist nicht eingehalten habe (Art. 174 Abs. 1 SchKG; § 66 ZPO), weshalb auf den Rekurs grundsätzlich nicht einzutreten ist. Der Rekurrent vertritt jedoch die Meinung, das Schreiben der Rekursgegnerin vom 25. Februar 2004 - mit dem Wortlaut: "Zuhanden des Obergerichts bestätigen wir, dass wir gegen die Anhandnahme eines verspätet eingereichten Rekurses des Schuldners gegen den Konkurseröffnungsentscheid bzw. die Wiederherstellung der Rekursfrist nichts einzuwenden haben. Wir sind auch mit der Aufhebung des Konkurseröffnungsentscheids durch die Rekursinstanz einverstanden" - belege, dass diese auf die Einhaltung der Rekursfrist rechtsgenüglich verzichtet habe (Art. 33 Abs. 3 SchKG), womit der Anhandnahme des Rekurses trotz verspäteter Einreichung nichts entgegenstehe.
b) Art. 33 SchKG regelt die Änderung und Wiederherstellung von Fristen. Gemäss Abs. 3 dieser Bestimmung kann ein am Verfahren Beteiligter darauf verzichten, die Nichteinhaltung einer Frist geltend zu machen, wenn diese ausschliesslich in seinem Interesse aufgestellt ist. Art. 33 SchKG bezweckt, die grundsätzliche Fristenstrenge des SchKG zu mildern, falls diese zu einem unbilligen Ergebnis führen würde. Erfasst werden sowohl gesetzliche als auch behördliche bzw. richterliche kurze Eingabefristen, wie beispielsweise Bestreitungs-, Klage- und Beschwerdefristen. Gemäss der Botschaft über die Änderung des SchKG vom 8. Mai 1991 (BBl 1991 III 1 ff.) sollen durch die revidierte Fassung nicht sämtliche gesetzlichen Fristen des SchKG veränderbar und wiederherstellbar erklärt werden. So ist Art. 33 SchKG z.B. nicht anwendbar auf materiell-rechtliche Verjährungs- und Verwirkungsfristen, betreibungsrechtliche Zustandsfristen sowie auf Fristen der kantonalen Rechtsmittel und des OG (Nordmann, Basler Kommentar, Art. 33 SchKG N 1). Gemäss der Botschaft (BBl 1991 III 46) wurde die Vorschrift von Art. 33 Abs. 2 aSchKG als Absatz 3 beibehalten. Inskünftig sollten jedoch alle an einem Verfahren Beteiligten, nicht nur der Schuldner, darauf verzichten können, die Nichteinhaltung einer Frist geltend zu machen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Frist ausschliesslich im Interesse des Verzichtenden aufgestellt worden ist. Das Erfordernis "ausschliesslich in seinem Interesse aufgestellt" entspricht der bisherigen Rechtsprechung, wonach kein Verzicht auf Fristen zulässig ist, welche im öffentlichen Interesse aufgestellt wurden (AJP 1996 S. 1381). Zum Verzicht auf Fristen, welche "im öffentlichen Interesse" aufgestellt wurden, halten Fritzsche/Walder (Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, Zürich 1993, S. 163) fest, der Schuldner könne beispielsweise nicht auf die Geltendmachung der Verspätung einer Beschwerde des Gläubigers verzichten, da sich diese gar nicht gegen ihn, sondern gegen das Amt bzw. die untere oder die obere kantonale Aufsichtsbehörde richte. Gemäss Blumenstein (Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, Bern 1911, S. 202) kann sich Art. 33 Abs. 2 aSchKG nur auf die betreibungsrechtlichen Befristungen beziehen; von diesen fallen logischerweise all diejenigen Fristen ausser Betracht, welche dem Schuldner oder einem Dritten zur Vornahme einer Vorkehr gesetzt worden sind, so dass nur noch diejenigen Fälle übrig bleiben, in welchen der Gläubiger binnen einer bestimmten Frist eine gegen den Schuldner selbst gerichtete Vorkehr, d.h. ein Begehren um "Progredierung in der Vollstreckung" als solcher anbringt. Nicht hierher gehören unter anderem die Berufungsfristen gegenüber gerichtlichen Entscheiden, z.B. Art. 174, 185 und 294 aSchKG. In Bezug auf die zehntägige Rechtsmittelfrist blieb die revidierte Bestimmung materiell grundsätzlich identisch mit der alten Bestimmung (Giroud, Basler Kommentar, Art. 174 SchKG N 6).
c) Weil die SchKG-Revision 1994 bezüglich Art. 33 Abs. 3 SchKG mit Ausnahme des Personenkreises, der darauf verzichten kann, die Nichteinhaltung einer Frist geltend zu machen nichts Neues brachte, kann die Lehre und Rechtsprechung zu Art. 33 aSchKG ebenfalls beigezogen werden. Entgegen der Meinung des Rekurrenten wurde die Rekursfrist gemäss Art. 174 Abs. 1 SchKG nicht ausschliesslich im Interesse der Rekursgegnerin aufgestellt. Im Gegenteil: Bei der zehntägigen Rechtsmittelfrist handelt es sich um eine Norm, welche im öffentlichen Interesse aufgestellt wurde, weshalb ein Verzicht auf diese Frist wie ebenfalls bei Art. 88 Abs. 1 aSchKG (vgl. BGE 101 III 16) nicht zulässig ist. Dass dem so ist, erhellt auch daraus, dass im Rechtsmittelverfahren über eine Konkurseröffnung selbst dann die Zahlungsfähigkeit des Schuldners von Amtes wegen zu prüfen ist, wenn der Gläubiger gemäss Art. 174 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG auf die Durchführung des Konkurses verzichtet. Anders wäre die Frage allenfalls im Rekursverfahren über eine Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung zu entscheiden (vgl. RBOG 2002 Nr. 19).
d) Ebenso irrelevant wie der Verzicht der Rekursgegnerin, auf der Einhaltung der Rekursfrist zu bestehen, ist ihr Einverständnis zur Fristwiederherstellung, ansonsten sich mit diesem Einverständnis durch die Gläubigerin die im öffentlichen Interesse aufgestellte Rechtsmittelfrist gemäss Art. 174 Abs. 1 SchKG nicht durchsetzen liesse.
e) Zu verneinen ist auch die Frage, ob die Vorinstanz verpflichtet gewesen wäre, nach Eingang der Mitteilung der Rekursgegnerin vom 23. Februar 2004, sie ziehe das Konkursbegehren zurück, irgendetwas vorzukehren. Der lange Zeit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingegangene Rückzug des Konkursbegehrens durch die Rekursgegnerin kann nicht als Rekurs gegen die erfolgte Konkurseröffnung verstanden werden. Zu weit ginge es auch, von einem Gerichtspräsidium zu verlangen sofern die Rechtsmittelfrist eingehalten würde , den nach der Konkurseröffnung getätigten Rückzug des Konkursbegehrens dem Schuldner mit dem Hinweis zuzustellen, dieser Rückzug werde nur relevant, wenn der Schuldner selbst Rekurs gegen die Konkurseröffnung erhebe.
Obergericht, 10. März 2004, BR.2004.17