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RBOG 2019 Nr. 4

Die siebentägige Frist von Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO gilt unabhängig davon, wie lange eine Sendung gemäss den Abmachungen einer Partei mit der Post abgeholt werden kann.


Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO


Gemäss Art. 138 Abs. 1 ZPO erfolgt die Zustellung von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung. Die Zustellung einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, gilt am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (Zustellfiktion)[1]. Ist ein Verfahren hängig, so ist zu erwarten, dass die betroffene Person ihre Post regelmässig kontrolliert und allenfalls längere Abwesenheiten mitteilt oder während diesen einen zur Entgegennahme allfälliger gerichtlicher Sendungen ermächtigten Stellvertreter ernennt. Unterlässt sie dies, tritt bei Nichtabholung der Sendung die Zustellfiktion ein[2]. Ein der Post erteilter Zurückbehaltungsauftrag befreit nicht von der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Gerichtsurkunden zugestellt werden können[3]. Die Meinung des Obergerichts des Kantons Zürich im Beschluss vom 17. Juni 2019, PS1900081[4], wonach eine "Online-Verlängerung" der Abholfrist für "gewöhnliche Chargé-Sendungen" einen Widerspruch zu Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO entstehen lasse, weshalb das Vertrauen des Adressaten in die von der Post gebotene Verlängerung der Abholfrist zu schützen sei, womit die Zustellfiktion nur bei Gerichtsurkunden greife, überzeugt nicht. Einerseits steht sie in Widerspruch zu Art. 138 Abs. 1 ZPO, wonach Vorladungen, Verfügungen und Entscheide durch eingeschriebene Postsendungen (das heisst durch "gewöhnliche Chargé-Sendungen") erfolgen, sowie zu Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO, wonach die Zustellfiktion bei eingeschriebenen Postsendungen und nicht nur bei Gerichtsurkunden (GU) greift. Andererseits ist sie auch mit der konstanten Bundesgerichtspraxis nicht zu vereinbaren, wonach die siebentägige Abholfrist von Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO unabhängig davon gilt, wie lange eine Sendung gemäss den Abmachungen einer Partei mit der Post abgeholt werden kann[5]. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher an dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung festzuhalten. Wer ein Prozessrechtsverhältnis begründet, hat mit gerichtlichen Sendungen zu rechnen und dafür zu sorgen, dass ihm diese zugestellt werden können. Bei Unklarheiten hat man sich beim Gericht und nicht bei der Post zu erkundigen.

Obergericht, 1. Abteilung, 9. Oktober 2019, KES.2019.58


[1] Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO

[2] Gschwend, Basler Kommentar, 3.A., Art. 138 ZPO N. 18a

[3] Gschwend, Art. 138 ZPO N. 22

[4] Veröffentlicht in ZR 2019 Nr. 44

[5] BGE 141 II 431 f.; BGE vom 7. Mai 2019, 5D_149/2018, Erw. 3

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