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RBOG 2013 Nr. 16

Alternativbegehren sind unzulässig.


Art. 311 Abs. 1 ZPO


1. Gemäss Art. 311 Abs. 1 ZPO ist die Berufung schriftlich und begründet einzureichen. Die Berufungseingabe hat aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid als fehlerhaft erachtet wird[1], und sie hat – obwohl in der ZPO nicht ausdrücklich erwähnt – die Berufungsanträge zu enthalten[2]. Dies ergibt sich einerseits aus der Begründungspflicht, da eine Begründung notwendigerweise Anträge voraussetzt, die mit der Begründung substantiiert werden[3], und andererseits aus den auch für die Berufung geltenden Art. 221 Abs. 1 lit. b und 244 Abs. 1 lit. b ZPO[4].

2. Aus dem Rechtsbegehren muss sowohl für das Gericht als auch für die Gegenpartei hervorgehen, inwieweit der eingeklagte Anspruch weiterhin strittig ist. Nur korrekt gestellte Anträge erlauben der Rechtsmittelinstanz die Vorprüfung der Berufung[5], und die Gegenpartei kann darüber befinden, ob sie Anschlussberufung erklären will[6]. Ferner werden nur im Umfang der Berufungsanträge die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des vorinstanzlichen Entscheids aufgeschoben[7]. Der Berufungskläger hat daher bestimmt zu erklären, welche Änderungen im Dispositiv des angefochtenen Entscheids verlangt werden[8]. Da die Berufung in erster Linie ein reformatorisches Rechtsmittel ist[9], darf sich der Berufungskläger nicht darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der Sache stellen[10]. Der Antrag zur Sache muss dabei in den Berufungsanträgen beziehungsweise in den Rechtsbegehren der Berufungsschrift selbst und nicht bloss in der Begründung gestellt werden[11]. Die Berufungsanträge sind so zu formulieren, dass sie bei Gutheissung der Berufung zum Urteil erhoben werden können[12]. Dementsprechend ist der hier von der Berufungsklägerin gestellte Antrag auf "Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids oder Rückweisung an die Vorinstanz" unzureichend[13].

3. Ein Alternativbegehren beziehungsweise eine alternative Anspruchshäufung, in welcher eine von mehreren Leistungen nach Wahl der Gegenpartei oder des Gerichts gefordert wird, ist unzulässig[14]. Eine solche unzulässige alternative Anspruchshäufung liegt auch dann vor, wenn die klagende Partei mehrere sich gegenseitig ausschliessende Begehren stellt, ohne darzulegen, welches der Begehren sie als Hauptbegehren und welches sie als Eventualbegehren betrachtet. Der Grund für deren Unzulässigkeit liegt darin, dass es nicht der freien Entscheidung des Gerichts überlassen werden kann zu bestimmen, welchen Anspruch es letztlich der klagenden Partei zusprechen soll[15]. Insofern erweist sich der als Alternativbegehren verfasste Berufungsantrag der Berufungsklägerin als unzulässig.

Obergericht, 2. Abteilung, 28. Februar 2013, ZBR.2012.85


[1] BGE vom 27. August 2012, 5A_438/2012, Erw. 2.2; BGE 138 III 375

[2] Sterchi, Berner Kommentar, Art. 311 ZPO N 14; Reetz/Theiler, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuen­berger), 2.A., Art. 311 N 34; Mathys, in: Schweizerische Zivilprozessordnung (Hrsg.: Baker & McKenzie), Bern 2010, Art. 311 N 13

[3] BGE 137 III 618 f.

[4] Seiler, Die Berufung nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Basel 2011, N 872; Reetz/Theiler, Art. 311 ZPO N 33; Hungerbühler, in: Schweizerische Zivilprozessordnung (Hrsg.: Brunner/Gasser/Schwander), Zürich/St. Gallen 2011, Art. 311 N 10; BGE 138 III 216

[5] Art. 312 Abs. 1 ZPO

[6] Art. 313 ZPO

[7] Art. 315 Abs. 1 ZPO

[8] Reetz/Theiler, Art. 311 ZPO N 34

[9] Art. 318 Abs. 1 lit. b ZPO

[10] Seiler, N 874; Hungerbühler, Art. 311 ZPO N 17; BGE 133 III 489; Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. November 2012, RT120148, Erw. 1b

[11] Reetz/Theiler, Art. 311 ZPO N 34

[12] Hungerbühler, Art. 311 ZPO N 14; BGE 137 III 619

[13] Vgl. Kunz, in: ZPO-Rechtsmittel, Berufung und Beschwerde, Kommentar zu den Art. 308 bis 327a ZPO (Hrsg.: Kunz/Hoffmann-Nowotny/Stauber), Basel 2013, Art. 311 N 63; Sterchi, Art. 311 ZPO N 15

[14] RBOG 2008 Nr. 37 S. 213

[15] Rüetschi, Anmerkung zum BGE vom 7. Dezember 2006, 5C.66/2006, in: sic! 2007, S. 440 mit Hinweisen

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