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RBOG 2008 Nr. 23

Zuständigkeit des schweizerischen Richters zur Regelung der Kinderbelange im Rahmen vorsorglicher Massnahmen im Ehescheidungsprozess


Art. 62 IPRG, Art. 85 IPRG, Art. 1 ff. MSA


1. Die Parteien sind verheiratet und haben ein sieben- und ein neunjähriges Kind. Sie lebten von Januar bis Ende August in der slowakischen Republik (Slowakei), wo die Rekursgegnerin einen Landwirtschaftsbetrieb besitzt; von September bis Dezember wohnten und arbeiteten sie während der Zuckerrüben-Kampagne im Kanton Thurgau. Ende 2007 reichte die Rekursgegnerin bei der Vorinstanz die Ehescheidungsklage ein und verlangte im März 2008 im Rahmen vorsorglicher Massnahmen, die Kinder seien superprovisorisch unter ihre Obhut zu stellen. Diesem Begehren entsprach die Vorinstanz mit superprovisorischer Verfügung vom 7. März 2008. Der Rekurrent seinerseits erhob am 14. März 2008 bei einem Amtsgericht in der Slowakei das Begehren um Ehescheidung und Regelung der Ausübung der elterlichen Rechte und Pflichten. Ferner reichte er am 20. März 2008 der Vorinstanz seine Stellungnahme zum Massnahmebegehren der Ehefrau ein und warf die Frage auf, ob das Bezirksgericht für die Ehescheidung und den Erlass vorsorglicher Massnahmen überhaupt örtlich zuständig sei, weil sich der Wohnsitz der Parteien auf dem ehelichen Hof in der Slowakei befinde. Die Vorinstanz bejahte ihre Zuständigkeit in örtlicher Hinsicht für den Erlass vorsorglicher Massnahmen im Ehescheidungsverfahren. Mit Rekurs bestritt der Rekurrent die Zuständigkeit der Vorinstanz für den Erlass von vorsorglichen Massnahmen.

2. Die Vorinstanz leitete ihre Zuständigkeit für den Erlass vorsorglicher Massnahmen im Ehescheidungsprozess aus Art. 62 Abs. 1 IPRG ab. Nach dieser Bestimmung kann das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Trennungsklage hängig ist, vorsorgliche Massnahmen treffen, sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offensichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. Die Vorinstanz stellte somit – auch wenn sie dies nicht ausdrücklich erwähnte – auf Art. 59 IPRG ab, wonach für Klagen auf Scheidung oder Trennung die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder, wenn der Kläger sich seit einem Jahr in der Schweiz aufhält oder Schweizer Bürger ist, am Wohnsitz des Klägers zuständig sind. Die Vorinstanz erachtete nämlich die Ausführungen der Rekursgegnerin als glaubhaft, sie empfinde ihren Wohnsitz im Thurgau als Lebensmittelpunkt. So pflege sie enge Kontakte in der Schweiz mit Freunden, Bekannten und Familie. Die Parteien hätten in der Schweiz geheiratet und sich hier nie abgemeldet. Die zwei gemeinsamen Kinder seien hier zur Welt gekommen, sprächen fliessend beide Sprachen und besuchten, wenn die Familie im Thurgau weile, jeweils die hiesige Schule. Die Rekursgegnerin arbeite bereits über zehn Jahre in der Zuckerfabrik und beabsichtige, dies auch in Zukunft zu tun. Nach den im Recht liegenden Unterlagen bezahlten die Parteien in der Schweiz Steuern, und die Haupteinnahme resultiere aus der Tätigkeit in der Zuckerfabrik. Daher könne vom Wohnsitz der Parteien im Thurgau ausgegangen werden. Ferner ergäbe sich die örtliche Zuständigkeit auch durch die Einlassung des Rekurrenten im Ehescheidungsverfahren. Im November 2007 sei bereits eine Klage auf Ehescheidung eingereicht worden. Am 30. November 2007 sei der Rekurrent zur persönlichen Anhörung erschienen; er habe die Zuständigkeit des Gerichts nicht angezweifelt und sich bereits zu materiellen Fragen des Scheidungsverfahrens geäussert. Auch der Rechtsvertreter des Rekurrenten habe nie die Unzuständigkeitseinrede erhoben, sondern sich vielmehr zur Sache geäussert.

3. a) Die Rekursgegnerin beantragte in ihrer Eingabe vom 6. März 2008 an die Vorinstanz im Rahmen eines Massnahmeverfahrens die Regelung der Obhutszuteilung über die beiden Kinder, des Besuchsrechts und des Kinderunterhalts. Für diese Belange behält Art. 62 Abs. 3 IPRG die Bestimmungen von Art. 82 f. und Art. 85 IPRG vor. Nach Art. 85 Abs. 1 IPRG gilt für den Schutz von Minderjährigen in Bezug auf die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte oder Behörden, das anwendbare Recht und die Anerkennung ausländischer Entscheidungen oder Massnahmen das MSA[1]. Dieses Übereinkommen erfasst insbesondere Massnahmen über die elterliche Obhut und das Besuchsrecht[2]. Nicht zu den Schutzmassnahmen des MSA gehört das Unterhaltsrecht[3]. Das MSA gilt gemäss Art. 85 Abs. 2 IPRG sinngemäss auch für Volljährige oder für Personen, die nur nach schweizerischem Recht minderjährig sind, sowie für Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem der Vertragsstaaten haben. Das MSA ist mithin auch dann anzuwenden, wenn ein schweizerisches Kind in einem ausländischen Nichtvertragsstaat lebt oder sich ein ausländisches Kind mit schlichtem Aufenthalt im Inland aufhält oder ein Eilfall im Sinn von Art. 9 MSA zu bewältigen ist für ein Kind, das in einem Nichtvertragsstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt besitzt[4]. Bezüglich Kinderunterhaltsfragen stellen dagegen die Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24. Oktober 1956[5] und über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973[6] die Spezialregelungen dar[7]. Sie enthalten freilich nur Regeln über das anzuwendende Recht[8].

b) Sowohl die erwähnten Haager Übereinkommen als auch Art. 1 MSA stellen nicht auf den Wohnsitzbegriff des schweizerischen Rechts, sondern auf den vertragsautonom auszulegenden Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ab[9]. Nach Lehre und Praxis ist damit der Ort gemeint, in dem der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensführung oder der Lebensbeziehungen, der Schwerpunkt der Bindungen oder der Daseinsmittelpunkt einer Person liegt. Er entspricht dem "effektiven Zentrum des Lebens"[10]. Da sich der gewöhnliche Aufenthalt im Sinn des MSA als Lebensmittelpunkt definiert, kann eine Person gleichzeitig nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt haben[11]. Das Kind muss normalerweise im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens im Eröffnungsstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Es genügt aber, wenn diese Voraussetzung im Zeitpunkt, in dem die Schutzmassnahme getroffen wird, vorliegt. Hat ein Kind seinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Vertragsstaat legal verlegt, ist der Fortbestand der Zuständigkeit eines Gerichts[12] zu verneinen und der Kindesschutz dem Vertragsstaat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts als dem Staat der engeren Beziehung zu überlassen. Das Gleiche gilt bei der (legalen) Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen Nichtvertragsstaat, wenn das Kind im neuen Aufenthaltsstaat ebenso versorgt würde wie in einem Vertragsstaat, oder wenn das Kind fest integriert ist und deswegen eine inländische Massnahme zwecklos wäre[13].

c) Das der Vorinstanz eingereichte Gesuch der Rekursgegnerin bezüglich Regelung der Kinderbelange datiert vom 6. März 2008. Am 14. März 2008 stellte der Rekurrent beim Amtsgericht in der Slowakei das Begehren um Ehescheidung und Regelung der Ausübung der elterlichen Rechte und Pflichten gegenüber den minderjährigen Kindern für die Zeit nach der Ehescheidung. Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels vor Vorinstanz machte er am 13. Mai 2008 zudem geltend, die Rekursgegnerin habe in der Slowakei ein eherechtliches Verfahren gegen ihn angestrengt; am 12. Mai 2008 habe die erste Verhandlung vor dem zuständigen slowakischen Gericht stattgefunden. Die Rekursgegnerin äusserte sich hiezu in ihrer Stellungnahme an die Vorinstanz nicht, wies aber auf das vom Rekurrenten in der Slowakei angehobene Scheidungsverfahren hin, in welchem sie ihrerseits auf das bereits in der Schweiz hängige Scheidungsverfahren aufmerksam gemacht habe. Am 7. Juni 2008 stellte das Amtsgericht in der Slowakei das vom Rekurrenten eingeleitete Scheidungsverfahren wegen des im Thurgau hängigen Verfahrens ein und erwog, zwar habe der Rekurrent ausgeführt, das dortige Gericht (jenes in der Schweiz) habe bis anhin noch nicht beschlossen, ob es mit Blick darauf, dass beide Parteien sowie die Kinder auf dem Territorium der slowakischen Republik lebten, zur Verhandlung der Sache zuständig sei. Nach § 83 der slowakischen Zivilprozessordnung verhindere aber die Einleitung des Verfahrens (in der Schweiz), dass ein anderes Verfahren in gleicher Sache vor dem Gericht geführt werde. Allerdings hatte die Rekursgegnerin offenbar bereits im März 2008 beim Amtsgericht in der Slowakei ein Verfahren auf Übergabe der Kinder in ihre Pflege und Erziehung und auf Bestimmung der Unterhaltskosten eingeleitet. Dieses Verfahren wurde aufgrund einer gerichtlich genehmigten Vereinbarung der Parteien am 12. Mai 2008 beendet, wobei die Parteien gleichzeitig auf eine Berufung verzichteten. Die Obhut über die beiden minderjährigen Kinder wurde der Mutter anvertraut, und der Vater wurde verpflichtet, Kinderunterhalt zu bezahlen. Gleichzeitig wurde ihm ein Besuchsrecht an jedem Samstag von 09.00 Uhr bis 18.00 Uhr eingeräumt. Seit März 2008 erhielten die Parteien (in der Slowakei) im Zusammenhang mit dem Kontakt des Vaters zu den Kindern psychologische Beratung durch die Abteilung des sozialrechtlichen Kinderschutzes. Am 2. Juli 2008 vereinbarten die Parteien in dieser gemeinsamen Beratung, dass die Kinder entsprechend der Entscheidung des Amtsgerichts in der Slowakei den Vater besuchen würden, wobei die Übergabe der Kinder an den Vater persönlich zu erfolgen und das Treffen ohne Anwesenheit Dritter zu verlaufen habe. Am 4. August 2008 erfolgte eine weitere gemeinsame Beratung mit den Eltern und anschliessend die psychologische Untersuchung der Kinder. Der Sozialdienst beschäftigte sich auch mit der Frage, wie der Kontakt des Vaters mit den Kindern während ihres Aufenthalts in der Schweiz verlaufen werde. Die Rekursgegnerin habe ausgeführt, der Vater könne die Kinder so treffen, wie dies vom Gericht bestimmt (worden) sei. Am 5. August 2008 erstattete die Abteilung für sozialrechtlichen Kinderschutz (Referat für psychologische und beratende Dienste) ihren Bericht zu Handen des Amtsgerichts in der Slowakei. Mit Urteil vom 6. August 2008 änderte das Amtsgericht in der Slowakei seinen Entscheid vom 12. Mai 2008 bezüglich der Regelung des Umgangs des Vaters mit den minderjährigen Kindern ab und ordnete an, der Vater könne seine Kinder einmal im Monat auf dem Amt für Arbeit, Soziales und Familie in der Slowakei besuchen. Am 27. Mai 2008 wies die Rekursgegnerin in dem im Thurgau hängigen Massnahmeverfahren darauf hin, beim Verfahren in der Slowakei handle es sich "lediglich um provisorische Anordnungen in Bezug auf die Obhut".

d) Aus den Akten geht mit aller Deutlichkeit hervor, dass die beiden minderjährigen Kinder bei der Rekursgegnerin leben und in der Slowakei die Grundschule besuchen. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt befindet sich ohne Zweifel in der Slowakei. Dies gilt unter dem Aspekt sowohl der tatsächlichen als auch der voraussichtlichen Dauer[14]. Deshalb ändert auch der rund dreimonatige Aufenthalt der Kinder in der Schweiz während der Zeit, in welcher die Mutter im Kanton Thurgau arbeitet, am gewöhnlichen Aufenthalt in der Slowakei nichts. Damit sind nach Art. 1 MSA die Behörden in der Slowakei zum Erlass von Massnahmen zum Schutz der Kinder zuständig. Dies würde selbst dann gelten, wenn man annehmen wollte, zum Zeitpunkt der Einleitung des Massnahmeverfahrens vor Vorinstanz (März 2008) hätten die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz gehabt, denn sie hätten in der Folge ihren gewöhnlichen Aufenthalt auf legale Weise in die Slowakei verlegt. Dort wurden und werden die Kinder, wie die Entscheide des Amtsgerichts der Slowakei und die dort von der Abteilung für sozialrechtlichen Kinderschutz durchgeführten psychologischen Abklärungen und Beratungen zeigen, bestens versorgt. Der Fortbestand der allenfalls gegebenen ursprünglichen Zuständigkeit der Vorinstanz wäre daher zu verneinen.

e) Zu prüfen bleibt, ob eine besondere Zuständigkeitsregel des MSA diejenige des gewöhnlichen Aufenthalts verdrängt. Nach Art. 9 Abs. 1 MSA genügt bei Dringlichkeit für notwendige Schutzmassnahmen der schlichte Aufenthalt eines Minderjährigen. Allerdings fehlt es bereits an der Voraussetzung der Dringlichkeit. Es besteht eine von den slowakischen Behörden getroffene Regelung der Obhutszuteilung und des Besuchsrechts, in die beide Parteien einbezogen wurden. Inwiefern diese Massnahmen lediglich "äusserst provisorischen Charakter" haben sollen, wie die Rekursgegnerin behauptete, ist nicht nachvollziehbar. Sie sind nicht weniger provisorisch als in der Schweiz getroffene Kindesschutzmassnahmen. Ihnen gingen ferner intensive Abklärungen voraus. Zudem wurde nie behauptet, die Kinder hätten zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Massnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz (gehabt). Die Rekursgegnerin machte lediglich geltend, sie werde "in wenigen Wochen" wieder in die Schweiz kommen und in Zukunft hier eine Wohnung mieten. Ein entsprechender Mietvertrag wurde indessen nicht eingereicht.

In Art. 4 enthält das MSA ferner eine Kompromissvorschrift zu Gunsten derjenigen Staaten, die dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen. Sind nämlich die Behörden des Staates, dem der Minderjährige angehört, der Auffassung, dass das Wohl des Minderjährigen es erfordert, können sie nach ihrem innerstaatlichen Recht zum Schutz seiner Person oder seines Vermögens Massnahmen treffen, nachdem sie zuvor die Behörden des Staates verständigt haben, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieses Evokationsrecht der Heimatbehörden kommt auch bei mehrfachen Staatsangehörigkeiten in Betracht. Voraussetzung ist allerdings, dass das Wohl des Minderjährigen das Einschreiten der Heimatbehörde erfordert, etwa wenn der Aufenthaltsstaat das Schutzbedürfnis nicht erkennt, untätig bleibt, eine offensichtlich unwirksame Massnahme getroffen hat oder aufgrund seines Rechts nicht in der Lage ist, eine effiziente Massnahme zu treffen[15]. Die beiden Kinder besitzen zwar offenbar die schweizerische und die slowakische Staatsangehörigkeit. Das Kindeswohl erfordert aber gerade keine Massnahme der Heimatbehörden: Die slowakischen Behörden befassten und befassen sich ausführlich mit dem Wohl der Kinder und bezogen auch die Eltern in die Abklärungen mit ein. Jedenfalls ist etwas anderes aus den Akten nicht ersichtlich und wurde auch nie substantiiert geltend gemacht. Eine Berufung schweizerischer Behörden auf Art. 4 MSA kommt unter diesen Umständen daher nicht in Betracht.

f) Zu prüfen bleibt schliesslich der von der Rekursgegnerin angerufene Art. 10 IPRG. Nach dieser Bestimmung können die schweizerischen Gerichte oder Behörden vorsorgliche Massnahmen treffen, auch wenn sie für die Entscheidung in der Sache selbst nicht zuständig sind. Die Anwendung dieser Bestimmung entfällt aber schon deshalb, weil das Staatsvertragsrecht, mithin das MSA und die Haager Unterhaltsabkommen, vorgehen. Abgesehen davon lägen auch die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Art. 10 IPRG nicht vor: Voraussetzung wäre, dass das ausländische Gericht keine Art. 137 ZGB entsprechende Massnahme kennt, dass eine vom ausländischen Gericht angeordnete Massnahme am schweizerischen Wohnsitz einer Partei nicht vollstreckt werden könnte, dass Massnahmen erforderlich wären, um die Vollstreckung in inländische Vermögenswerte sicherzustellen, oder dass das ausländische Gericht nicht innert angemessener Frist einen Entscheid fällt, wenn Gefahr in Verzug ist[16]. Keine dieser Voraussetzungen ist hier zu bejahen.

g) Auch das LugÜ bietet keine gesetzliche Grundlage für ein Tätigwerden schweizerischer Behörden. Zwar gelten als Zuständigkeitsvorschriften für vorsorgliche Massnahmen in Unterhaltssachen gemäss Art. 2 LugÜ der Wohnsitz des Beklagten, gemäss Art. 5 Ziff. 2 LugÜ der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt der unterhaltsberechtigten Person, nach Art. 17 LugÜ die Vereinbarung über die Zuständigkeit oder nach Art. 18 LugÜ der Gerichtsstand der Einlassung. Soweit aber über die Unterhaltssache im Zusammenhang mit einem Statusverfahren zu befinden ist, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit weiterhin nach dem autonomen Recht des Forums, es sei denn, dieses stütze die Zuständigkeit ausschliesslich auf die Staatsangehörigkeit einer Partei ab[17]. Dies ist lediglich der Fall, wenn die Heimatzuständigkeit von Art. 60 IPRG für die Scheidung in Anspruch genommen wird[18]. Art. 60 IPRG kommt aber nur zur Anwendung, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die Klage am Wohnsitz eines der Ehegatten zu erheben. Dies ist von den Parteien weder behauptet worden noch erscheint es glaubhaft.

h) Zusammenfassend besteht keine Rechtsgrundlage für die Bejahung der Zuständigkeit der Vorinstanz zum Erlass vorsorglicher Massnahmen für die Regelung der Kinderbelange. Daher muss auch der Frage, ob die Entscheidungen des Amtsgerichts der Slowakei nicht ohnehin anerkannt und vollstreckt werden müssten[19], nicht weiter nachgegangen werden. Die Frage wäre aber zu bejahen. In diesem Zusammenhang würde sich auch die Frage des Rechtsmissbrauchs stellen: Die Rekursgegnerin machte praktisch zur gleichen Zeit einerseits in dem von ihr in der Schweiz im November 2007 anhängig gemachten Scheidungsverfahren im März 2008 ein Gesuch betreffend vorsorgliche Massnahmen hängig, strengte aber an ihrem Wohnort in der Slowakei ein ebenso umfassendes Massnahmeverfahren an. Dieses Verfahren erledigte das Amtsgericht in der Slowakei mit Beschluss vom 12. Mai 2008, weil sich die Parteien in einer Vereinbarung geeinigt hatten. Diese Vereinbarung wurde durch den Abänderungsentscheid vom 6. August 2008 teilweise modifiziert. Es lässt sich der Eindruck nicht von der Hand weisen, dass die Rekursgegnerin versucht, über das in der Schweiz eingeleitete Massnahmeverfahren höhere Kinderunterhaltsbeiträge "herauszuholen". Dies zeigt ein Ver­gleich zwischen dem von den Parteien mit einem Verzicht auf Rechtsmittel in der Slowakei vereinbarten Kinderunterhalt von Fr. 38.00 pro Kind und den vor Vorinstanz verlangten Kinderalimenten von je Fr. 500.00 beziehungsweise den von der Vorinstanz zugesprochenen Kinderunterhaltsbeiträgen von je Fr. 335.00.

Obergericht, 20. Oktober 2008, ZR.2008.58


[1] Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (Minderjährigenschutzübereinkommen), SR 0.211.231.01

[2] Schwander, Basler Kommentar, Art. 85 IPRG N 24; Volken, Zürcher Kommentar, Art. 62 IPRG N 25

[3] Schwander, Art. 85 IPRG N 25

[4] Siehr, Zürcher Kommentar, Art. 85 IPRG N 34

[5] SR 0.211.221.431

[6] SR 0.211.213.01

[7] BGE 126 III 302; Schwander, Art. 85 IPRG N 57

[8] BGE 124 III 179

[9] Schwander, Art. 85 IPRG N 27, Art. 83 IPRG N 15; Siehr, Art. 85 IPRG N 18; Courvoisier, Basler Kommentar, Art. 49 IPRG N 11

[10] BGE 110 II 119; Schwander, Art. 85 IPRG N 28; Siehr, Art. 85 IPRG N 18

[11] Schwander, Art. 85 IPRG N 31

[12] "perpetuatio fori"

[13] Siehr, Art. 85 IPRG N 22 mit Hinweisen

[14] Vgl. Schwander, Art. 85 IPRG N 29

[15] Schwander, Art. 85 IPRG N 36; Siehr, Art. 85 IPRG N 65, N 70

[16] Vgl. Bopp, Basler Kommentar, Art. 62 IPRG N 10

[17] Art. 5 Ziff. 2 LugÜ

[18] Bopp, Art. 62 IPRG N 7

[19] Vgl. Art. 84 IPRG

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