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RBOG 2004 Nr. 4

Anforderungen an die Vollstreckbarkeit und damit Genehmigung einer Unterhaltsvereinbarung


Art. 176 ZGB


1. Strittig ist, ob die Rekurrentin im Eheschutzverfahren Anspruch darauf erheben kann, dass der Ehemann verpflichtet wird, ihr Fr. 22'007.20 (ihr Rechtsbegehren vor Vizegerichtspräsidium) bzw. Fr. 20'310.14 (ihr Rechtsbegehren im Rekursverfahren, je nebst Zins) zu bezahlen. Sie stützt sich dabei auf den öffentlich beurkundeten Ehe- und Erbvertrag. Der Rekursgegner sei seinen daraus resultierenden Verpflichtungen nicht nachgekommen.

2. a) Der massgebende Passus im Ehe- und Erbvertrag lautet folgendermassen:

"Ferner wird folgende Unterhaltsklausel vereinbart:

Im Gegenzug zu der von der Ehefrau eingebrachten, vollständigen Lebensinfrastruktur (Wohnen, Mobiliar, kompl. Hausrat usw.) werden die gesamthaft aufgelaufenen Lebenshaltungskosten des gemeinsamen ehelichen Haushalts wie folgt getragen: ⅔ vom Ehemann, ⅓ von der Ehefrau."

b) Kernpunkt dieser Vereinbarung sind die Begriffe "gesamthaft aufgelaufene Lebenshaltungskosten" und "vollständige Lebensinfrastruktur". Alles, was hierunter zu subsumieren ist, muss finanziell im Verhältnis ⅔ : ⅓ geteilt werden. Nun ist aber nicht eruierbar, welche Positionen unter die "Lebenshaltungskosten" fallen. Allenfalls könnten sie als Gegenpol zu der von der Rekurrentin eingebrachten, "vollständigen Lebensinfrastruktur" gesetzt werden. Dieser Begriff wird in der Vereinbarung in Klammern mit "Wohnen, Mobiliar, kompl. Hausrat usw." definiert. Das Wort "usw." schliesst indessen aus, exakt angeben zu können, was zur "vollständigen Lebensinfrastruktur" bzw. zu den "übrigen Lebenshaltungskosten des gemeinsamen ehelichen Haushalts" gehört. Daran ändert auch das Schreiben des Notariats nichts. Es stammt zwar von demjenigen Notar, der den Ehe- und Erbvertrag der Parteien verfasste; seine Bestätigung hilft aber auch nicht weiter. Er weist darauf hin, der "im definitiven Exemplar verwendete Ausdruck 'gesamthaft aufgelaufene Lebenshaltungskosten des gemeinsamen ehelichen Haushaltes' war in den bei uns liegenden Entwürfen wie folgt umschrieben:

... die gesamthaft aufgelaufenen Kosten des gemeinsamen Haushalts (wie z.B. Hypozinsen + Amort. Haus, Steuern, Anschaffungen, Kleider, Möbel etc., KK, Versicherungen, Wasser, Strom, Heizungskosten, Telefon, Fahrzeugkosten, Ferien usw. ...".

Der vollständige Text lautet folgendermassen:

"Im Gegenzug zu der von der Ehefrau eingebrachten, vollständigen Lebensinfrastruktur (Wohnen, Mobiliar, kompl. Hausrat usw.) werden die gesamthaft aufgelaufenen Kosten des gemeinsamen Haushalts (wie z.B. Hypozinsen + Amort. Haus, Steuern, Anschaffungen, Kleider, Möbel etc., KK, Versicherungen, Wasser, Strom, Heizungskosten, Telefon, Fahrzeugkosten, Ferien usw.) wie folgt getragen: ⅔ vom Ehemann, ⅓ von der Ehefrau."

Dieser Entwurf enthält einen inneren Widerspruch. Sowohl bei der "vollständigen Lebensinfrastruktur" als auch bei den "Kosten des gemeinsamen ehelichen Haushalts" werden Auslagen zufolge Wohnens erwähnt. Welche daraus resultierenden Positionen ausschliesslich von der Rekurrentin und welche von beiden Parteien zu tragen sind, geht aus der Vereinbarung nicht hervor. Es ist nicht eruierbar, ob die Hypothekarzinsen und die Amortisationen, gleichermassen aber auch die Strom- und Heizungskosten tatsächlich der von der Ehefrau eingebrachten "Lebensinfrastruktur (Wohnen ...)" zuzuordnen sind. Die Vorinstanz entschied sich für diese Annahme; ob sie richtig ist, wird von der Rekurrentin bestritten und kann zumindest im summarischen Verfahren nicht entschieden werden. Die konkretisierende Aufzählung im vom Notar erwähnten Vertragsentwurf lässt jedenfalls nicht zwingend darauf schliessen, die endgültige Fassung stelle lediglich eine Verkürzung der Entwürfe dar. Abgesehen davon ist der als massgeblich bezeichnete Entwurf in sich selbst unklar.

c) Die fehlende Präzision der Begriffe "Wohnen" und "Lebenshaltungskosten" ergibt sich indessen nicht nur aus dem Ehe- und Erbvertrag selbst, sondern auch aus den Ausführungen der Parteien zu den einzelnen Positionen, für die ab September 2002 entweder nur eine von ihnen oder aber beide anteilsmässig aufzukommen haben. So soll nach Darstellung der Rekurrentin der Ehemann nebst einem Teil des Hypothekarzinses auch einen Kaminfeger- sowie Heizölanteil, einen Anteil an der "Tiefkühlergarantie sowie einen solchen an den Gebäudeversicherungskosten" tragen. Der Rekursgegner bestreitet eine seinerseitige dahingehende Zahlungspflicht. Gleiches gilt hinsichtlich der Rechnung Gartenpflege über total Fr. 263.10 und sogar in Bezug auf diejenige der Stadtpolizei Winterthur über Fr. 250.--: Die Rekurrentin verlangt, dass sich ihr Ehemann an diesen beiden Auslagen mit Fr. 175.40 und Fr. 166.67 beteiligt.

Die Parteien sind sich folglich alles andere als darüber einig, wer für welche bzw. in welchem Umfang für die Ausgaben des ehelichen Zusammenlebens aufkommen muss. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann ihrer Vereinbarung nicht entnommen werden. Aus eben diesem Grund musste das Gerichtspräsidium das Rechtsöffnungsbegehren der Ehefrau, welches sich ebenfalls auf den Ehe- und Erbvertrag stützte, im Jahr 2003 abweisen: Auch damals wurde darauf hingewiesen, aus dem im Vertrag aufgeführten Verteilungsschlüssel sei lediglich ersichtlich, in welchem Verhältnis die laufend anfallenden Kosten von den Eheleuten zu tragen seien; über den genauen Betrag dieser gemeinsam zu bezahlenden Auslagen lasse sich der Übereinkunft aber keinerlei Hinweis entnehmen. Diese Feststellung ist nicht nur hinsichtlich der einzelnen Positionen, für welche die Eheleute anteilsmässig aufkommen müssen, richtig, sondern auch in Bezug auf das vom Rekursgegner angeschnittene Problem, was zu geschehen habe, wenn die Lebenshaltungskosten plötzlich um mehr als die Hälfte steigen.

3. Die Unterhaltsvereinbarung der Parteien ist somit nicht vollstreckbar und kann demgemäss auch nicht genehmigt werden. Der Ehe- und Erbvertrag erlaubt es nicht, der Rekurrentin die von ihr verlangte Summe zuzusprechen: Einerseits werden darin Begriffe verwendet, die zumindest im summarischen Verfahren nicht definiert werden können; andererseits fehlt es an der für die Vollstreckbarkeit notwendigen zahlenmässigen Festlegung der vom Rekursgegner zu entrichtenden Summe.

Obergericht, 20. September 2004, ZR.2004.55


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