RBOG 2005 Nr. 23
Verjährung der Verfahrensgebühr einer Bussenverfügung des Polizeirichteramts der Stadt Zürich
1. Das Stadtrichteramt Zürich büsste den Rekursgegner mit Verfügung vom 11. November 1997 mit Fr. 80.-- und auferlegte ihm eine Verfahrensgebühr von Fr. 225.--. Der Rekursgegner bezahlte die Busse nicht, worauf die Stadt Zürich (Rekurrentin) sie wegen Eintritts der Vollstreckungsverjährung abschrieb. Sie hob aber für die Verfahrensgebühr im Jahr 2005 die Betreibung an. Die Vorinstanz verweigerte die definitive Rechtsöffnung mit der Begründung, die Forderung sei verjährt.
2. a) Die Rekurrentin reichte die rechtskräftige Verfügung des Stadtrichteramts Zürich vom 11. November 1997, den Zustellungsnachweis durch die Kantonspolizei Thurgau vom 11. Dezember 1997 sowie eine Bescheinigung des Stadtrichteramts Zürich ein, wonach die Anforderungen an das Verfahren gemäss Art. 3 des Konkordats über die Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe zur Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Ansprüche erfüllt seien. Gleichzeitig wies sie auf § 214 ZPO ZH hin, wonach auf Geldleistung und Sicherheitsleistung gerichtete rechtskräftige Entscheide der Verwaltungsinstanzen des Kantons Zürich und seiner Gemeinden hinsichtlich der Rechtsöffnung vollstreckbaren gerichtlichen Urteilen (Art. 80 Abs. 2 SchKG) gleichgestellt sind. Die Voraussetzungen für die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung gestützt auf die Bussenverfügung vom 11. November 1997 sind damit erfüllt. Nachdem diese Verfügung dem Rekursgegner nachgewiesenermassen zugestellt wurde und in Rechtskraft erwuchs, ist auf seine materiellen Einwände gegen die Busse nicht mehr einzugehen. Der Schuldner hätte diese innerhalb der Einsprachefrist geltend machen müssen.
b) Die Rekurrentin setzte indessen richtigerweise nicht den gesamten, in der Bussenverfügung festgesetzten Betrag in Betreibung, sondern lediglich die Verfahrensgebühren, weil die Busse von Fr. 80.-- verjährt ist. Die Verfahrensgebühr beträgt indessen lediglich Fr. 225.--. Für die zusätzlich in Betreibung gesetzte Mahngebühr liegt kein Titel für die definitive Rechtsöffnung vor. Zwar reichte die Rekurrentin zusammen mit der Bussenverfügung einen Anhang ein, in dem der Gebüsste ausdrücklich auf Mahnspesen von Fr. 10.-- pro Mahnung hingewiesen wird. Es liegt aber keine Mahnung im Recht. Rechtsöffnung kann daher von vornherein nur für Fr. 225.-- erteilt werden.
3. a) Bezüglich der Verfahrensgebühren erwog die Vorinstanz zu Recht, der Schuldner habe weder Tilgung noch Stundung oder Verjährung im Sinn von Art. 81 SchKG geltend gemacht. Sie verweigerte die Rechtsöffnung aber trotzdem, weil die in Betreibung gesetzte Forderung verjährt sei. In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung sei das Steuergesetz des Kantons Zürich (§ 131 StG ZH) heranzuziehen und auf die dort erwähnte Verjährungsfrist von fünf Jahren abzustellen.
Die Rekurrentin machte geltend, die in Betreibung gesetzten Gebühren seien nicht mit Steuerforderungen vergleichbar. Es sei daher nicht sachgerecht, auf die im Steuerrecht geltende Verjährungsfrist abzustellen. Viel näher liege es, auf die für städtische Gebühren geltende Regelung abzustellen.
b) Die Vorinstanz hielt dafür, die Verjährung müsse von Amtes wegen beachtet werden. Diese Regelung bezwecke den Schutz des Privaten gegenüber den Verwaltungsbehörden, die ihrer Aufgabe zur Geltendmachung der Forderung nicht nachgekommen seien. Diese Auffassung entspricht der Praxis des Bundesgerichts, wonach der Frage der Verjährung von Amtes wegen nachzugehen ist, sofern der Staat als Gläubiger auftritt. Lediglich zum Nachteil des den Staat belangenden Bürgers ist die Verjährung nicht von Amtes wegen zu prüfen (BGE 111 Ib 227 f.; Gadola, Verjährung und Verwirkung im öffentlichen Recht, in: AJP 1995 S. 50). In der Lehre wird diese Praxis gutgeheissen; es finden sich aber auch kritische Stimmen, die verlangen, die Verjährung sei nur auf Einrede hin zu prüfen (vgl. Gadola, S. 51 Anm. 46). Zudem wird für das zürcherische Recht im Zusammenhang mit Gerichtskostenforderungen die Auffassung vertreten, weil § 205 GVG ZH auf das OR hinweise, müsse auch Art. 142 OR zur Anwendung gelangen, wonach die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigt werden dürfe (Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, § 205 N 2). Die Frage kann hier offen gelassen werden, weil die Verjährung ohnehin nicht eingetreten ist.
c) aa) Es gilt auch ohne besondere gesetzliche Bestimmung der ungeschriebene Rechtsgrundsatz, dass öffentlich-rechtliche Ansprüche sowohl solche des Gemeinwesens gegenüber den Bürgern als auch solche des Bürgers an das Gemeinwesen der Verjährung unterliegen (Gadola, S. 48). Sofern der massgebende öffentlich-rechtliche Erlass keine Verjährungsfristen enthält, sind die gesetzlichen Fristenregelungen anderer Erlasse für verwandte Ansprüche heranzuziehen. Dabei ist in erster Linie auf die Ordnung zurückzugreifen, die das öffentliche Recht für verwandte Fälle aufstellte. Beim Fehlen entsprechender gesetzlicher Vorschriften muss die Verjährungsfrist nach allgemeinen Grundsätzen festgelegt werden. Primär ist aber auf diejenigen Verjährungsregeln abzustellen, die der anwendbare Erlass selbst für vergleichbare Ansprüche aufstellt (BGE 112 Ia 262 f.). Im Zusammenhang mit einer Gebührenforderung, die im kommunalen öffentlichen Recht umschrieben ist, muss somit zunächst nach verwandten kommunalen Verjährungsvorschriften gesucht und abgeklärt werden, ob solche Normen für vergleichbare Sachverhalte existieren. Steht fest, dass keine Verjährungsbestimmungen in sachverwandten kommunalen Erlassen analog herangezogen werden können, ist zu untersuchen, ob das kantonale Recht Verjährungsvorschriften enthält, die auf den strittigen Fall anwendbar sind. Ist auch dies nicht der Fall, ist die Verjährungsfrist nach allgemeinen Grundsätzen festzulegen (Gadola, S. 49).
bb) Es ist unbestritten, dass weder die kantonale Verordnung über die Gebühren der Gemeindebehörden des Kantons Zürich noch eine kommunale Ordnung der Stadt Zürich die Verjährung von Gebührenforderungen ausdrücklich regeln. Die Vorinstanz erachtete daher in Anlehnung an das Steuergesetz des Kantons Zürich eine Verjährungsfrist von fünf Jahren als massgeblich. Die Rekurrentin hielt dem entgegen, die Aufnahme- und Taxordnung für die Stadtspitäler Waid und Triemli sowie das Reglement über die Abgabe elektrischer Energie durch das Elektrizitätswerk würden der Gebührenordnung näher liegen als Steuern, die voraussetzungslos geschuldet seien. Die Taxordnung für die Stadtspitäler sehe eine zehnjährige Verjährungsfrist vor, und das Reglement für die Abgabe elektrischer Energie weise auf die Bestimmungen des OR hin. Diese Auffassung ist zumindest insofern zutreffend, als die analoge Heranziehung dieser Erlasse sicher näher liegt als der Vergleich mit dem kantonalen Steuergesetz: Bei dem von der Rekurrentin geltend gemachten Anspruch handelt es sich um eine Gebühr, die anders als Steuern nicht voraussetzungslos geschuldet ist, sondern als Entgelt für eine bestimmte staatliche Leistung erhoben wird (vgl. Tschannen/Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2.A., § 55 N 8, 18, 21; Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3.A., N 2042, 2072).
cc) Indessen liegt eine andere gesetzliche Grundlage falls sie nicht ohnehin direkt anwendbar wäre wesentlich näher als die von der Rekurrentin erwähnten städtischen Regelemente:
Bei der in Betreibung gesetzten Forderung handelt es sich um eine Gerichtsgebühr des Stadtrichteramts Zürich. Für kommunale Instanzen gilt zwar die Verordnung des Regierungsrats des Kantons Zürich über die Gebühren der Gemeindebehörden (vgl. Hauser/Schweri, § 202 GVG N 36) und gestützt auf deren § 3 letztlich die kommunale Gebührenordnung. Die Kompetenz des Polizeirichteramts zur Untersuchung und Beurteilung von Übertretungen liegt indessen in § 74 Abs. 1 GVG begründet (Hauser/ Schweri, § 74 GVG N 13 f.). Die Gemeindebehörden (Gemeinderäte) und in den Städten Winterthur und Zürich die Polizeirichterämter verfolgen und beurteilen die Übertretungen des kommunalen, kantonalen und eidgenössischen Rechts mit einer Bussenkompetenz von höchstens Fr. 500.-- (Hauser/Schweri, § 74 GVG N 13 und 17 f.). Aus diesem Grund ist für Gerichtsgebühren, die das Polizeirichteramt gestützt auf seine Kompetenz gemäss § 74 Abs. 1 GVG festsetzt, § 205 GVG direkt oder analog anzuwenden. Nach dieser Bestimmung unterliegen Gerichtskostenforderungen der zehnjährigen Verjährung gemäss dem Obligationenrecht. Die Anwendbarkeit von § 205 GVG hier zu verneinen, würde zum widersprüchlichen Ergebnis führen, dass die Frage der Kostenverjährung unter Umständen je nach der Bussenkompetenz bei einem Entscheid des Statthalteramts (Bussen über Fr. 500.--) anders zu beurteilen wäre als bei einer Bussenverfügung des Polizeirichteramts, da bezüglich einer Verfügung des Statthalteramts ohne Zweifel § 205 GVG anwendbar ist.
Die hier getroffene Lösung entspricht im Übrigen der Tendenz, dass mit Bezug auf Gebühren der Strafbehörden grundsätzlich die zehnjährige Frist des OR für anwendbar erachtet wird (vgl. Art. 265 StPO SG, Art. 241 StPO AR, Art. 170 Abs. 2 StPO AI, § 378 StPO SH, Art. 430 StrV BE, Art. 205 Abs. 3 StPO FR, § 392 StPO JU, § 147 GOG SZ; Zweidler, Die Praxis zur thurgauischen Strafprozessordnung, Bern 2005, § 63 N 3).
dd) Die Verjährungsfrist beginnt mit der Fälligkeit der Forderung zu laufen (Hauser/Schweri, § 205 GVG N 1). Die Verfügung des Stadtrichteramts Zürich datiert vom 11. November 1997 und erwuchs am 22. Dezember 1997 in Rechtskraft. Die zehnjährige Verjährungsfrist ist damit zum heutigen Zeitpunkt nicht eingetreten. Für die Forderung von Fr. 225.-- ist daher definitive Rechtsöffnung zu erteilen.
Obergericht, 18. Mai 2005, BR.2005.27