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RBOG 2009 Nr. 16

Ungültigkeit eines Domizil- und Zahlstellenwechsels; Valutaklausel oder unzulässige Bedingung


Art. 1096 OR, Art. 82 SchKG


1. Die Vorinstanz erteilte in der von der Rekursgegnerin gestützt auf einen Eigenwechsel angehobenen Betreibung provisorische Rechtsöffnung.

2. Der Rekurrent bestreitet die Gültigkeit des als Rechtsöffnungstitel eingereichten Wechsels.

a) Ein Eigenwechsel hat gemäss Art. 1096 OR die Bezeichnung als Wechsel, das unbedingte Versprechen, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen, die Angabe der Verfallzeit sowie des Zahlungsorts, den Namen dessen, an den oder an dessen Ordre gezahlt werden soll, die Angabe des Tages und des Orts der Ausstellung sowie die Unterschrift des Ausstellers zu enthalten. Im Wechsel muss sich der Aussteller folglich insbesondere zur bedingungslosen Zahlung einer bestimmten Geldsumme in bar verpflichten. Ausserdem ist auf dem Wechsel der Zahlungsort anzugeben[1]. Zahlungsort ist derjenige Ort, an dem der Gläubiger die Zahlung verlangen darf beziehungsweise wo der Aussteller zur Leistung verpflichtet ist[2]. Die Angabe eines Zahlungsorts ist Gültigkeitsvoraussetzung. Diesem Formerfordernis ist aber bereits Genüge getan, wenn neben dem Namen des Ausstellers eine Ortsbezeichnung angeführt ist. Da dies regelmässig dessen Wohnort ist, handelt es sich bei der Wechselschuld grundsätzlich um eine Holschuld[3]: Der Wechselinhaber muss sich dementsprechend zum Hauptschuldner begeben, ihm den Wechsel vorlegen und von ihm Zahlung verlangen[4]. Der Aussteller, und nur er, kann aber einen von seinem Wohnort abweichenden Zahlungsort vorsehen[5]. Der Wechsel wird dadurch zum Domizilwechsel. Davon zu unterscheiden ist der Zahlstellenwechsel. Hier geht es nicht darum, den Zahlungsort festzulegen, sondern darum, eine Person, z.B. eine Bank, zu bestimmen, bei welcher der Wechsel zur Zahlung vorgelegt werden muss[6]. Üblich ist es, die Bank des Ausstellers anzugeben ("zahlbar bei ...")[7]. Zahlungspflichtig bleibt aber der Aussteller, nicht etwa die Bank beziehungsweise der Dritte, welche das Geld nur bereitstellen und nicht Wechselschuldner sind[8]. Domizilwechsel und Zahlstellenwechsel treten selten in reiner Form auf. Meistens sind Domizilwechsel gleichzeitig Zahlstellenwechsel: Der Wechsel ist an einem anderen Ort als dem Wohnort des Ausstellers und bei einer anderen Person zahlbar[9].

b) aa) Der Wechsel, auf den sich das Rechtsöffnungsbegehren stützt, enthält folgenden Wortlaut: "Am 31.5.2008 zahle ich gegen diesen Eigen-Wechsel an die Order der Rekursgegnerin (Adresse) die Summe von viertausendsiebenhundertfünfzigoo/oo. Wert Rech.gen 1301/1303/1304/1334 Restzahlung." Der Rekurrent macht geltend, der Hinweis auf die Rechnungen sowie die Restzahlung sei als (unzulässige) Bedingung zu verstehen, dass, bevor Zahlung aufgrund des Wechsels verlangt werden könne, Rechnung gestellt worden sei oder Restzahlungen fällig seien. Beides sei nicht der Fall. Wie bereits die Vorinstanz feststellte, kann die Erwähnung dreier Rechnungen zusammen mit dem Vermerk "Restzahlung" nicht dahingehend interpretiert werden, es liege eine Zahlungsbedingung vor. Vielmehr ist darin eine übliche Valutaklausel (Wertklausel), die sich auf das Verhältnis zwischen den Parteien als Aussteller und Wechselnehmer bezieht, zu sehen; eine wechselrechtliche Bedeutung kommt dem Hinweis nicht zu. Er führt eben gerade nicht dazu, dass der Wechsel von der Erfüllung des Valutaverhältnisses abhängig gemacht wird, sondern ist nur als Angabe darüber zu verstehen, aus welchem Grundverhältnis der Rekurrent den Betrag von Fr. 4'750.00 schuldet. Gibt der Aussteller den Grund der Forderung auf dem Wechsel an, macht dies seine Zahlungsverpflichtung indessen noch nicht zu einer bedingten. Dass der Aussteller eine dahingehende Erklärung abgibt, ist durchaus üblich; dies schränkt seine Zahlungspflicht in keiner Weise ein. Dass dieser Auffassung Lehre und Rechtsprechung widersprechen, behauptet der Rekurrent zu Unrecht. Zwar trifft zu, dass "gemäss Praxis des deutschen Bundesgerichtshofs keine wechselmässige Verpflichtung entsteht, wenn nicht behebbare Zweifel bestehen, ob ein Zusatz zur Annahmeerklärung als Bedingung aufzufassen ist"[10]; hier geht es aber nicht um die Annahmeerklärung des Bezogenen[11], sondern um die Formulierung des Wechsels, d.h. um die Erklärung des Ausstellers.

bb) Der vom Rekurrenten ausgestellte Wechsel enthält somit zwar ein unbedingtes Zahlungsversprechen; trotzdem muss er als ungültig qualifiziert werden. Er enthält den Vermerk "zahlbar bei Bank X: Kontonummer im IBAN[12]-Format." Unbestritten ist, dass es sich dabei um die Bankverbindung der Rekursgegnerin und nicht um diejenige des Rekurrenten, der das Geld schuldet, handelt. Einigkeit besteht auch darüber, dass die Angabe dieser Zahlstelle keinen Sinn ergibt. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dem komme keine Bedeutung zu: Die Beurteilung des Vermerks der Bankverbindung sei nicht von Nöten, da er die Gültigkeit des Wechsels nicht berühre. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der Vermerk des Rekurrenten "zahlbar bei ..." stellt die übliche Formulierung für die Bezeichnung einer Zahlstelle dar. Dem Regelfall entspricht es auch, dass in einer solchen Klausel eine Bankfiliale angegeben wird. Hier ist es die Bank X, deren Filiale indirekt über die IBAN bestimmbar ist. Beim fraglichen Wechsel handelt es sich folglich um einen typischen Zahlstellenwechsel[13], mit dem ein Domizilwechsel verbunden ist: Der Wechsel ist an einem anderen Ort als am Wohnort des Ausstellers und bei einer anderen Person zahlbar[14]. Dies ist an sich eine durchaus zulässige Anordnung des Ausstellers. In der hier zu beurteilenden Streitsache kann ihr indessen von vornherein nicht nachgelebt werden. Als Zahlstelle wird auf dem Wechsel die Bank der Gläubigerin und heutigen Rekursgegnerin genannt. Dieses Finanzinstitut kann der Rekursgegnerin die Wechselschuld des Rekurrenten nicht bereitstellen, weil nicht letzterer, sondern die Rekursgegnerin dort ein Konto unterhält. Gemäss dem Vermerk "zahlbar bei..." soll somit die Bank X für die Rekursgegnerin die Zahlung des Rekurrenten entgegennehmen. Damit wird indessen die Bedeutung eines Zahlungsorts beziehungsweise einer Zahlstelle verkannt. Eine der wechselrechtlichen Besonderheiten ist es, dass der Wechselgläubiger den Wechselschuldner aufzusuchen hat, um die versprochene Zahlung zu erhalten; nur bei einem gewöhnlichen, d.h. nicht wechselrechtlichen Zahlungsversprechen entspricht es mangels anderslautender Parteivereinbarungen der Regel, dass der Schuldner den verlangten Betrag auf das Konto des Gläubigers einzahlt[15]. Hier fehlt es an einer Anordnung, wo die Gläubigerin die Wechselsumme geltend machen muss. Die Angabe eines Zahlungsorts ist indessen für die Gültigkeit eines Wechsels unabdingbar. Der Wechsel, gestützt auf welchen die Rekursgegnerin die Beseitigung des Rechtsvorschlags verlangt, muss somit als ungültig qualifiziert werden. Als Folge davon kann keine Rechtsöffnung erteilt werden.

Obergericht, 20. April 2009, BR.2008.112


[1] Grüninger/Hunziker/Roth, Basler Kommentar, Art. 991 OR N 15

[2] Vgl. Art 991 Ziff. 5 OR

[3] Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, 2.A., § 7 N 23

[4] Meier-Hayoz/von der Crone, § 10 N 6; BGE 100 II 158; Staehelin, Basler Kommentar, Art. 82 SchKG N 82

[5] Art. 994 OR

[6] Meier-Hayoz/von der Crone, § 7 N 24

[7] Frey, Basler Kommentar, Art. 1096 OR N 10

[8] Grüninger/Hunziker/Roth, Art. 994 OR N 1

[9] Meier-Hayoz/von der Crone, § 7 N 26

[10] Pergolis, Basler Kommentar, Art. 1016 OR N 1

[11] Abgesehen davon steht ein Eigenwechsel zur Diskussion.

[12] International Bank Account Number (international standardisierte Darstellung einer Kontonummer)

[13] Meier-Hayoz/von der Crone, § 7 N 24

[14] Meier-Hayoz/von der Crone, § 7 N 26

[15] Vgl. Art. 74 Abs. 2 Ziff. l OR

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