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RBOG 2020 Nr. 4

Rolle der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde beim Abschluss eines Betreuungsvertrags zwischen der Beiständin und der pflegenden Tochter


Art. 416 Abs. 1 ZGB, Art. 419 ZGB, Art. 450 a Abs. 2 ZGB


1. Die Beschwerdeführerin sorgt für die Pflege und Betreuung ihrer verbeiständeten Mutter. Grundlage dieses Verhältnisses bildet ein Betreuungsvertrag aus dem Jahr 2017. Aufgrund veränderter Verhältnisse versuchten die Beschwerdeführerin und die Beiständin während eines Jahres ohne Erfolg, einen neuen Betreuungsvertrag zu schliessen. Beide wandten sich wegen der Schwierigkeiten, eine Einigung zu finden, an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Die Beschwerdeführerin erhob in der Folge Rechtsverzögerungs- beziehungsweise Rechtsverweigerungsbeschwerde, da sie als pflegende Tochter in Bezug auf die Neuregelung des Pflegevertrags von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde keine Antworten erhalten habe.

2. a) Nach Art. 450a Abs. 2 ZGB kann wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung Beschwerde geführt werden. Art. 29 Abs. 1 BV räumt einen allgemeinen Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist ein[1]. Massgebend ist, ob das Verfahren in Anbetracht der auf dem Spiel stehenden Interessen zügig durchgeführt worden ist und die Gerichtsbehörden insbesondere keine Zeit unnütz haben verstreichen lassen[2]. Eine Rechtsverweigerung ist gegeben, wenn eine Behörde es ausdrücklich ablehnt, eine Entscheidung zu treffen, obwohl sie dazu verpflichtet ist. Um eine Rechtsverzögerung handelt es sich, wenn die zuständige Behörde sich zwar bereit zeigt, einen Entscheid zu treffen, diesen aber nicht innert der Frist fällt, welche aufgrund der Natur der Sache und der Gesamtheit der übrigen Umstände als angemessen erscheint[3]. Soweit das Gesetz die am Verfahren beteiligten Personen mit ihren Rügen und Beanstandungen direkt an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde verweist, um diese zum Einschreiten zu veranlassen, ist für das Verfahren vor dieser Behörde Art. 450a Abs. 2 ZGB nicht anwendbar. Vielmehr sind etwa Rügen betreffend die Tätigkeit beziehungsweise Untätigkeit von Beiständen gestützt auf Art. 419 ZGB anzubringen[4].

b) Gemäss Art. 419 ZGB kann gegen Handlungen oder Unterlassungen unter anderem des Beistands die betroffene oder eine ihr nahestehende Person und jede Person, die ein rechtlich geschütztes Interesse hat, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde anrufen. Die Anrufung der Erwachsenenschutzbehörde dient in solchen Fällen dem Zweck, die Angelegenheit ins richtige Geleise zu bringen, das heisst, eine ordnungsgemässe Führung der Massnahme beziehungsweise des Mandats umfassend zu gewährleisten und damit das wohlverstandene Interesse der betroffenen Person zu sichern[5]. Das Einschreiten der Erwachsenenschutzbehörde löst aber kein Rechtsmittelverfahren aus[6]. Mögliches Anfechtungsobjekt sind nicht nur Handlungen, sondern auch Unterlassungen[7]. Eine Handlung muss hierzu fest beschlossen oder ausgeführt sein; gegen Anträge des Beistands an die Erwachsenenschutzbehörde oder gegen seine blosse Absicht, tätig zu werden, ist keine Anrufung der Erwachsenenschutzbehörde möglich[8]. Infolge der umfassenden Überprüfungsbefugnis entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde in der Regel direkt. Je nach Anfechtungsgegenstand kann dieser Entscheid in einem selbstständigen Handeln oder in einer Verhaltensanweisung an den Beistand bestehen[9]. Der Zweck der Beschwerde erfordert ein möglichst einfaches Verfahren. Die Behörde wird nötigenfalls weitere Abklärungen treffen und die beschwerdeführende Person nach Möglichkeit persönlich anhören und anschliessend einen begründeten und beschwerdefähigen Entscheid fällen. Es sollte allerdings auch möglich sein, einen Konflikt zwischen betreuter Person und Mandatsträger ohne formelles Verfahren und Beschluss der Behörde zu bereinigen. Dabei ist allerdings eine Rechtsverweigerung zu vermeiden, die ihrerseits wieder mit Beschwerde beim zuständigen Gericht gerügt werden könnte[10].

c) Für die weitere Prüfung ist somit massgebend, ob die Vorinstanz gesetzlich zu einem Tätigwerden verpflichtet war und/oder, ob sie dazu Bereitschaft zeigte und trotzdem keine Entscheidung innert angemessener Frist traf.

3. a) Gemäss Art. 416 Abs. 3 ZGB bedürfen Verträge zwischen dem Beistand und der betroffenen Person immer der Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde. Der noch geltende Betreuungsvertrag wurde zu Recht gestützt auf Art. 416 Abs. 3 ZGB von der Vorinstanz genehmigt. Zu jenem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin nämlich noch als Beiständin ihrer Mutter im Amt. Nachdem die Beschwerdeführerin in der Folge aus ihrem Amt entlassen wurde, entfällt in Übereinstimmung mit der Vorinstanz die Anwendbarkeit von Art. 416 Abs. 3 ZGB.

b) Die Zustimmungsbedürftigkeit des Betreuungsvertrags könnte sich aber auch aus Art. 416 Abs. 1 ZGB ergeben, welcher einen Katalog von Geschäften enthält, die von Gesetzes wegen der behördlichen Zustimmung bedürfen. Die Aufzählung betrifft tendenziell risikobehaftete und bedeutende Geschäfte von grundsätzlich dauerhaftem Charakter[11]. Darunter finden sich in Ziff. 2 Dauerverträge über die Unterbringung der betroffenen Person. Zu prüfen ist somit, ob der abzuschliessende Betreuungsvertrag ein Dauervertrag über die Unterbringung der verbeiständeten Person darstellt.

aa) Ob ein konkretes Rechtsgeschäft unter eine der Kategorien von Art. 416 ZGB fällt, ist nach dem Sinn und Zweck der Norm zu ermitteln, und die Auslegung ist dabei nicht allzu restriktiv zu handhaben[12]. Die in Ziff. 2 genannte Unterbringung ist folglich weit zu interpretieren und umfasst sowohl kollektive Formen wie Alters- und Pflegeheime, Behinderteninstitutionen etc. als auch betreute Wohngemeinschaften oder Familienpflege[13]. Vereinbarungen betreffend die Unterbringung einer Person können mit Institutionen oder Privatpersonen getroffen werden. Durch die Zustimmungsbedürftigkeit soll nicht nur der Beistand, sondern im Mehraugenprinzip auch die Behörde zur Frage Stellung nehmen, ob die gewählte Art der Unterbringung im konkreten Fall geeignet und nicht nur beispielsweise kostengünstig ist[14].

bb) Den Akten kann entnommen werden, dass die verbeiständete Mutter aufgrund einer Demenz bei Alzheimerkrankheit in hohem Mass pflegebedürftig ist. Sie bedarf einer Rundumbetreuung, welche bisher von der Beschwerdeführerin und zwei Betreuungsdiensten sichergestellt wurde. Die Beiständin hielt in ihrem Rechenschaftsbericht unter anderem fest, dass die verbeiständete Person auf eine vollumfängliche Betreuung angewiesen sei. Diese umfasse auch Betreuungszeiten in der Nacht und an Wochenenden, die in diesem Ausmass von keiner Spitex übernommen werden könnten.

cc) Die verbeiständete Person und die Beschwerdeführerin sind Eigentümerinnen der von ihnen bewohnten Liegenschaft. Die verbeiständete Person bewohnt bereits seit 30 Jahren die Einliegerwohnung im ersten Stock. Eine Unterbringung der verbeiständeten Person in einem Heim komme gemäss den Aussagen der Beschwerdeführerin wegen Traumata aus der Kindheit aufgrund von Erinnerungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht in Frage. Ein Heimaufenthalt sei für sie mit Ängsten verbunden, und Institutionen nehme sie als bedrohliche Orte wahr.

c) In diesem Fall liegt weder eine Unterbringung in einem Pflege-, Alters- oder sonstigem Heim vor, noch wurde die verbeiständete Person zwecks Betreuung umplatziert. Die umfangreiche Betreuungsnotwendigkeit der verbeiständeten Person ist aber evident. Eine unentgeltliche Betreuungsdienstleistung der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Mutter kann keineswegs aus der Verwandtenunterstützungspflicht nach Art. 328 Abs. 1 ZGB abgeleitet werden, welche ohnehin eine rein finanzielle Unterstützungspflicht vorsieht[15]. Auch altrechtlich hätte das Ausmass des Betreuungsaufwands den Umfang der geschuldeten Verwandtenunterstützung gesprengt[16]. Faktisch liegt eine hohe Betreuungsnotwendigkeit vor, welche es gebietet, die Zustimmungsbedürftigkeit – und damit auch die Schutzfunktion – von Art. 416 Abs. 1 ZGB anzuwenden, wodurch die Behörde prüfen kann, ob der «Aufenthalt» und die Betreuung geeignet sind. Aufgrund der weiten Interpretation des Begriffs der Unterbringung in Art. 416 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB muss somit die Zustimmungsbedürftigkeit des Betreuungsvertrags auch im konkreten Fall bejaht werden.

4. a) Des Weiteren ist zu prüfen, ob die Grundlagen für die Erteilung einer Zustimmung gemäss Art. 416 Abs. 1 ZGB gegeben sind.

aa) Behördliche Mitwirkungshandlungen sind Teil der Aufsichtstätigkeit[17]. In aller Regel erfolgt die behördliche Zustimmung, nachdem die Parteien formgültig einen Vertrag abgeschlossen haben[18]. Ausnahmsweise kann einem Rechtsgeschäft auch vor dessen Abschluss zugestimmt werden, zum Beispiel wenn der Schwebezustand unzumutbar wäre[19]. Es handelt sich dann um eine vorgängige Ermächtigung zum Abschluss eines bestimmten Geschäfts[20]. Die Genehmigungspflicht der Behörde umfasst eine Beurteilungs- und Prüfungspflicht. Die Behörde hat das Geschäft unter dem Aspekt der Interessen der verbeiständeten Person umfassend zu kontrollieren und zu prüfen; sie hat dabei umfassende Kognition[21]. Ziel der behördlichen Prüfung ist die Gewissheit darüber, ob dem vorgelegten Geschäft die beantragte Zustimmung zu gewähren oder zu verweigern ist[22].

bb) Nicht ausgeschlossen ist ein vorgängiger Meinungsaustausch mit der Behörde. Namentlich in unklaren Situationen kann der Behörde zur Weichenstellung nach entsprechenden Verhandlungen mit dem Vertragspartner ein Entwurf vorgelegt oder es kann deren grundsätzliche Meinung erfragt werden. Der Meinungsaustausch ersetzt aber nicht die Zustimmung der Behörde[23].

b) Hier sind die Beschwerdeführerin und die Beiständin gemäss ihren eigenen Angaben nicht in der Lage, eine Einigung bezüglich des neuen Betreuungsvertrags zu finden. Die Beiständin reichte der Vorinstanz sowohl den von ihr erstellten Vertragsentwurf als auch den von der Beschwerdeführerin überarbeiteten Vertragsentwurf ein.

aa) Beide Vertragsentwürfe sind Überarbeitungen des noch geltenden Betreuungsvertrags. Die eingereichten Vertragsvorschläge stimmen mehrheitlich überein. Abweichungen finden sich beim Umfang der Betreuung durch die beiden Betreuungsdienste, bei der monatlichen Entschädigung der Beschwerdeführerin, der Anzahl Ferientage der Beschwerdeführerin pro Jahr und der Gewährleistung der Betreuung während der Ferien der Beschwerdeführerin, bei der monatlichen Entschädigung der Beschwerdeführerin für Koordinationsaufgaben und der Entschädigung für den Fall des Ausfalls des Betreuungsdiensts.

bb) Die Abweichungen resultieren mehrheitlich aus dem Wunsch der Beschwerdeführerin, nach ihrer Operation und Rehabilitation (Lungentumor) nun einen klaren Rahmen in Bezug auf die Betreuung ihrer Mutter zu haben, der ihre Freizeit und ihre Ferien umfassen soll. Insbesondere müsste die Frage der Entlastung am Wochenende und in der Nacht geklärt werden. Bisher habe sie, die Beschwerdeführerin, dafür ihre Beziehungen zu Freunden und Verwandten eingesetzt, wozu sie nun nicht mehr bereit sei. Die Beiständin ihrerseits befürchtet, dass aufgrund der laufenden Betreuungskosten der Anspruch auf Ergänzungsleistungen für eine weitere private Betreuung zu Hause nach Verbrauch des Vermögens entfallen würde. Um die Kosten tief zu halten, seien sowohl die Schwester als auch ein mit der Beschwerdeführerin befreundetes Ehepaar stärker einzubinden.

c) Ein gültig abgeschlossener Vertrag, dem die Vorinstanz die Zustimmung erteilen oder verweigern könnte, liegt zwar nicht vor. Zu prüfen ist aber, ob die Vorinstanz ihrer Pflicht nachgekommen ist, bei zustimmungsbedürftigen Geschäften in unklaren Situationen zur Weichenstellung tätig zu werden und eine grundsätzliche Meinung zu äussern.

aa) Die Vorinstanz hielt in einer E–Mail an die Beschwerdeführerin fest, der Betreuungsvertrag bedürfe nicht der behördlichen Zustimmung. Die finanziellen Aspekte des Vertrags würden im Rahmen der nächsten Rechnungsprüfung geprüft. Aufgrund der bestehenden Schwierigkeiten, eine Einigung zu erzielen, komme die Behörde jedoch im Rahmen ihrer Möglichkeiten dem Ersuchen der Beiständin nach, die beiden Vertragsentwürfe zu prüfen. Es gelte allerdings zu beachten, dass angesichts der ausgesprochen grossen Pendenzenlast aus offenen Verfahren diese Vorprüfung im Sinn einer Meinungsäusserung keine hohe Priorität geniesse, zumal ein gültiger Vertrag vorhanden sei.

bb) Auch in einem Schreiben an die Beiständin unterstrich die Vorinstanz, der Vertrag sei nicht zustimmungsbedürftig, führte aber ergänzend aus, der Entwurf der Beschwerdeführerin habe einen deutlich höheren Vermögensverzehr zur Folge, da diverse Zusatzleistungen gefordert würden. Ein Vermögensverzehr sei bei einer sorgfältigen Vermögensverwaltung grundsätzlich nicht ausgeschlossen, unter dem Vorbehalt, dass er in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehen müsse. Zu berücksichtigen sei dabei, dass ein Vermögensverlust bei der Prüfung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen als Vermögensverzicht gewertet werden könnte. Da aber bereits gemäss dem bestehenden Vertrag ein Vermögensverzehr stattfinde, sei davon auszugehen, dass die verbeiständete Person früher oder später einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben werde. Aus diesem Grund werde der Beiständin empfohlen, abzuklären, ob bereits ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen bestehe und ob der durch den Entwurf der Beschwerdeführerin implizierte Vermögensverzehr vollständig akzeptiert würde oder ob ein Teilbetrag als Vermögensverzicht gewertet würde. Ein Vertragsabschluss sollte lediglich erfolgen, wenn hieraus kein finanzieller Schaden bei der verbeiständeten Person entstehe.

d) aa) Bei dieser Ausgangslage kann der Vorinstanz zwar keine absolute Untätigkeit angelastet werden. Sie nahm nämlich im Schreiben an die Beiständin zu den Vertragsentwürfen kurz Stellung und erteilte der Beiständin eine Empfehlung für das weitere Vorgehen. Es darf aber nicht ausgeblendet werden, dass diese Stellungnahme vor dem Hintergrund erging, dass die Behörde von einem nicht zustimmungsbedürftigen Vertrag ausging, weshalb die Prüfung lediglich «im Rahmen der Möglichkeiten und nicht prioritär» erfolgte. Die Vorinstanz räumte selbst ein, dass eine vertiefte Prüfung der finanziellen Aspekte des Vertrags erst im Rahmen der nächsten Rechnungsprüfung erfolgen werde.

bb) Ferner ist zu berücksichtigen, dass es der Beschwerdeführerin und der Beiständin aufgrund von Uneinigkeiten seit mehr als einem Jahr nicht gelungen ist, einen neuen Betreuungsvertrag zu schliessen. Diese Uneinigkeiten betreffen den Umfang der Betreuung durch die Beschwerdeführerin und die daraus resultierenden finanziellen Aspekte. Indem die Vorinstanz eine vertiefte finanzielle Prüfung - bei einem an sich zustimmungsbedürftigen Vertrag - erst im Rahmen der nächsten Rechnungsprüfung in Aussicht stellt, nimmt sie in Kauf, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Vertragsparteien nicht in der Lage sein werden, einen neuen Betreuungsvertrag zu schliessen. Diese Situation ist sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für die Beiständin unbefriedigend. Es ist einerseits nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin nach einer Tumoroperation einen geregelten aktuellen Betreuungsvertrag wünscht. Andererseits sind auch die Bedenken der Beiständin betreffend den Vermögensverzehr der verbeiständeten Person plausibel.

cc) Das Schreiben der Vorinstanz an die Beiständin beschränkt sich auf einen rudimentären Vergleich der zwei Vertragsvorschläge und die Empfehlung an die Beiständin, Abklärungen bezüglich der Ergänzungsleistungen zu tätigen. Aus den Akten geht hervor, dass die Beiständin bereits zuvor eine Anmeldung für die vorsorgliche Berechnung der Ergänzungsleistungen beim Sozialversicherungszentrum eingereicht hatte. Gemäss einem Schreiben der Beiständin an die Beschwerdeführerin ist diese Prüfung aber noch nicht erfolgt. Auf die spezifische telefonische Anfrage der Beiständin betreffend einen möglichen Vermögensverzicht sei das Sozialversicherungszentrum nicht eingegangen, weshalb sie die Anfrage nochmals schriftlich an den Rechtsdienst einreiche. Bei der gegebenen Ausgangslage ist diese Zeitverzögerung für alle Beteiligten unbefriedigend, weshalb die Vorinstanz im Rahmen ihrer Zustimmungsfunktion verpflichtet war und ist, insofern mitzuwirken, dass die Berechnungen der Ergänzungsleistungen – soweit sie überhaupt entscheidrelevant sind – zeitnah erfolgen und ein aktueller Betreuungsvertrag zügig abgeschlossen werden kann. Insbesondere muss sich die Vorinstanz dazu äussern und eine grundsätzliche Meinung erteilen, ob die von der Beschwerdeführerin gewünschten Änderungen tragbar sind oder nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin erst nach mehreren Eingaben von der Vorinstanz eine Rückmeldung erhielt.

e) Unter Berücksichtigung aller Umstände lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Vorinstanz ihrer auferlegten Pflicht nicht nachgekommen ist, bei einem zustimmungsbedürftigen Vertrag nach Art. 416 Abs. 1 ZGB im Fall von Uneinigkeiten zwischen den Parteien zur Weichenstellung eine grundsätzliche Meinung zu äussern. Dies gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung als Rechtsverweigerung im Sinn von Art. 29 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 450a Abs. 2 ZGB.

5. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Eingaben an die Vorinstanz, worin sie vorbrachte, eine Einigung mit der Beiständin komme nicht zustande, sinngemäss auch ein Einschreiten nach Art. 419 ZGB verlangte. Beim Betreuungsvertrag handelt es sich, wie erwähnt, um ein zustimmungsbedürftiges Geschäft. Die Mitwirkungshandlung der Behörde ist, wie bereits ausgeführt, Teil ihrer Aufsichtstätigkeit[24]. Indem die Vorinstanz der Beschwerdeführerin lediglich mitteilte, das Geschäft sei nicht zustimmungsbedürftig, traf sie unter dem Aspekt von Art. 419 ZGB keinen formellen, anfechtbaren Entscheid. Auch diesbezüglich liegt somit eine Rechtsverweigerung der Vorinstanz vor.

Obergericht, 1. Abteilung, 18. August 2020, KES.2020.47


[1] BGE 133 I 274

[2] BGE 127 III 389

[3] BGE vom 25. Juli 2018, 4A_321/2018, Erw. 1

[4] Droese/Steck, Basler Kommentar, 6.A., Art. 450a ZGB N. 22

[5] Rosch, Basler Kommentar, 6.A., Art. 419 ZGB N. 1a

[6] Rosch, Art. 419 ZGB N. 1b

[7] Rosch, Art. 419 ZGB N. 11

[8] Rosch, Art. 419 ZGB N. 12

[9] Rosch, Art. 419 ZGB N. 16a

[10] Häfeli, in: FamKommentar Erwachsenenschutz (Hrsg.: Büchler/Häfeli/Leuba/Stettler), Bern 2013, Art. 419 ZGB N. 7

[11] Biderbost, in: FamKommentar Erwachsenenschutz (Hrsg.: Büchler/Häfeli/Leuba/Stettler), Bern 2013, Art. 416 ZGB N. 21

[12] Vogel, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht (Hrsg.: Breitschmid/Jungo), 3.A., Art. 416-417 ZGB N. 3

[13] Vogel, Art. 416-417 ZGB N. 12

[14] Vgl. Biderbost, in: Fachhandbuch Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (Hrsg.: Fountoulakis/Affolter-Fringeli/Biderbost/Steck), Zürich/Basel/Genf 2016, N. 8.328

[15] Vgl. Kieser/Lendfers, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht Zeitraum Juli 2017 bis und mit Juli 2018, in: JaSo 2019 (Hrsg.: Kieser/Lendfers), Zürich/St. Gallen 2019, S. 32, wonach der wohl häufigste Fall der Pflege der betagten eigenen Eltern meist nicht unter die Verwandtenunterstützungspflicht nach Art. 328 Abs. 1 ZGB fällt.

[16] EVGE vom 15. Dezember 1997, H 121/97, Erw. 3, in: AHI-Praxis 3/1998 S. 153, wonach die vier Jahre andauernde Pflege einer hochbetagten dementen Mutter durch die Tochter weit über das unter dem Titel Verwandtenunterstützungspflicht zu Erwartende hinausgeht.

[17] Biderbost, Fachhandbuch, N. 8.350

[18] Biderbost, Fachhandbuch, N. 8.351

[19] Vogel, Art. 416-417 ZGB N. 2a, nennt beispielsweise die Kündigung von Wohnräumlichkeiten oder die Liquidation des Haushalts.

[20] Biderbost, Fachhandbuch, N. 8.353

[21] Biderbost, Fachhandbuch, N. 8.356

[22] Biderbost, Fachhandbuch, N. 8.358

[23] Biderbost, FamKommentar, Art. 416 ZGB N. 40

[24] Biderbost, Fachhandbuch, N. 8.350

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