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RBOG 2019 Nr. 9

Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer Verrechnungsforderung im provisorischen Rechtsöffnungsverfahren


Art. 120 OR, Art. 82 Abs. 2 SchKG


1. X verlangte provisorische Rechtsöffnung für den Dezemberlohn 2016 und die Ferienentschädigung. Die Arbeitgeberin anerkannte den Arbeitsvertrag und den Aufhebungsvertrag als provisorische Rechtsöffnungstitel, machte jedoch Gegenforderungen aus Schadenersatz und somit Verrechnung geltend.

2. a) Die Rechtsöffnungsrichterin gab dieser Verrechnung statt, weil sie es nach einer summarischen Prüfung der Eingaben sowie der Beilagen der Arbeitgeberin für glaubhaft erachtete, dass diese gegenüber X Schadenersatzansprüche habe, welche dessen Forderung überstiegen. Das Obergericht als Beschwerdeinstanz liess die Verrechnung nach ständiger Rechtsprechung indessen nur zu, wenn Bestand und Fälligkeit der Gegenforderung im Rechtsöffnungsverfahren urkundenmässig in liquider Weise belegt seien, und zwar durch solche Urkunden, die ihrerseits als Titel für die provisorische Rechtsöffnung taugen würden. Es genüge – so das Obergericht – auch im Rechtsöffnungsverfahren nach Art. 82 SchKG nicht, wenn der Schuldner lediglich mehr oder weniger substantiierte Behauptungen bezüglich der von ihm geltend gemachten Verrechnungsforderung aufstelle. Der Betriebene müsse vielmehr für die von ihm erhobenen Verrechnungsforderungen über eine öffentliche oder private Urkunde verfügen, aus welcher der Wille des Betreibungsgläubigers hervorgehe, eine bestimmte und fällige Geldsumme dem Betriebenen beziehungsweise Gläubiger der Verrechnungsforderung zu bezahlen. Diese Praxis publizierte das Obergericht in RBOG 2017 Nr. 18.

b) Nach dem Bundesgericht hält diese Praxis vor Bundesrecht im Bereich der provisorischen Rechtsöffnung indessen nicht stand. Gemäss Art. 82 Abs. 2 SchKG spricht der Richter die provisorische Rechtsöffnung aus, sofern der Betriebene nicht Einwendungen, welche die Schuldanerkennung entkräften, sofort glaubhaft macht. Zu diesen Einwendungen gehört auch die Anrufung der Tilgung durch Verrechnung. Im Verfahren betreffend provisorische Rechtsöffnung darf aber kein strikter Beweis von Bestand, Höhe und Fälligkeit der Verrechnungsforderung gefordert werden[1]. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt zwar auch für die blosse Glaubhaftmachung der Verrechnungsforderung das Vorlegen von Urkunden. Das Bundesgericht hat sich dabei aber ausdrücklich auf Urkunden im weiten Sinn der ZPO bezogen[2]. Ausserdem hat es anerkannt, dass die erforderliche Glaubhaftmachung der Verrechnungsforderung auch aus dem Gesamtbild verschiedener Dokumente resultieren kann. In keinem Fall ist der Betriebene im Verfahren betreffend provisorische Rechtsöffnung für das Glaubhaftmachen seiner Einwendungen auf Urkunden in der Qualität eines Rechtsöffnungstitels im Sinn von Art. 80 Abs. 1 und Art. 82 Abs. 1 SchKG beschränkt. Hingegen genügen reine Parteibehauptungen zur Glaubhaftmachung der Verrechnungsforderung nicht[3].

Obergericht, 2. Abteilung, 24. September 2019, BR.2019.35


[1] BGE vom 25. Juni 2019, 5A_139/2018, Erw. 2.6.1

[2] Art. 177 und Art. 254 Abs. 1 ZPO

[3] BGE vom 25. Juni 2019, 5A_139/2018, Erw. 2.6.2

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