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RBOG 2008 Nr. 30

Zustellung von Vorladungen in Österreich


Art. 32 Abs. 1 , § 38 Abs. 1 StPO


1. Der Beschwerdeführer, wohnhaft in Österreich, wurde wegen einer Geschwindigkeitsübertretung mittels Strafverfügung verurteilt. Nach erfolgter Einsprache lud ihn das Gericht per Einschreiben zur Hauptverhandlung vor, zu welcher er nicht erschien. Mit Beschwerde machte er geltend, er habe die Vorladung nicht erhalten.

2. Hinsichtlich der Zustellung der Vorladung ins Ausland muss grundsätzlich der diplomatische Rechtshilfeweg über das Bundesamt für Polizei benutzt werden, sofern nicht aufgrund des Staatsvertragsrechts der direkte Verkehr zwischen den Justizbehörden zugelassen wird. Im Verkehr zwischen Österreich und der Schweiz existieren entsprechende staatsvertragliche Regelungen[1]: Art. 32 des mit der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein am 27. April 1999 abgeschlossenen Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden[2] regelt die Zustellung von Schriftstücken. Soweit Rechtshilfe nach dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959[3] und den zwischen den Vertragsstaaten geltenden ergänzenden Vereinbarungen zu diesem Übereinkommen zulässig ist, kann jeder Vertragsstaat Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates aufhalten, gerichtliche und andere behördliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersenden. Die ergänzende Vereinbarung zwischen der Schweiz und Österreich[4] sieht in Art. 1 Abs. 3 lit. a ausdrücklich vor, das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Ergänzungsvereinbarung zwischen der Schweiz und Österreich gelte auch für die Zustellung von Aufforderungen zum Strafantritt und zur Zahlung von Bussen und Verfahrenskosten. Von der staatsvertraglichen Regelung werden somit auch Verkehrsbussen erfasst.

Die per Einschreiben an den in Österreich wohnhaften Beschwerdeführer zugestellte Vorladung war somit formell korrekt.

3. Wie das schweizerische[5] kennt auch das österreichische Recht eine Zustellfiktion, wenn die avisierte Sendung nicht innert einer bestimmten Frist abgeholt wird. Massgebend ist das österreichische Zustellgesetz[6]. Gemäss § 12 ZustG sind Zustellungen von Schriftstücken ausländischer Behörden im Inland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen und mangels solcher nach dem Zustellungsgesetz vorzunehmen. § 17 Abs. 1 ZustG sieht die Hinterlegung vor, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter regelmässig an der Abgabestelle aufhält. Laut § 17 Abs. 2 ZustG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, oder Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen. Gemäss § 17 Abs. 3 ZustG ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellungsvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Nach § 17 Abs. 4 ZustG ist die im Weg der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch gültig, wenn die Verständigung beschädigt oder entfernt wurde. § 21 ZustG regelt die Zustellung zu eigenen Handen, bei der die Dokumente nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden dürfen. Laut § 19 sind schliesslich Sendungen, die weder zugestellt werden können noch nachzusenden sind, oder die zwar durch Hinterlegung zugestellt, aber nicht abgeholt worden sind, der Behörde zurückzusenden. Auf der Sendung ist der Grund der Zurückstellung zu vermerken.

Exakt nach diesen Bestimmungen wurde vorgegangen. Der Beschwerdeführer machte denn auch lediglich geltend, er habe zu keiner Zeit eine Ladung zur Hauptverhandlung erhalten. Das trifft zu, denn er holte die eingeschrieben versandte Vorladung nicht ab. Er behauptete aber nie, er habe keine Verständigung im Sinn von § 17 oder § 21 ZustG erhalten. Ob er die mit normaler Post nochmals zugestellte Vorladung erhielt, lässt sich nicht nachweisen. Dass er mit einer Vorladung rechnen musste, liegt angesichts der von ihm selbst erhobenen Einsprache auf der Hand. Aufgrund der Zustellfiktion gilt der Beschwerdeführer daher als korrekt vorgeladen, auch wenn er (möglicherweise) tatsächlich vom Termin der Hauptverhandlung keine Kenntnis hatte.

Obergericht, 15. August 2008, SW.2008.6

Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht am 5. No­vember 2008 ab, soweit es darauf eintrat (6B_791/2008).


[1] Vgl. Zweidler, Die Praxis zur thurgauischen Strafprozessordnung, Bern 2005, § 38 N 12

[2] SR 0.360.163.1

[3] SR 0.351.1

[4] Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung; SR 0.351.916.32

[5] Vgl. Zweidler, § 42 StPO N 3

[6] Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente (ZustG); BGBl. Nr. 200/1982, in: www.bmvit.gv.at/telekommunikation/post/recht/aut/zu­stellgesetz.html

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