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RBOG 2015 Nr. 22

Beschlagnahme eines iPhones und iPads


Art. 69 StGB, Art. 197 Abs. 1 StPO, Art. 263 Abs. 1 lit a StPO, Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO


1. Die Staatsanwaltschaft führt gegen die Beschwerdeführerin ein Strafverfahren wegen mehrfacher Beschimpfung, mehrfachen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage, mehrfacher Drohung und mehrfachen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. Die Beschwerdeführerin soll X ununterbrochen durch Telefonanrufe sowie E-Mails belästigt, beschimpft und bedroht haben. Bei einer Hausdurchsuchung stellte die Polizei ein iPhone 5 und ein iPad Mini sicher. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte diese Geräte der Beschwerdeführerin, da sie zur Begehung ihrer Taten und zur Übertragung ihrer Mitteilungen gedient hätten. Mit Beschwerde verlangt die Beschwerdeführerin die Herausgabe des iPhones und des iPads.

2. a) Gegenstände und Vermögenswerte der beschuldigten Person können gemäss Art. 263 Abs. 1 lit. a und d StPO beschlagnahmt werden, wenn die Gegenstände und Vermögenswerte voraussichtlich als Beweismittel gebraucht werden (Beweismittelbeschlagnahme) oder einzuziehen sind (Einziehungsbeschlagnahme). Die Beschlagnahme ist eine Zwangsmassnahme. Sie ist laut Art. 197 Abs. 1 StPO nur zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt.

b) Die gesetzliche Grundlage und der hinreichende Tatverdacht sind gegeben. Auch rechtfertigen die Straftaten die Beschlagnahme zu Beweiszwecken oder zur Einziehung. Fraglich sind indessen sowohl bei der Beweismittel- als auch bei der Einziehungsbeschlagnahme die Eignung und Erforderlichkeit.

3. a) Entscheidend für die Beschlagnahme eines Gegenstands zu Beweiszwecken ist seine Eignung, Beweis für einen entscheidwesentlichen Umstand im genannten Umfang zu erbringen[1]. Gerade bei duplizierbaren Beweisgegenständen – etwa Geschäftsunterlagen – er­langt zudem das Prinzip der Erforderlichkeit und Verhältnismässigkeit praktische Bedeutung[2]. Das Bundesgericht erwog – allerdings im Zusammenhang mit der Sicherungseinziehung gemäss Art. 69 StGB –, der mit der Trennung zwischen deliktischen und nicht-deliktischen Daten verbundene Aufwand könne nicht als unverhältnismässig eingestuft werden. Das Prinzip der Subsidiarität gebiete es, einzig die deliktischen Daten unwiderruflich zu löschen und dem Inhaber anschliessend die Datenträger samt den darauf enthaltenen legalen Daten wieder zurückzugeben[3]. Daraus folgt, dass bei Geräten mit Speicher­medien die für die Beweisführung erforderlichen Daten in der Regel zu kopieren sind und das Gerät anschliessend – vorbehältlich einer Einziehungsbeschlagnahme – dem Inhaber zurückzugeben ist.

b) Um den Beweis zu führen, dass die Beschwerdeführerin mittels Telefonaten, SMS und E-Mails X belästigte, bedrohte und beschimpfte, ist die Beschlagnahme der beiden Geräte nicht erforderlich. Es genügt, die auf den Geräten vorhandenen deliktsrelevanten Daten zu kopieren und in die Untersuchungsakten aufzunehmen. Dies schlägt die Beschwerdeführerin ausdrücklich vor. Dazu und zum Beweiswert der Geräte an sich äusserte sich die Staatsanwaltschaft nicht. Das hätte sie tun müssen, wollte sie geltend machen, den Geräten als solchen komme ein Beweiswert zu. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die deliktischen Telefonate, SMS und E-Mails nicht elektronisch als Beweismittel gesichert werden könnten. Damit sind die Geräte als Beweismittel nicht erforderlich, und es entfällt die Beweismittelbeschlagnahme.

4. a) Das Gericht verfügt gemäss Art. 69 StGB ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat dienten oder bestimmt waren oder durch eine Straftat hervorgebracht wurden, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden (Sicherungseinziehung). Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.

Die Sicherungseinziehung befasst sich mit der Einziehung von Gegenständen, die einen Zusammenhang mit einer Straftat aufweisen und angesichts ihrer Gefährdung für öffentliche Rechtsgüter ihrem Inhaber entzogen werden sollen. Die Sicherungseinziehung hat keinen Strafcharakter, sondern ist eine sachliche Massnahme zum Schutz der Allgemeinheit vor rechtsgutgefährdender (Wieder-)Verwen­dung von gefährlichen Gegenständen. Die einzuziehenden Gegenstände müssen somit einen Bezug zu einer Straftat (Anlasstat) aufweisen, indem sie entweder Tatwerkzeuge waren oder Tatprodukte sind. Neben diesem Deliktskonnex wird zusätzlich eine konkrete künftige Gefährdung verlangt. Es ist im Sinn einer Gefährdungsprognose zu prüfen, ob es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Gegenstand in der Hand des Täters in Zukunft die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährdet. Die Sicherungseinziehung stellt einen Eingriff in die Eigentumsgarantie nach Art. 26 BV dar und untersteht daher dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Die Einziehung muss deshalb vorab zur Erreichung des Sicherungszwecks geeignet sein. Diese Zwecktauglichkeit kann insbesondere bei problemloser Wiederbeschaffungsmöglichkeit in Frage stehen. Gemäss dem Prinzip der Subsidiarität darf der Eingriff zudem nicht weiter reichen, als es der Sicherungszweck gebietet. Schliesslich muss die Einziehung verhältnismässig im engeren Sinn sein; zwischen dem anvisierten Ziel der Sicherung und dem Eingriff in das Eigentum des Betroffenen muss ein vernünftiges Verhältnis bestehen. Daran kann es fehlen, wenn der Gegenstand (sehr) wertvoll, die weiterbestehende Gefährdung dagegen gering ist. Je grösser und wahrscheinlicher die Gefährdung, desto eher ist die Einziehung verhältnismässig[4].

b) Beim iPhone ist der Deliktskonnex unbestritten; beim iPad soll er gemäss der Beschwerdeführerin fehlen. Wie es sich damit verhält, kann aber offen bleiben, da eine künftige Einziehung bereits unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit entfällt. Sie kommt angesichts der leichten Wiederbeschaffungsmöglichkeit nicht in Betracht und ist deshalb nicht zwecktauglich. Der Sicherungszweck und der Eigentumseingriff stehen damit in keinem vernünftigen Verhältnis. Es ist unverhältnismässig, das iPhone und das iPad mit einem relativ erheblichen Eigenwert einzuziehen, denn damit kann die Gefahr nicht gebannt werden, dass die Beschwerdeführerin X mit anderen leicht und günstig(er) zu beschaffenden Geräten erneut belästigt, bedroht und beschimpft. Entsprechend ist glaubhaft, dass sich die Beschwerdeführerin längst Ersatz beschafft hat.

Eine Einziehung der Geräte zum Zweck der Vernichtung kommt angesichts des Prinzips der Subsidiarität nicht in Betracht. Es genügt, die inkriminierten Daten zu löschen oder löschen zu lassen[5]. Im Zusammenhang mit Festplatten und anderen Datenträgern erwog das Bundesgericht, die Vollzugsbehörde könne die Löschung selber vornehmen und die damit verbundenen Aufwendungen auf den Eigentümer der Speichermedien überwälzen. Als (in der Regel kostengünstigere) Alternative könne ihm auch angeboten werden, zunächst die nicht zu löschenden legalen Dateien zu bezeichnen. Nach deren Überprüfung habe die Vollzugsbehörde eine Kopie davon anzufertigen, den Datenträger neu zu formatieren (mit der Folge der Löschung sämtlicher Dateien) und diese zusammen mit den kopierten Dateien dem Eigentümer auszuhändigen[6].

Obergericht, 2. Abteilung, 12. Februar 2015, SW.2015.4


[1] Bommer/Goldschmid, Basler Kommentar, vor Art. 263-268 StPO N 5

[2] Bommer/Goldschmid, Art. 264 StPO N 23

[3] BGE vom 16. Februar 2009, 6B_748/2008, Erw. 4.5.3

[4] BGE vom 16. Februar 2009, 6B_748/2008, Erw. 4.4

[5] Vgl. Erw. 3a

[6] Vgl. BGE vom 16. Februar 2009, 6B_748/2008, Erw. 4.5.3

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