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RBOG 2021 Nr. 1

Festlegung der zumutbaren Arbeitstätigkeit bei Kinderbetreuung ohne Obhut; keine Korrektur des vorinstanzlichen Entscheids bei einer geringfügigen Abweichung beim Bedarf im Rahmen der Unterhaltsberechnung


Art. 133 (Art. 156 aZGB) ZGB, Art. 133 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB, Art. 285 ZGB


1. a) Die Berufungsklägerin und der Berufungsbeklagte haben eine gemeinsame Tochter. Die verheirateten Eltern leben getrennt. Die Tochter steht unter der alleinigen Obhut des Berufungsbeklagten. In Abänderung der bestehenden Besuchsregelung räumte das Bezirksgericht der Berufungsklägerin ab 1. August 2020 das Recht ein, die Tochter an einem Nachmittag pro Woche (statt wie zuvor an zwei Nachmittagen) sowie an jedem zweiten Wochenende von Freitagabend bis Sonntagabend zu oder mit sich auf Besuch zu nehmen. Das Bezirksgericht verpflichtete die Berufungsklägerin ab 1. Juli 2019 weiter zu monatlichen Unterhaltszahlungen für die Tochter von Fr. 565.00. Zugleich passte das Bezirksgericht die Unterhaltsverpflichtung des Berufungsbeklagten an.

b) Die Berufungsklägerin erhob dagegen Berufung und beantragte unter anderem, der Berufungsbeklagte sei zu verpflichten, ihr angemessene Unterhaltsbeiträge und angemessenen Kindesunterhalt zu bezahlen.

2. a) Was das Pensum anbelangt, machte die Berufungsklägerin geltend, es sei ihr ab November 2019 aufgrund der Kinderbetreuung lediglich ein Pensum von 50% zumutbar. Indes verkennt die Berufungsklägerin die Bedeutung des von ihr zitierten Bundesgerichtsentscheids[1], wonach dem obhutsberechtigten Elternteil ab der Einschulung des jüngsten Kindes grundsätzlich ein Pensum von 50% zuzumuten ist. Soweit die Berufungsklägerin diese Rechtsprechung zu ihren Gunsten dahingehend auslegen will, dass ihr als nicht obhutsberechtigter Elternteil, der durch die Betreuung des Kindes in zeitlicher Hinsicht gerade nicht wesentlich in der Erwerbsfähigkeit eingeschränkt wird, ebenfalls bloss ein Arbeitspensum von 50% zumutbar sei, ist dies nicht haltbar. Wie die Vorinstanz zu Recht festhielt, ist die Berufungsklägerin lediglich im tatsächlichen Umfang, in dem sie die Tochter unter der Woche betreut, an einer Arbeitstätigkeit verhindert, nämlich an zwei Nachmittagen und damit 20% bis 31. Juli 2020 und ab 1. August 2020 an einem Nachmittag beziehungsweise 10%. Nachdem die Vorinstanz die Arbeitspensen der Berufungsklägerin zu Recht auf 80% und später 90% festlegte, ist der Antrag der Berufungsklägerin auf eine Reduktion der Berufsauslagen und Steuerkosten aufgrund des von ihr behaupteten tieferen massgeblichen Pensums von 50% gegenstandslos. Der von der Vorinstanz errechnete Bedarf und das angerechnete hypothetische Einkommen sind nicht zu beanstanden.

b) Weiter reichte die Berufungsklägerin eine aktuelle Police ihrer Krankenkasse ein, aus der sich eine Prämie ab 1. Januar 2021 von Fr. 366.70 ergibt. Die Vorinstanz berücksichtigte in ihrem Bedarf ab August 2020 einen Betrag von Fr. 355.50 für die Krankenkasse. Im Grundsatz steht einer Berücksichtigung der aktuellen Krankenkassenprämie nichts im Weg. Da sich die Unterhaltsberechnung der Vorinstanz in sämtlichen übrigen Punkten indes als korrekt erweist, ergäbe sich aufgrund der aktuellen Prämie lediglich ein um rund Fr. 10.00 höherer Bedarf der Berufungsklägerin. Weil die Vorinstanz bei der Berufungsklägerin einen Überschuss ab August 2020 von Fr. 1'105.00 errechnete, hätte ein um Fr. 10.00 höherer Bedarf praktisch keinen Einfluss auf den von ihr geschuldeten Kindesunterhalt von Fr. 565.00. Im Übrigen würde bei einer derart marginalen Abweichung eine Korrektur des vorinstanzlichen Entscheids eine Genauigkeit vortäuschen, die im Rahmen der Unterhaltsberechnung, die weitgehend mit Pauschalisierungen und Vereinfachungen arbeitet, tatsächlich nicht besteht. Es wäre daher ohnehin nicht gerechtfertigt, wegen dieser geringfügigen Abweichung den vorinstanzlichen Entscheid zu korrigieren.

Obergericht, 1. Abteilung, 24. Februar / 3. März 2021 ZBS.2020.11


[1] BGE vom 21. September 2018, 5A_384/2018

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