RBOG 2021 Nr. 17
Zeitpunkt, ab dem Amtshandlungen aufzuheben sind, an denen die zum Ausstand verpflichtete Person mitwirkte
1. Das Bundesgericht ordnete den Ausstand des Staatsanwalts im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer an. Letzterer beantragte daraufhin gestützt auf Art. 60 Abs. 1 StPO, es seien sämtliche Amtshandlungen, an denen der Staatsanwalt seit Eröffnung der Strafverfahren direkt oder indirekt mitgewirkt habe oder beteiligt gewesen sei, aufzuheben und aus den Akten zu entfernen. Der bisher zuständige polizeiliche Sachbearbeiter sei von den Strafverfahren abzuziehen. Die Staatsanwaltschaft[1] verfügte, es würden keine Akten oder sonstige Beweismittel, die vor dem 26. November 2019 erhoben worden seien, ausgesondert. Alle Einvernahmen, die nach diesem Datum ohne Mitwirkung des zum Ausstand verpflichteten Staatsanwalts durchgeführt worden seien, verblieben bei den Akten. Der polizeiliche Sachbearbeiter könne nicht vom Fall abgezogen werden.
2. Beschwerdegegenstand dieses Beschwerdeverfahrens bildet die Frage, welche Amtshandlungen, an denen der in den Ausstand versetzte Staatsanwalt mitwirkte, aufzuheben und welche auf solchen Amtshandlungen beruhenden, "kontaminierten" Akten aus dem Untersuchungsdossier zu entfernen sind.
3. a) Amtshandlungen, an denen eine zum Ausstand verpflichtete Person mitgewirkt hat, sind aufzuheben und zu wiederholen, sofern dies eine Partei innert fünf Tagen verlangt, nachdem sie vom Entscheid über den Ausstand Kenntnis erhalten hat[2]. Beweise, die nicht wieder erhoben werden können, darf die Strafbehörde berücksichtigen[3].
b) aa) Art. 60 Abs. 1 und 2 StPO lassen der Staatsanwaltschaft nur einen beschränkten Spielraum. Wiederholt werden müssen alle Verfahrenshandlungen, bei deren Vornahme der Ausstandsgrund bestand. Ein Aufhebungsantrag kann sich gegen Amtshandlungen schlechthin richten, das heisst auch gegen Prozesshandlungen, die nicht in einem formellen Entscheid ergangen und eröffnet worden sind, wie zum Beispiel die Einvernahme von Zeugen. Es handelt sich bei Art. 60 Abs. 1 StPO um eine Spezialbestimmung, welche die Aufhebung und Wiederholung von Amtshandlungen im weitesten Sinn ermöglicht, wenn ein Ausstandsgrund vor Abschluss oder während des laufenden Verfahrens vor der betreffenden Instanz entdeckt wird. Weil der Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht formeller Natur ist, ist die Amtshandlung unabhängig von der materiellen Anspruchsbegründung aufzuheben, wenn das Ausstandsbegehren und das Gesuch um Aufhebung der Amtshandlung rechtzeitig gestellt worden sind. Daher kann es grundsätzlich auch nicht darauf ankommen, ob sich die Handlungen tatsächlich auf den Verfahrensausgang auswirken könnten oder ausgewirkt haben. Aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts und der formellen Natur der Ausstandspflicht kann nur ausnahmsweise auf die Aufhebung und die Wiederholung verzichtet werden, wenn es darum geht, sinnlose und für die Parteien unverständliche Leerläufe zu vermeiden. Eine Beurteilung im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände mit dem Ziel, einen möglichst sachgerechten Ausgleich zwischen der Verfahrensgerechtigkeit einerseits und der Verwaltungseffizienz anderseits zu schaffen, ist – anders als im Verwaltungsverfahren, das keine Regelung über die Konsequenzen bei der Mitwirkung einer ausstandspflichtigen Person kennt – ausgeschlossen[4].
bb) Die Staatsanwaltschaft entscheidet in Anwendung von Art. 60 Abs. 2 StPO die Frage, ob bestimmte Beweise trotz des bestehenden Ausstandsgrunds weiterhin zu berücksichtigen seien, weil sie nicht wieder erhoben werden können. Allerdings ist die antizipierte Würdigung, eine Wiederholung sei nicht möglich, nur in äusserst klaren Fällen zulässig. Bestehen Zweifel, so ist vorab von der Nichtverwertbarkeit des Beweismittels auszugehen, und es muss versucht werden, die Beweiserhebung durchzuführen. Erst wenn klar feststeht, dass eine Wiederholung tatsächlich nicht erfolgen kann, hat die Verfahrensleitung einen Entscheid über die Verwertbarkeit des entsprechenden Beweismittels zu treffen[5].
4. a) Umstritten ist in erster Linie, ab welchem Zeitpunkt die Amtshandlungen aufzuheben sind: Die Staatsanwaltschaft bezeichnete als Stichtag den 26. November 2019 und erwog, das Bundesgericht habe im Ausstandsentscheid als "faktisch letzten Baustein zur Bildung einer Summe aller zu beanstandenden Verhaltensweisen" für die Annahme des Anscheins der Befangenheit eine Äusserung des Staatsanwalts vom 26. November 2019 ("Torpedierung des Strafverfahrens") angenommen. Demgegenüber verlangte der Beschwerdeführer die Aufhebung der Amtshandlungen (formal) ab der Eröffnung des Verfahrens, konkret und substantiiert indessen (erst) ab dem 12. März 2019. Auch der Beschwerdeführer berief sich auf das Bundesgericht, das mehrere Verfahrenshandlungen beanstandet und daraus den Schluss gezogen habe, dass "die Summe aller zu beanstandenden Verhaltensweisen objektiv den Anschein von Befangenheit wecke". Es stellten somit alle beanstandeten Verfahrenshandlungen gleichwertige Faktoren des Befangenheitsanscheins dar. Deshalb seien sämtliche Verfahrenshandlungen mindestens ab dem Zeitpunkt der Übermittlung des Fragenkatalogs (12. März 2019) mit dem Anschein der Befangenheit behaftet. Die Staatsanwaltschaft ihrerseits betonte ebenfalls den Umstand, dass das Bundesgericht für die Gutheissung des Ausstandsgesuchs explizit nur auf die Gesamtumstände abgestellt und in Bezug auf die einzelnen gerügten Momente gerade noch keine Befangenheit angenommen habe. Dementsprechend könne auch nur eine Aufhebung solcher Verfahrenshandlungen zur Debatte stehen, die zu einem Zeitpunkt vorgenommen worden seien, als ein Anschein von Befangenheit aufgrund der "Summe aller zu beanstandenden Verhaltensweisen" vorgelegen habe. Dabei bezog die Staatsanwaltschaft auch das Verhalten des Beschwerdeführers ein, der erst am 16. Dezember 2019 ein Ausstandsgesuch gestellt habe. Der Beschwerdeführer habe sich - so die Staatsanwaltschaft - ausdrücklich auf die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft vom 6. Dezember 2019 (welche ihm am 9. Dezember 2019 zugestellt worden sei) gestützt, womit erstellt sei, dass er die früheren Amtshandlungen damals gerade nicht als hinreichenden Anlass für ein Ausstandsgesuch eingestuft habe. Dementsprechend komme eine Aufhebung von Amtshandlungen auch erst für den Zeitraum ab dem 16. Dezember 2019 in Frage.
b) Das Gesetz[6] bezeichnet das Ausmass der Aufhebungen nicht näher. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung[7] sind indessen nur diejenigen Verfahrenshandlungen aufzuheben und zu wiederholen, die nach dem Vorkommnis erfolgten, das den Ausstand begründete. Nichts Anderes ergibt sich aus der Lehre[8]: Anfechtbar sind Amtshandlungen ab dem Zeitpunkt des Vorliegens des Ausstandsgrunds. Demgegenüber sind Ergebnisse von Amtshandlungen, die in der Zeit "vor" Eintritt des Ausstandsgrunds vorgenommen wurden und ihren Niederschlag in den Strafakten gefunden haben, von der Befangenheit nicht betroffen und deshalb nach wie vor gültig. Wiederholt werden müssen demnach nur diejenigen Amtshandlungen, bei deren Vornahme der Ausstandsgrund schon bestand beziehungsweise die nach dem den Ausstand begründenden Ereignis erfolgten. Dies erweist sich so lange als unproblematisch, als der Ausstand auf eine bestimmte Verfahrenshandlung zurückzuführen ist. Liegt dem Ausstand aber eine Mehrzahl von Einzelhandlungen zugrunde, muss die für die Ausscheidung zuständige Behörde in Berücksichtigung der konkreten Umstände entscheiden, ab welchem Zeitpunkt die Mitwirkung der vom Ausstand betroffenen Person am Verfahren nicht mehr zulässig war[9]. Das Bundesgericht[10] räumt dabei der zuständigen Behörde einen Ermessensspielraum ein, um den gesamten Umständen des Einzelfalls gerecht zu werden.
c) aa) Das Bundesgericht bezeichnete im Ausstandsentscheid den Zeitpunkt nicht, ab dem eine Befangenheit des Staatsanwalts anzunehmen ist. Vielmehr prüfte das Bundesgericht zunächst die verschiedenen geltend gemachten Ausstandsgründe und stellte anschliessend fest, dass mehrere Vorwürfe nicht unbegründet seien. Der Staatsanwalt habe sich mitunter nicht nur ungeschickt verhalten, sondern bei seinen Untersuchungen auch nicht die erforderliche Unparteilichkeit erkennen lassen. Ob die einzelnen Verhaltensweisen - so das Bundesgericht weiter - derart schwer wiegen würden, dass sie jeweils für sich allein als krasses Fehlverhalten einen Ausstandsgrund schaffen würden, könne dahingestellt bleiben. Jedenfalls erwecke die Summe aller zu beanstandenden Verhaltensweisen objektiv den Anschein von Befangenheit. Demzufolge stufte das Bundesgericht keinen der geltend gemachten Ausstandsgründe ausdrücklich als besonders schwer oder krasses Fehlverhalten ein. Gemäss Beurteilung des Obergerichts wiegt keiner dieser Ausstandsgründe so schwer, dass er allein zum Ausstand führt.
bb) Bei dieser Ausgangslage ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt desjenigen Ausstandsgrunds abzustellen, der im Rahmen einer Gesamtwürdigung zur Annahme der Befangenheit führte. Für ein solches Vorgehen gibt es ein höchstrichterliches Präjudiz: So ergibt sich aus BGE 141 IV 178 zusammengefasst, die Beschwerdegegner (Staatsanwältin und Staatsanwalt) hätten zahlreiche und teilweise krasse Verfahrensfehler begangen. Hinzu komme die unangebrachte Bemerkung der Staatsanwältin zu Beginn der Einvernahme vom 28. November 2013. In der Summierung wiege dies schwer. Demzufolge seien die Beschwerdegegner - so das Bundesgericht in diesem Entscheid - ab ihrem zu beanstandenden Vorgehen in der Einvernahme vom 28. November 2013 zum Ausstand verpflichtet. Wenn das Bundesgericht in einem Fall mit zahlreichen und teilweise krassen Verfahrensfehlern für die Festlegung des Zeitpunkts der Befangenheit gleichsam auf den "Tropfen" abstellte, der das Fass zum Überlaufen brachte, muss dies im vorliegenden Verfahren ebenfalls gelten, in dem vier Verhaltensweisen zur Diskussion stehen, die insgesamt zur Annahme der Befangenheit führten, ohne dass das Bundesgericht bei der Prüfung dieser vier Punkte je von einem krassen Fehlverhalten gesprochen hätte. Bei einer Würdigung der geltend gemachten Ausstandsgründe stellten hier frühestens die Ausführungen des Staatsanwalts in der Beschwerdeduplik vom 26. November 2019, mit denen er den Eindruck erweckte, er bekunde Schwierigkeiten mit der Unschuldsvermutung beziehungsweise dem Verbot zum Selbstbelastungszwang[11], zusammen mit den zeitlich davor liegenden "nicht unbegründeten" Vorwürfen, eine genügende Grundlage für die Annahme einer Befangenheit dar, zumal es sich hiebei um zentrale strafprozessuale Prinzipien[12] handelt, die für jeden Staatsanwalt eine Selbstverständlichkeit sein sollten.
cc) Die Staatsanwaltschaft wies in diesem Zusammenhang zu Recht auch auf das Verhalten des Beschwerdeführers hin, weil Ausstandsgründe gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO ohne Verzug geltend zu machen sind. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gebieten es der Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Verbot des Rechtsmissbrauchs[13], einen echten oder vermeintlichen Ausstandsgrund so früh wie möglich vorzubringen[14]. Der Beschwerdeführer verlangte indessen erst mit Gesuchen vom 14. Dezember 2019 an die Staatsanwaltschaft und vom 16. Dezember 2019 an das Obergericht den Ausstand des Staatsanwalts. Dabei stellte das Ausstandsgesuch eine Reaktion auf die Nichtanhandnahmeverfügung vom 6. Dezember 2019 dar, mit der die Staatsanwaltschaft die vom Beschwerdeführer mit verschiedenen Strafanzeigen gegen mehrere Personen geforderte Untersuchung nicht anhand genommen hatte. Der Beschwerdeführer führte im Ausstandsgesuch aus, die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in der Nichtanhandnahmeverfügung vom 6. Dezember 2019 zeigten endgültig, dass sie nicht mehr unparteiisch sei, wobei sich der Beschwerdeführer mit den einzelnen von ihm gerügten Ausführungen befasste. Weiter machte der Beschwerdeführer geltend, seine Vorverurteilung und die Voreingenommenheit des Staatsanwalts ergebe sich auch aus der Beschwerdeduplik vom 26. November 2019. Gemäss den Ausführungen in jener Rechtsschrift bewerte die Staatsanwaltschaft die legitime Ergreifung von Rechtsmitteln als gesetzwidriges Verhalten und Schuldbekenntnis. Wörtlich hatte die Staatsanwaltschaft in der Eingabe vom 26. November 2019 ausgeführt: "Die Tatsache, dass der Beschuldigte nichts unversucht lässt, um die Untersuchung zu torpedieren, ist deshalb letztlich ein Belastungsindiz, das zur Verdichtung des Tatverdachts beiträgt". Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass diejenigen Vorfälle, die der Beschwerdeführer in diesem Beschwerdeverfahren als besonders schwerwiegend und somit für den Beginn der Befangenheit als massgeblich bezeichnete, namentlich die Zustellung des Fragenkatalogs vom 12. März 2019 an den Rechtsvertreter einer als Organ der Privatklägerin vorgeladenen Auskunftsperson, im Ausstandsgesuch noch kein zentrales Thema bildeten; vielmehr wurden diese Ereignisse lediglich in den Vorbemerkungen des Schriftsatzes als "Ungereimtheiten" genannt. Das Abstellen auf frühestens den 26. November 2019 entspricht somit auch dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie dem Verbot des Rechtsmissbrauchs[15].
d) Mit Blick auf die Beurteilung der geltend gemachten Ausstandsgründe, die Erwägungen des Bundesgerichts zum Ausstand des Staatsanwalts, dem Präjudiz in BGE 141 IV 178 sowie dem Verhalten des Beschwerdeführers kommen der 6. Dezember 2019 (wegen der Ausführungen der Staatsanwaltschaft in der gleichentags ergangenen Nichtanhandnahmeverfügung) oder der 26. November 2019 (wegen der Ausführungen der Staatsanwaltschaft in der Beschwerdeduplik) als massgebliche Zeitpunkte für den Beginn der Befangenheit des Staatsanwalts in Frage. Weil aber die Staatsanwaltschaft den 26. November 2019 als Stichtag anerkannte, braucht nicht entschieden zu werden, ob allenfalls nicht doch erst ab 6. Dezember 2019 von Befangenheit auszugehen ist.
5. a) Somit steht fest, dass grundsätzlich (nur) die Amtshandlungen aufzuheben und zu wiederholen sind, welche ab dem 26. November 2019 erfolgten; soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung von Amtshandlungen verlangte, die "vor" diesem Zeitpunkt vorgenommen wurden, ist die Beschwerde abzuweisen. Zu prüfen bleibt indessen, ob vom Grundsatz, wonach Amtshandlungen ab dem 26. November 2019 aufzuheben sind, Ausnahmen zu machen sind. Gemäss Staatsanwaltschaft soll für die Einvernahmen des polizeilichen Sachbearbeiters eine Ausnahme bestehen, mithin sollen die entsprechenden Einvernahmeprotokolle nicht aus den Akten entfernt werden.
b) aa) Die Tragweite von Art. 60 Abs. 1 StPO ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung, wonach sämtliche durch die Befangenheit "kontaminierten" Akten und Amtshandlungen aus dem Verfahren zu entfernen sind, um der beschuldigten Person ein faires Verfahren zu garantieren[16]. Entsprechend sieht Art. 60 Abs. 1 StPO die Aufhebung und Wiederholung aller Amtshandlungen vor, an denen eine zum Ausstand verpflichtete Person mitwirkte; dies gilt auch für delegierte Amtshandlungen.
bb) Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte führen im Untersuchungsverfahren die Beweiserhebung grundsätzlich selber durch[17]. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung mit ergänzenden Ermittlungen beauftragen. Sie erteilt ihr dazu schriftliche, in dringenden Fällen mündliche Anweisungen, die sich auf konkret umschriebene Abklärungen beschränken[18]. Die Tätigkeit der Polizei im Untersuchungsverfahren setzt folglich einen klaren Auftrag durch die Staatsanwaltschaft voraus und impliziert in diesem Sinn auch deren Mitwirkung an den Beweiserhebungen. Dabei können die Anweisungen und Absprachen mehr oder weniger detailliert ausfallen, was nicht nur vom konkret untersuchten Fall, sondern auch von der Persönlichkeit und von den Fachkenntnissen des verfahrensleitenden Staatsanwalts (und des beauftragten Polizeibeamten) abhängt. Weil es aber häufig gar nicht möglich ist herauszufinden, wie intensiv die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft war, kann der Detaillierungsgrad des konkreten Auftrags an die Polizei kein Kriterium sein. Somit sind Abklärungen, welche die Staatsanwaltschaft in Auftrag gab, auf Antrag einer Partei als Ergebnisse "kontaminierter" Amtshandlungen aus den Akten zu entfernen und zu wiederholen; gleiches gilt für Polizeiberichte, die delegierte Einvernahmen referieren.
c) Gestützt auf diese Erwägungen zum Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei erweist sich im angefochtenen Entscheid die (implizite) Abweisung des Aussonderungsgesuchs in Bezug auf die Einvernahmen des "ausgewiesenen Spezialisten der Kantonspolizei" nach dem 26. November 2019 als nicht haltbar. Auch "Spezialisten der Polizei" handeln im Untersuchungsverfahren im Auftrag der Staatsanwaltschaft und implizieren damit deren Mitwirkung. Sollte es faktisch indessen so gewesen sein, dass der "Spezialist der Kantonspolizei" gleichsam ohne Auftrag oder Rücksprache mit dem verfahrensleitenden Staatsanwalt, mithin auf eigene Faust, handelte, ändert dies nichts daran, dass die Verantwortung bei der Staatsanwaltschaft lag und sich diese die Tätigkeiten des polizeilichen Sachbearbeiters anrechnen lassen muss. Mit anderen Worten kann daraus nichts zuungunsten des Beschwerdeführers abgeleitet werden, andernfalls der Anspruch gemäss Art. 60 Abs. 1 StPO auf Aufhebung respektive Aussonderung ausgehebelt würde.
d) Die Beschwerde ist somit in diesem Punkt zu schützen, womit (auch) die Einvernahmen des polizeilichen Sachbearbeiters, welche ab dem 26. November 2019 erfolgten, aus den Akten zu entfernen sind.
Obergericht, 2. Abteilung, 20. April 2021, SW.2020.119
Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht am 14. Dezember 2021 nicht ein (1B_324/2021).
[1] In anderer Besetzung
[2] Art. 60 Abs. 1 StPO
[3] Art. 60 Abs. 2 StPO
[4] RBOG 2016 Nr. 26 S. 256
[5] RBOG 2016 Nr. 26 S. 255
[6] Art. 60 Abs. 1 und 2 StPO
[7] BGE vom 6. Oktober 2017, 1B_246/2017, Erw. 4.1 mit Hinweis auf BGE 141 IV 186
[8] Keller, in: Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung (Hrsg.: Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers), 3.A., Art. 60 N. 3; Boog, Basler Kommentar, 2.A., Art. 60 StPO N. 1; Schmid, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 3.A., N. 530; Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4.A., N. 195
[9] Oberholzer, N. 195 mit Hinweis auf BGE vom 6. Oktober 2017, 1B_246/2017, Erw. 4
[10] BGE vom 6. Oktober 2017, 1B_246/2017, Erw. 4.1
[11] "Nemo tenetur"; Die problematische Passage in der Beschwerdeduplik der Staatsanwaltschaft lautete wie folgt: "Die Tatsache, dass der Beschuldigte nichts unversucht lässt, um die Untersuchung zu torpedieren, ist letztlich ein Belastungsindiz, das zur Verdichtung des Tatverdachts beiträgt."
[12] Art. 32 Abs. 1 BV; Art. 10 Abs. 1 StPO
[13] Art. 9 BV; Art. 3 Abs. 2 lit. a und b StPO
[14] BGE vom 6. September 2018, 6B_297/2018, Erw. 3.3
[15] Art. 9 BV; Art. 3 Abs. 2 lit. a und b StPO
[16] TPF vom 25. Oktober 2012, BB.2012.118/119, Erw. 2.3
[17] Art. 311 Abs. 1 Satz 1 StPO; Landshut/Bosshard, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung (Hrsg.: Donatsch/Hansjakob/Lieber), 2.A., Art. 311 N. 4; Oberholzer, N. 1816 f.
[18] Art. 312 Abs. 1 StPO