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RBOG 2009 Nr. 20

Strafbarkeit des Verheimlichens eines Gemeinschaftskontos bei der Aufnahme des amtlichen Inventars im Nachlass; Kostentragung bei Freispruch


Art. 138 StGB, Art. 158 StGB, § 57 f StPO


1. Die Staatsanwaltschaft wirft den Berufungsbeklagten (Mutter und Sohn) vor, eine falsche Beurkundung erschlichen zu haben. Sie hätten gegenüber dem Notar, welcher das amtliche Inventar im Nachlass des verstorbenen Lebenspartners der Mutter aufnahm, Vermögenswerte von rund Fr. 400'000.00 nicht angegeben und mit diesen Vermögenswerten zusammenhängende Transaktionen nicht offen gelegt. Mit ihren Machenschaften hätten Mutter und Sohn (Berufungsbeklagte) ferner versucht, sich diese Vermögenswerte anzueignen. Zudem sei es ihr Ziel gewesen, die gesetzlichen Erben über die Berechtigung erbrechtlicher Klagen zu täuschen. Damit hätten sie sich der Veruntreuung, eventuell der ungetreuen Geschäftsbesorgung oder subeventuell des Betrugsversuchs im Deliktsbetrag von rund Fr. 400'000.00 schuldig gemacht.

2. Alle von der Staatsanwaltschaft angeklagten Vermögensdelikte sowie die Erschleichung einer falschen Beurkundung sind Vorsatzdelikte. Die Lebenspartnerin des Verstorbenen und ihr Sohn machten sich somit gemäss Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB nur strafbar, wenn sie vorsätzlich, mit Wissen und Willen handelten. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Eventualvorsatz).

a) Zu Recht verfiel die Vorinstanz nicht in eine zivilrechtliche Betrachtungsweise, sondern beurteilte das Verhalten ausschliesslich unter strafrechtlichen Gesichtspunkten. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass es für einen Laien schwierig ist, die formellrechtlichen Voraussetzungen für einen Eigentumsübergang und insbesondere für den Vollzug einer Schenkung nachzuvollziehen. Entscheidend ist die Frage, ob der Lebenspartnerin zugestanden werden kann, sie habe der Überzeugung sein dürfen, im Zeitpunkt des Ablebens ihres Partners Eigentümerin der auf dem gemeinsamen Konto liegenden Vermögenswerte zu sein. Da unter strafrechtlichen Gesichtspunkten das Wissen und die Kenntnis der Berufungsbeklagten und nicht einer juristisch ausgebildeten Person massgebend sind, ist diese Frage zu bejahen. Der Verstorbene und seine Lebenspartnerin konnten mit der Errichtung des Gemeinschaftskontos mit der Compte-joint-Klausel nur den Übergang der vollen Verfügungsgewalt über den gesamten Kontostand auf je die andere Partei gewollt haben, und zwar jeweils über das Ableben des anderen Partners hinaus. Weder aus der Anklage noch aus den Akten ergibt sich, dass eine Abrede bestanden hätte, wonach sie erst nach dem Tod des Erblassers über das Vermögen hätte verfügen dürfen. Die Compte-joint-Abrede führte vielmehr dazu, dass der Verstorbene und seine Lebenspartnerin sowohl vor als auch nach Ableben eines Partners über sämtliche Vermögenswerte verfügen konnten. Die Berufungsbeklagte durfte ferner davon ausgehen, auch bereits vor dem Tod ihres Lebenspartners über das gesamte Vermögen verfügen zu dürfen. Sie betrachtete sich auch subjektiv bereits vor dem Tod des Erblassers als Eigentümerin der Vermögenswerte. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass sie schon vor seinem Tod die Wertschriften verkaufen liess, als er im Spital mit dem Tod rang. Es war erklärtermassen das Ziel beider Partner, das Geld auf ein neues Konto zu verschieben, damit der Erblasser später "so quasi ohne Vermögen" dastehe. Er - so die Lebenspartnerin - habe gewollt, dass seine eigenen Söhne nie etwas bekämen. In welchem Zeitpunkt tatsächlich der Eigentumsübergang an den Vermögenswerten auf die Berufungsbeklagte erfolgte, nachdem diese bereits vor dem Tod des Erblassers über den Gewahrsam an diesen Vermögensobjekten verfügte, kann im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden. In dieser Hinsicht hätte die Berufungsbeklagte präziser befragt werden müssen. Den Untersuchungsbehörden kann in diesem Zusammenhang allerdings kein Vorwurf gemacht werden, da diese lediglich im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Urkundenfälschung ermittelten.

b) An diesen Schlüssen vermögen die Ausführungen der Staatsanwaltschaft nichts zu ändern. Was der Erblasser für Vorkehrungen traf, um sein Vermögen vor den Steuerbehörden und auch vor seinen Nachkommen zu verbergen, kann den Berufungsbeklagten nicht zum Vorwurf gereichen. Im Gegenteil durften die Berufungsbeklagten unter den gegebenen Umständen davon ausgehen, er wolle sein Vermögen nicht seinen Nachkommen als gesetzlichen Erben, sondern seiner Lebenspartnerin und – im Umfang der ausgerichteten Schenkung – ihrem Sohn zukommen lassen. Die Berufungsbeklagte führte glaubhaft aus, der Erblasser habe beabsichtigt, dass seine Söhne nie etwas bekämen. Sie seien all die Jahre nie gekommen. Selbst als er im Sterben gelegen habe, hätten sie sich nicht um den Vater gekümmert. Er habe so einen Hass auf seine Kinder gehabt. Sie hätten ihn nur ausgesaugt. Bei dieser Sachlage muss auch der Versuch der Staatsanwaltschaft scheitern, den Berufungsbeklagten eventualvorsätzliches Handeln zu unterstellen. Wenn der Erblasser Vermögensdispositionen vornahm, die mutmasslich Pflichtteile der gesetzlichen Erben verletzen, machen sich die Begünstigten nicht strafbar, wenn sie die Schenkungen annehmen. Da sie an diesen Vermögenswerten rechtmässig Eigentum erwerben, fallen von vorneherein Straftatbestände wie Veruntreuung, ungetreue Geschäftsbesorgung oder Betrug mangels des objektiven Tatbestandsmerkmals des fremden Vermögens ausser Betracht. Hielt sich der Begünstigte für den Eigentümer der erhaltenen Vermögenswerte und durfte er aufgrund der Umstände auch davon ausgehen, obwohl der Eigentumsübergang in Tat und Wahrheit nicht erfolgte, bleibt er mangels Erfüllung des subjektiven Tatbestands straflos.

c) Wird zu Gunsten der Berufungsbeklagten ein Eigentumsübergang bereits vor dem Ableben des Erblassers angenommen, fallen sämtliche Vorwürfe mangels Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale dahin. Will man nicht so weit gehen, genügt die Feststellung, die Berufungsbeklagte habe zumindest subjektiv der Meinung sein dürfen oder sei der Auffassung gewesen, Eigentümerin der entsprechenden Vermögenswerte zu sein und damit vor und nach dem Ableben ihres Partners darüber verfügen zu dürfen. Damit musste die Berufungsbeklagte aber auch gegenüber dem Notariat keine entsprechenden Vermögenswerte deklarieren. Damit fehlt es in jedem Fall auch mit Bezug auf den Vorwurf der Erschleichung einer falschen Beurkundung am Vorsatz. Die gleichen Überlegungen gelten hinsichtlich der Vorwürfe der Veruntreuung und der ungetreuen Geschäftsführung. Abgesehen davon wäre der Berufungsbeklagten das Vermögen zum Zweck der persönlichen Verwendung anvertraut worden. Aus Sicht des Erblassers traf sie keine Verpflichtung, seine und noch viel weniger die Interessen der gesetzlichen Erben zu wahren. Vielmehr war das Gegenteil der Fall. Hinsichtlich des Betrugs wäre wohl auch die Arglist zu verneinen, da das Lügengebäude bezüglich des angeblich vorhandenen Goldes vom Erblasser und nicht von der Berufungsbeklagten errichtet wurde. Letztere verschwieg lediglich die Existenz des gemeinsamen Kontos und erklärte konsequenterweise, nichts über den Verbleib des vom Erblasser in seinen Steuererklärungen deklarierten Goldes zu wissen. Offensichtlich besass er auch gar kein Gold.

d) Im Zusammenhang mit dem Berufungsbeklagten stellte die Vorinstanz zu Recht fest, er habe nicht wissen können, oder man habe ihm ein solches Wissen jedenfalls nicht nachweisen können, dass es sich beim verschobenen Geld um Vermögenswerte des Verstorbenen gehandelt habe. Seine Mutter habe ihm erklärt, dass es sich um ihre Vermögenswerte handle. Angesichts des Umstands, dass er kurz zuvor selbst vom Erblasser Fr. 105'000.00 geschenkt erhalten hatte, durfte er ohne weiteres annehmen, der Verstorbene habe sein restliches Vermögen bereits zu Lebzeiten seiner Mutter geschenkt. Es kann auch dem Berufungsbeklagten kein vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden. Damit ist auch er von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizusprechen.

e) Damit erweist sich die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet.

3. Die Vorinstanz sprach die Berufungsbeklagten von den an sie erhobenen Vorwürfe frei, auferlegte aber der Lebenspartnerin gestützt auf § 58 StPO die Verfahrenskosten und richtete ihr keine Parteientschädigung aus. Dagegen richtet sich die Beschwerde.

a) Grundsätzlich trägt der Staat die Verfahrenskosten gestützt auf § 57 Abs. 1 StPO bei Einstellung der Untersuchung und bei Freispruch des Angeklagten. Laut § 58 Abs. 1 StPO hat der Angeschuldigte aber die Verfahrenskosten ganz oder teilweise zu tragen, sofern er einer strafbaren Handlung schuldig erklärt wird oder durch Verletzung gesetzlicher Pflichten Anlass für ein Strafverfahren gegeben oder dessen Durchführung erschwert hat. In diesen Fällen hat er gemäss § 58 Abs. 2 StPO auch seine eigenen Kosten zu tragen. Zu entscheiden ist, ob die Berufungsbeklagte in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise, das heisst im Sinn einer analogen Anwendung der sich aus Art. 41 OR ergebenden Grundsätze, gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm, die aus der gesamten schweizerischen Rechtsordnung stammen kann, verstiess, und dadurch das Strafverfahren veranlasste oder dessen Durchführung erschwerte[1].

b) Die Vorinstanz warf der Berufungsbeklagten vor, ihre Auskunftspflicht gegenüber dem Notariat nicht korrekt wahrgenommen zu haben. Wahrscheinlich wäre das Strafverfahren nicht eröffnet worden, wenn sie nach dem Tod ihres Lebenspartners von Beginn weg ehrliche und klare Angaben über die finanzielle Situation des Verstorbenen gemacht hätte. Dazu sei sie nach Art. 553 Abs. 2 ZGB i.V.m. § 64 Abs. 2 EG ZGB verpflichtet gewesen.

c) In Art. 553 ZGB wird eine Auskunftspflicht der Erben und Dritter gegenüber der Inventurbehörde nicht erwähnt. Nach herrschender Meinung besteht sie für die Erben im gleichen Umfang wie nach Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB. Die Auskunftspflicht Dritter gegenüber den Inventarbehörden wird per Analogieschluss aus Art. 581 Abs. 2 ZGB hergeleitet. Sie erfasst die Vermögensverhältnisse des Erblassers zum Todeszeitpunkt, nicht hingegen lebzeitige Vorgänge[2]. Das kantonale Recht kann das Recht der Behörde zur Vornahme von Nachforschungen und Zeugeneinvernahmen vorsehen, das Auskunftsrecht Dritter speziell regeln und auch andere Zwangsmassnahmen zur Verfügung stellen[3]. Mit dem Zweck von Art. 553 ZGB ist es aber unvereinbar, die Auskunftspflicht über den Bestand des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes hinaus auf lebzeitige Zuwendungen und Veräusserungen auszudehnen. Mit dem Inventar soll nur der Bestand der Erbschaft festgestellt und damit verhindert werden, dass Vermögenswerte zwischen Erbgang und Teilung unbemerkt verschwinden können[4]. Die Berufungsbeklagte war somit zivilrechtlich nicht verpflichtet, über den Verbleib und den Bestand oder Nichtbestand des vom Verstorbenen in seinen Steuererklärungen deklarierten Goldes Auskunft zu geben. War sie ferner der Meinung, aufgrund bereits zu Lebzeiten erfolgter Schenkung Eigentümerin der Vermögenswerte auf dem gemeinsamen Konto gewesen zu sein, war sie auch nicht verpflichtet, diese Vermögenswerte dem Notar gegenüber bekannt zu geben. Es kann offen bleiben, ob sie bereits im Zeitpunkt des Ablebens ihres Lebenspartners tatsächlich Eigentümerin der fraglichen Vermögenswerte war oder nicht. Aufgrund ihrer subjektiven Einschätzung der rechtlichen Situation war sie zivilrechtlich nicht verpflichtet, das gemeinsame Konto bei der Inventuraufnahme bekannt zu geben. Damit kann ihr auch kein zivilrechtlicher Vorwurf gemacht werden.

d) Die Strafuntersuchung wurde einzig eröffnet, weil der Verbleib des in den Steuererklärungen deklarierten Goldes nicht geklärt werden konnte. In dieser Hinsicht war die Berufungsbeklagte aber zu keiner Aussage verpflichtet. Es kann ihr damit auch kein Vorwurf gemacht werden, zur Eröffnung der Strafuntersuchung in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise Anlass gegeben zu haben. Abgesehen davon konnte die Berufungsbeklagte über das Gold auch gar keine Angaben machen, da dieses erstens offenbar gar nie vorhanden war und zweitens die Berufungsbeklagte mit den Steuererklärungen ihres Lebenspartners nichts zu tun hatte.

e) Die Verfahrenskosten können der Berufungsbeklagten daher nicht überbunden werden. Vielmehr kommt die Regelung von § 57 StPO zur Anwendung: Infolge des Freispruchs hat der Staat die Verfahrenskosten zu tragen und die Berufungsbeklagte zu entschädigen. Damit erweist sich die Beschwerde als begründet.

Obergericht, 2. Dezember 2008, SBR.2008.31 und SW.2008.7


[1] RBOG 2002 Nr. 33 mit Hinweisen

[2] Emel, in: Praxiskommentar Erbrecht (Hrsg.: Abt/Weibel), Art. 553 ZGB N 12

[3] Karrer, Basler Kommentar, Art. 553 ZGB N 14

[4] BGE 118 II 270

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