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RBOG 2023 Nr. 21

Anforderungen an ein Laiengesuch um provisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts

Art. 55 Abs. 1 ZPO Art. 221 Abs. 1 lit. d ZPO Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB Art. 839 Abs. 2 ZGB Art. 249 lit. d Ziff. 5 ZPO Art. 253 ZPO

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die anwaltlich nicht vertretene Berufungsbeklagte ersuchte das Bezirksgericht um vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zulasten eines Grundstücks der Berufungsklägerin. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts hiess das Gesuch gut, wogegen die Berufungsklägerin Berufung erhob.

Aus den Erwägungen:

[…]

2.

2.1.

Gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht ein Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandrechts für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, an diesem Grundstück, sei es, dass sie den Grundeigentümer, einen Handwerker oder Unternehmer, einen Mieter, einen Pächter oder eine andere am Grundstück berechtigte Person zum Schuldner haben.

Die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts in das Grundbuch hat laut Art. 839 Abs. 2 ZGB bis spätestens vier Monate nach der Vollendung der Arbeit zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist nach dieser Bestimmung genügt es, dass der Handwerker oder Unternehmer gegen den Grundeigentümer die provisorische oder superprovisorische richterliche Anordnung einer vorläufigen Eintragung in Gestalt einer Vormerkung gemäss Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB erwirkt[1].

2.2.

Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des Anspruchs auf provisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nur – aber immerhin – glaubhaft zu machen, wobei an die Glaubhaftmachung weniger strenge Anforderungen gestellt werden, als es diesem Beweismass, das auch für vorsorgliche Massnahmen gilt[2], sonst entspricht[3]. Aufgrund der besonderen Interessenlage darf die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts als ausgeschlossen erscheint oder höchst unwahrscheinlich ist; im Zweifelsfall – bei unklarer oder unsicherer Rechtslage – ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem ordentlichen Richter zu überlassen[4].

2.3.

Über eine provisorische (vorläufige) Eintragung wird im summarischen Verfahren entschieden. Grundsätzlich findet nur ein Schriftenwechsel statt[5]. Das schliesst jedoch nicht aus, dass mit der gebotenen Zurückhaltung ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet werden kann, wenn er sich nach den Umständen als erforderlich erweist. Auch ändert die Beschränkung auf einen einfachen Schriftenwechsel nichts daran, dass den Parteien gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 Abs. 1 und 2 BV das Recht zusteht, zu jeder Eingabe der Vorinstanz oder der Gegenpartei Stellung zu nehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese neue und erhebliche Gesichtspunkte enthält[6]. Grundsätzlich tritt der Aktenschluss nach einmaliger Äusserung ein[7]. Ordnet das Gericht ausnahmsweise einen zweiten Schriftenwechsel an, sind darin unbeschränkt Noven zulässig; der Aktenschluss tritt diesfalls erst mit dem zweiten Schriftenwechsel ein[8]. Bei alledem hat das Gericht eindeutig anzugeben, ob es einen formellen zweiten Schriftenwechsel anordnet oder lediglich das Replikrecht gewährt[9].

2.4.

Nach Art. 55 Abs. 1 ZPO haben unter der Geltung der Verhandlungsmaxime die Parteien dem Gericht die Tatsachen darzulegen, auf die sie ihre Begehren stützen, und die Beweismittel anzugeben. Welche Tatsachen wie weit zu behaupten und zu substantiieren sind, damit sie unter die massgeblichen Bestimmungen des materiellen Rechts subsumiert werden können, bestimmt das materielle Bundesrecht. Die jeweiligen Anforderungen ergeben sich einerseits aus den Tatbestandsmerkmalen der angerufenen Norm und anderseits aus dem prozessualen Verhalten der Gegenpartei[10]. Eine Tatsachenbehauptung braucht nicht alle Einzelheiten zu enthalten. Der Behauptungslast ist Genüge getan, wenn die Parteien die Tatsachen, die unter die massgeblichen Normen zu subsumieren sind, in allgemeiner, den Gewohnheiten des Lebens entsprechender Weise in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen benennen[11]. Ein dergestalt vollständiger Tatsachenvortrag wird als schlüssig bezeichnet, denn bei Unterstellung, er sei wahr, lässt er den Schluss auf die verlangte Rechtsfolge zu. Bestreitet der Prozessgegner den schlüssigen Tatsachenvortrag der behauptungsbelasteten Partei, greift eine über die Behauptungslast hinausgehende Substantiierungslast. Diesfalls sind die Vorbringen nicht nur in ihren Grundzügen, sondern in Einzeltatsachen zergliedert so umfassend und klar darzulegen, dass darüber Beweis abgenommen oder dagegen der Gegenbeweis angetreten werden kann[12]. Sieht das Gericht den Sachvortrag einer solchen Partei als nicht hinreichend substantiiert an, gilt der Tatsachenvortrag der Gegenseite als anerkannt, und zwar in der Regel, ohne dass ein Beweisverfahren durchgeführt wird. Daran vermögen auch prozesskonform gestellte Beweisanträge, etwa auf Beizug eines Sachverständigen, nichts zu ändern, denn fehlende tatsächliche Darlegungen lassen sich nicht im Rahmen des Beweisverfahrens ersetzen[13].

2.5.

Gemäss Art. 52 ZPO haben alle am Verfahren beteiligten Personen nach Treu und Glauben zu handeln. Diese Bestimmung richtet sich nicht nur an die Parteien und ihre Vertreter, sondern auch an die Richter des konkreten Verfahrens. Für die Gerichte ergibt sich die Pflicht des Handelns nach Treu und Glauben bereits aus verfassungsrechtlichen Vorgaben beziehungsweise Art. 9 BV und ist von Amtes wegen anzuwenden, wobei keine besondere Einrede erhoben werden muss[14].

Überspitzter Formalismus stellt eine besondere Form der Rechtsverweigerung nach Art. 29 Abs. 1 BV dar und liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und den Rechtssuchenden den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt[15].

In einem einfachen und dringenden Summarverfahren wie demjenigen betreffend die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts muss es – insbesondere für einen Laien – genügen, im Gesuch deutlich auf die Beilage in demjenigen Zusammenhang hinzuweisen, auf den sie sich beziehen soll, ohne dass deren Inhalt noch umfassend im Gesuch wiedergegeben werden müsste (vgl. Art. 252 ZPO)[16]. Es muss ein problemloser Zugriff auf die Beilagen gewährleistet sein, und es darf kein Interpretationsspielraum bestehen. Die Informationen müssen ohne Weiteres zugänglich sein und nicht zusammengesucht werden müssen[17]. Demnach ist bei einem Verweis auf Beilagen als Faustregel zu prüfen, ob die Gegenpartei und das Gericht die notwendigen Informationen erhalten, und ob die Informationen in den Beilagen (Rechnungen, Gutachten, Berichte etc.) klar und vollständig sind, oder ob sie noch recherchiert werden müssen. Zusammengefasst muss ein einfacher Zugriff auf die Informationen vorliegen und die Beilage selbsterklärend sein sowie keinen Interpretationsspielraum zulassen.

3.

3.1.

Die Berufungsklägerin führte aus, die Vorinstanz verkenne den Unterschied zwischen Behaupten, Substantiieren, substantiiertem Bestreiten und Glaubhaftmachen. Die Berufungsbeklagte hätte die Obliegenheit gehabt, ihre Behauptungen bereits im Gesuch vor Vorinstanz genau zu substantiieren, weil sich im summarischen Verfahren grundsätzlich bereits nach der ersten Eingabe die Novenschranke senke, falls kein zweiter Schriftenwechsel angeordnet werde. Die Vorinstanz habe keinen zweiten Schriftenwechsel angeordnet. Die Berufungsbeklagte habe es unterlassen, in ihrem Gesuch das Vertragsverhältnis und ihre pfandberechtigten Leistungen zu substantiieren. Die Berufungsbeklagte könne keinen Laienbonus beanspruchen, wenn sie vor Vorinstanz nicht anwaltlich vertreten gewesen sei und für ihr Gesuch ein Formular benutzt habe. Zudem habe sie dieses Formular auch nicht vollständig ausgefüllt. Die Vorinstanz habe unzulässigerweise aus den von der Berufungsbeklagten eingereichten Beilagen massgebende Tatsachen herausgelesen und zusammengesucht. Das Gesuch der Berufungsbeklagten genüge den Anforderungen an eine ausreichende Substantiierung angesichts der Bestreitungen der Berufungsklägerin in ihrer Stellungnahme vor Vorinstanz nicht.

3.2.

3.2.1.

Die Vorinstanz ordnete keinen formellen zweiten Schriftenwechsel an, sondern stellte der Berufungsbeklagten die Stellungnahme der Berufungsklägerin lediglich mittels Stempelverfügung "zur allfälligen fakultativen Stellungnahme" zu. Von diesem Replikrecht machte die Berufungsbeklagte keinen Gebrauch. Insofern ist lediglich auf das per Formular eingereichte Gesuch der Berufungsbeklagten abzustellen, worin sie auf die mit diesem Gesuch eingereichten Beilagen verwies.

3.2.2.

Die Berufungsbeklagte trägt die Behauptungs-, Substantiierungs- und Beweislast dafür, dass sie betreffend das streitbetroffene Grundstück bestimmte pfandberechtigte Arbeiten verrichtete; auch trägt sie die entsprechende Last für den Bestand und die Höhe einer Vergütungsforderung. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch – entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin – zu berücksichtigen, dass die Berufungsbeklagte als Laiin und ohne Beizug eines Rechtsvertreters ein auf der Homepage des Bezirksgerichts zu findendes Formular für die Gesuchstellung verwendete. Darin findet sich kein Hinweis, dass sämtliche Felder zwingend (und detailliert) auszufüllen sind und der Inhalt allfälliger Beilagen in das Formular übertragen werden muss, ansonsten das Gesuch abgewiesen werde. Diesem Umstand ist im Folgenden im Sinn von Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des Verbots des überspitzten Formalismus Rechnung zu tragen.

Die von der Berufungsbeklagten eingereichten Beilagen sind überschaubar. Es handelt sich um einen digitalen Grundbuchauszug mit Katasterplan, eine Aufstellung "Debitoren Offene Posten" mit fünf aufgelisteten Rechnungen an die A AG, fünf Rechnungen der Berufungsbeklagten an die A AG sowie vier Mahnungen der Berufungsbeklagten an die A AG.

3.2.3.

Wo die Berufungsbeklagte den Inhalt ihrer Beilagen nicht oder kaum im Formulargesuch wiedergab, ist nachfolgend jeweils bei den zu beurteilenden Fragen einzeln zu prüfen, ob ein problemloser Zugriff auf die Beilagen gewährleistet ist, oder ob die Informationen daraus zusammengesucht werden müssen.

4.

4.1.

4.1.1.

Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass die Berufungsbeklagte zwar keinen zwischen ihr und der A AG geschlossenen Werkvertrag vorgelegt habe. Allerdings sei es aufgrund der eingereichten Beilagen, mithin der Auflistung offener Debitorenposten, der Rechnungen und der Mahnungen, zumindest nicht höchst unwahrscheinlich, dass zwischen der Berufungsbeklagten und der A AG ein Werkvertrag vorliege, der die in den Rechnungen genannten Werklohnforderungen beinhalte. Für den Beizug von Subunternehmern sei zudem keine besondere Zustimmung der Grundstückseigentümerin erforderlich.

4.1.2.

Die Berufungsklägerin führte aus, die Berufungsbeklagte wolle mit der A AG einen oder mehrere Verträge für die behaupteten Leistungen abgeschlossen haben. Die Berufungsbeklagte habe es aber unterlassen zu substantiieren, dass und welchen Vertrag oder welche Verträge mit welchem Inhalt sie bezüglich des streitbetroffenen Grundstücks abgeschlossen und welche Leistungen sie in diesem Zusammenhang erbracht habe. Die Berufungsklägerin habe die diesbezüglichen, sinngemässen Ausführungen der Berufungsbeklagten in ihrer vorinstanzlichen Stellungnahme bestritten. Die Vorinstanz hätte nicht einfach in die von der Berufungsbeklagten eingereichten Rechnungen hineininterpretieren dürfen, dass die Berufungsbeklagte mit der A AG einen Werkvertrag geschlossen und mit Zustimmung der Berufungsklägerin überhaupt Leistungen auf dem streitbetroffenen Grundstück erbracht habe, für die sie das Bauhandwerkerpfandrecht geltend mache.

4.2.

Die Handwerker und Unternehmer sind regelmässig aus Werkvertrag oder Werklieferungsvertrag zu einem Entgelt berechtigt. Auf die Vertragsart kommt es indessen für das Bauhandwerkerpfandrecht nicht an; entscheidend ist die Art der Bauleistung[18]. Der Werkbesteller oder Auftraggeber muss grundsätzlich der Grundeigentümer oder ein Unternehmer sein. Werkbestellungen durch Mieter, Pächter oder andere am Grundstück berechtigte Personen begründen nur dann einen Anspruch auf ein Bauhandwerkerpfandrecht, wenn sie mit (vorgängiger) Einwilligung oder (nachträglicher) Genehmigung des Grundeigentümers[19] erfolgt sind. Von der Zustimmung des Grundeigentümers müssen nur die fraglichen Arbeiten (jedoch lediglich in genereller Weise), nicht jedoch der konkrete Vertragsabschluss und damit auch nicht die Person des Unternehmers erfasst sein. Weiter genügt es, dass die Zustimmung gegenüber dem Mieter, Pächter oder der anderen am Grundstück berechtigten Person erfolgt. Das heisst, eine Zustimmung zu Handen des Unternehmers ist nicht erforderlich. Die Zustimmung des Grundeigentümers kann sodann formfrei erfolgen[20]. Nimmt der Grundeigentümer die Ausführungen von Arbeiten zur Kenntnis und duldet er sie widerspruchslos, liegt eine konkludente Zustimmung vor[21].

Die Vergütungsforderung der Subunternehmer richtet sich nicht gegen den Erst-Besteller, sondern gegen den Unternehmer (oft einen General- oder Totalunternehmer), der in diesem Verhältnis Werkbesteller und Schuldner des Werklohns ist. Für ihre Forderung steht den Subunternehmern ein selbstständiger Anspruch auf Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts an demjenigen Grundstück zu, für das sie ihre Leistung erbracht haben. Der Anspruch der Subunternehmer auf Pfandbestellung besteht sogar dann, wenn deren Beizug vertragswidrig war[22].

4.3.

4.3.1.

Zutreffend ist, dass aus dem Formulargesuch der Berufungsbeklagten um vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts die Vertragspartnerin der Berufungsbeklagten nicht hervorgeht, da sie im Formular das entsprechende Feld "Besteller/in" nicht ausfüllte. Unter Art und Umfang der letzten Arbeit ist "Betonlieferungen" vermerkt. Die fünf eingereichten Rechnungen (alle mit dem Vermerk "Baustelle: [Bezeichnung und Adresse des streitbetroffenen Grundstücks]") sowie die beigelegten vier Mahnungen sind allesamt an die A AG adressiert.

4.3.2.

Die Berufungsklägerin reichte vor Vorinstanz einen Werkvertrag ein. Dieser führt die Berufungsklägerin als Bauherrin, die B GmbH als Totalunternehmerin und die A AG als Unternehmerin für Baumeisterarbeiten auf.

4.3.3.

Insofern geht aus den von beiden Parteien vor Vorinstanz eingereichten Akten hervor, dass die A AG in die Bauarbeiten auf dem streitbetroffenen Grundstück involviert war, einerseits als von der Berufungsklägerin beziehungsweise der Totalunternehmerin B GmbH für Baumeisterarbeiten beauftragte Unternehmerin und andererseits als Empfängerin der Rechnungen der Berufungsbeklagten für die Baustelle auf dem streitbetroffenen Grundstück. Unbestrittenermassen hatte die Berufungsklägerin als Grundeigentümerin Bauarbeiten auf dem streitbetroffenen Grundstück zugestimmt oder in Auftrag gegeben; eine zusätzliche oder explizite Zustimmung der Berufungsklägerin zu einem konkreten Vertragsabschluss eines Unternehmers mit der Berufungsbeklagten als Subunternehmerin oder zur Person der Berufungsbeklagten war nicht erforderlich. Daran ändert auch nichts, wenn der Beizug der Berufungsbeklagten als Subunternehmerin vertragswidrig gewesen wäre.

Bei den angeführten Beilagen, insbesondere den von der Berufungsbeklagten eingereichten fünf Rechnungen, handelt es sich um klare, nicht komplexe und einfach zu verstehende Beweismittel. Insbesondere die Empfängerin der fraglichen Rechnungen, die A AG, und die fragliche Baustelle, für welche die aufgeführten Leistungen verrechnet wurden, nämlich das betroffene Grundstück der Berufungsklägerin, sind auf den ersten Blick erkennbar. Ein Zusammensuchen dieser Informationen ist nicht notwendig, und sie lassen auch keinen Interpretationsspielraum zu. Auch wenn die Berufungsbeklagte diese Informationen aus den Rechnungen nicht oder nicht vollständig in das Formulargesuch übertrug, sind sie in den beigelegten Rechnungen und Mahnungen ohne Weiteres zugänglich. Dementsprechend ist das Zitieren aus den Beilagen der Berufungsbeklagten durch die Vorinstanz – entgegen dem Einwand der Berufungsklägerin – nicht zu beanstanden.

4.3.4.

Damit ist rechtsgenüglich substantiiert, dass die Berufungsbeklagte als Subunternehmerin der A AG auf dem streitbetroffenen Grundstück tätig war. Auch wenn die Berufungsklägerin dies bestreitet, führt dies nicht ohne Weiteres dazu, dass mangels Replik der Berufungsbeklagten das Gesuch abzuweisen wäre. Die Vorinstanz ordnete – wie dargelegt – gemäss dem Grundsatz des einfachen Schriftenwechsels keinen zweiten Schriftenwechsel an, wobei ein solcher im summarischen Verfahren denn auch nur mit der gebotenen Zurückhaltung anzuordnen ist. Ferner müssen die Beweismittel punkto Quantität und Qualität nicht geeignet sein, das Gericht vom Eintragungsanspruch des Unternehmers restlos zu überzeugen: Es genügt, wenn der Pfandeintragungsantrag gestützt darauf nicht als ausgeschlossen oder höchst unwahrscheinlich erscheint[23]. Bei der Würdigung der Beweismittel ist das Gericht frei[24].

4.3.5.

Zusammenfassend erscheint es trotz der vorliegenden Bestreitung durch die Berufungsklägerin keineswegs ausgeschlossen, dass die Berufungsbeklagte als Subunternehmerin der A AG auf dem streitbetroffenen Grundstück tätig war.

4.4.

4.4.1.

In den fünf Rechnungen der Berufungsbeklagten finden sich immer wieder die Begriffe "Pumpbeton", "Transport mit Fahrmischer", "Arbeitszeit Fahrmischer auf Baustelle" sowie diverse Daten zwischen dem 30. November 2022 und dem 20. Februar 2023. Verrechnet wurden Betonlieferungen nach Kubikmetern (m3) und Arbeitszeit nach Minuten. Daraus erschliesst sich, dass die Berufungsbeklagte für die fragliche Baustelle Beton lieferte, mischte und vor Ort einbrachte. Dies stimmt mit dem von der Berufungsbeklagten im Formulargesuch angegebenen Beschrieb der Arbeiten als "Betonlieferungen" überein.

4.4.2.

Die von der Berufungsbeklagten eingereichten Rechnungen stellen klare und nicht komplexe Beweismittel dar. Der Beschrieb der verrechneten Leistungen kann einfach aus den Rechnungen herausgelesen werden, weshalb die Berufungsbeklagte als Laiin nicht verpflichtet war, deren Inhalt in ihr Formulargesuch zu übertragen oder den Inhalt abzuschreiben. Vielmehr kann direkt auf diese schlüssigen und selbsterklärenden Rechnungen abgestellt werden.

Damit hat die Berufungsbeklagte glaubhaft gemacht, dass sie für das streitbetroffene Grundstück Material (Beton) lieferte und diesbezügliche Arbeiten verrichtete, wobei es sich dabei ohne Weiteres um pfandberechtigte Leistungen handelt.

4.5.

4.5.1.

Ferner bestritt die Berufungsklägerin, dass die fünf Rechnungen eine vertragliche Einheit bilden und die Berufungsbeklagte für die Rechnungen einen einheitlichen Fristenlauf beanspruchen kann. Sie verwies auf ihre Ausführungen in der Gesuchsantwort. Dort führte die Berufungsklägerin aus, es bestünden keinerlei Indizien und sie bestreite mit Nichtwissen, dass eine vertragliche Einheit oder ein Sukzessivlieferungsvertrag vereinbart worden sei, und dass zwischen den fünf Rechnungen sowie den behaupteten Lieferungen ein relevanter Zusammenhang bestehe.

Zudem führte die Berufungsklägerin aus, die Berufungsbeklagte habe als Datum der angeblich letzten Arbeiten den 20. Februar 2023 angegeben, dies mit dem Vermerk "Betonlieferungen". Insbesondere angesichts der substantiierten Bestreitung durch die Berufungsklägerin, wonach die Berufungsbeklagte am 20. Februar 2023 überhaupt Leistungen für die fragliche Baustelle erbracht habe, seien die Angaben der Berufungsbeklagten unsubstantiiert. In der Stellungnahme vor Vorinstanz bestritt die Berufungsklägerin mit Nichtwissen, dass die letzte Betonlieferung am 20. Februar 2023 erfolgt sei, zumal diese angeblich letzte Leistung im Gesuch nicht näher substantiiert worden sei.

Die Berufungsklägerin monierte weiter, dass die Berufungsbeklagte (recte: die Vor­instanz) keine Parteibefragung zu den angeblich letzten Arbeiten am 20. Februar 2023 vorgenommen habe, obwohl die Berufungsklägerin dies in ihrer vorinstanzlichen Stellungnahme beantragt habe. Diesbezüglich verwies sie auf die entsprechende Stellungnahme. Es sei unzulässig, lediglich auf in Urkunden gekleidete Parteibehauptungen abzustellen, weil dies eine Umgehung der Zeugen- und Parteibefragung sei. Eine solche Befragung sei auch im summarischen Verfahren möglich. Die Berufungsbeklagte als beweisbelastete Partei offeriere jedoch nicht einmal diese Befragung, weshalb sie nach Art. 8 ZGB die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen habe.

4.5.2.

Die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts in das Grundbuch hat laut Art. 839 Abs. 2 ZGB bis spätestens vier Monate nach der Vollendung der Arbeiten zu erfolgen. Dabei gilt die Arbeit dann als vollendet, wenn alle Verrichtungen, die Gegenstand des Werkvertrags bilden, ausgeführt sind. Nicht in Betracht fallen dabei geringfügige oder nebensächliche, rein der Vervollkommnung dienende Arbeiten oder Ausbesserungen wie die Behebung von Mängeln, es sei denn, sie sind unerlässlich und damit funktionell notwendig[25]. Die Qualifikation mehrerer Arbeitsleistungen als eine einzige "Arbeit", die gemäss Art. 839 Abs. 2 ZGB einem einheitlichen Fristenlauf unterworfen ist, steht weder im Belieben der Vertragsparteien noch im Ermessen der Gerichte. Die Auslegung des Begriffs "Arbeit" ist wie jedes andere Auslegungsproblem anzugehen. Nach der systematischen Auslegung handelt es sich bei der "Arbeit" um ein Bündel funktionell zusammenhängender Bauleistungen. Der funktionelle Zusammenhang kann tatsächlicher Natur sein, etwa, wenn die Arbeitsleistungen wechselseitig technisch vernetzt sind, oder auch rechtlicher Natur[26]. Auch wenn der Unternehmer aufgrund von mehreren Bauverträgen mit demselben Besteller mehrere Arbeitsleistungen erbringt, kann die Gesamtheit dieser Arbeitsleistungen einem einheitlichen Fristbeginn unterliegen, sofern und soweit sie eine funktionelle Einheit bilden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Betonwerk auf Basis mehrerer, in sich geschlossener Einzelbestellungen wiederholt Transportbeton für ein bestimmtes Bauwerk herstellt[27].

Im summarischen Verfahren ist der Beweis gemäss Art. 254 Abs. 1 ZPO grundsätzlich durch Urkunden zu erbringen. Andere Beweismittel sind laut Art. 254 Abs. 2 lit. a und b ZPO nur zulässig, wenn sie das Verfahren nicht wesentlich verzögern, oder wenn es der Verfahrenszweck erfordert. Bei der Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten gelten unter anderem Regie- oder Wochenrapporte, an den Bestellter gestellte Rechnungen und Mahnungen, GIS-Ausdrücke und Vertragsurkunden als taugliche Beweismittel[28].

4.5.3.

In den angegebenen Ziffern der vorinstanzlichen Stellungnahme der Berufungsklägerin, auf die sie in ihrer Berufungsschrift verweist, offerierte sie keine Befragung der Organe der beteiligten Parteien. Insofern erübrigt sich diese von vornherein. Darüber hinaus stellen Urkunden wie Rechnungen, Mahnungen usw., die naturgemäss und notwendigerweise von einer der Parteien selbst erstellt wurden, im einfachen und dringenden Summarverfahren betreffend die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts übliche und taugliche Beweismittel dar. Es gibt zudem keine Anhaltspunkte, dass die eingereichten Rechnungen (oder eine davon) erst unmittelbar vor Einleitung des Verfahrens eigens zu Prozesszwecken erstellt worden wären.

Eine Befragung der Organe der beteiligten Parteien erscheint somit angesichts der vorliegenden Rechnungen und des geltenden Beweismasses für den Verfahrenszweck als nicht erforderlich. Auch der Umstand, dass die Berufungsbeklagte keine Partei- oder Zeugenbefragungen als Beweis anbot, führt in diesem summarischen Verfahren nicht "per se" zur Abweisung des Gesuchs.

4.5.4.

Die Berufungsklägerin bestreitet das Vorliegen einer vertraglichen Einheit, nicht jedoch die funktionelle Einheit der in Rechnung gestellten Leistungen. Selbst wenn eine solche rechtsgenüglich bestritten wäre, hinderte dies die Eintragung des provisorischen Bauhandwerkerpfandrechts nicht: Aus allen fünf Rechnungen der Berufungsbeklagten gehen die gleichartigen Rechnungspositionen hervor, nämlich die Lieferung von Beton und die Leistung von Arbeitszeit dazu. Daraus erschliesst sich, dass die Berufungsbeklagte für die fragliche Baustelle Beton lieferte, mischte und vor Ort einbrachte. Diese Leistungen gehören derselben Arbeitsgattung an und sind somit ohne Weiteres als funktionelle Einheit zu qualifizieren. Darüber hinaus erfolgten die Leistungen zwischen dem 30. November 2022 und dem 20. Februar 2023, mithin innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von nur knapp drei Monaten. Die letzten Rechnungen enthalten Leistungen (wiederum Betonlieferungen und Arbeitszeit) vom 14. und 15. Februar 2023 sowie vom 20. Februar 2023 und betragen etwas über Fr. 3'000.00 beziehungsweise Fr. 2'000.00. Vom geltend gemachten Forderungsbetrag von gesamthaft knapp Fr. 30'000.00 machen diese letzten zwei Rechnungen somit knapp 20% aus. Um geringfügige oder nebensächliche Arbeiten handelt es sich dabei somit nicht.

4.5.5.

Zusammenfassend liegt eine funktionelle Einheit der Arbeiten – mithin Leistungen der gleichen Arbeitsgattung – vor, die zeitlich alle innerhalb von knapp drei Monaten liegen. Damit gilt ein einheitlicher Fristbeginn ab dem Datum der letzten Arbeiten, dem 20. Februar 2023. Aufgrund der Einreichung des Formulargesuchs Ende April 2023 ist die viermonatige Frist eingehalten.

4.6.

4.6.1.

Die Berufungsklägerin bringt weiter vor, die Berufungsbeklagte habe die angeblich vereinbarte und ausstehende Werklohnforderung nicht substantiiert. Insbesondere habe die Berufungsbeklagte weder die Höhe noch die Berechnungsmethode der Rechnungen (einschliesslich Aufwand zuzüglich Zuschläge für Allgemeinkosten, Risiko und Gewinnmarge) substantiiert dargetan.

4.6.2.

Aus den einzelnen Rechnungen gehen die an den aufgeführten Daten gelieferten Mengen an Beton (in Kubikmetern) sowie die "Arbeitszeit Fahrmischer" und "Wartezeit Fahrmischer" in Minuten hervor, dies teilweise recht detailliert, indem pro Datum zum Teil mehrere gleichartige Positionen aufgeführt sind. Auch sind die Preise pro Kubikmeter und Minute einzeln aufgeführt (Einzelpreise). Die jeweilige Rechnungspositionen ergeben sich aus der Multiplikation der Menge (Kubikmeter oder Minuten) mit dem Einzelpreis. Dass die Berufungsbeklagte nicht auch noch Lieferscheine einreichte, aus denen nochmals die an den fraglichen Tagen gelieferten Kubikmeter Beton hervorgehen, schadet nicht, da die Rechnungen einen hohen Detaillierungsgrad aufweisen. Weiter erschliesst sich ohne Weiteres, dass die Berufungsbeklagte mit den aufgeführten Einzelpreisen dartut, dass es sich dabei um die indirekt oder ausdrücklich mit der Bestellerin, der A AG, vereinbarten Preise handelt. Insofern ist die Berechnungsmethode für die in den fünf Rechnungen gestellten Positionen ausreichend substantiiert. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Berufungsbeklagte als Laiin die einzelnen Positionen der Rechnungen nicht in ihr Formulargesuch übertragen oder kopiert hat, nachdem die fünf Rechnungen übersichtlich, nicht interpretationsbedürftig und einfach zu verstehen sind. Die notwendigen Informationen können ohne Weiteres daraus entnommen werden. Damit ist die Berufungsbeklagte ihrer Behauptungs- und Substantiierungslast rechtsgenüglich nachgekommen.

4.6.3.

Schliesslich erscheint weder höchst unwahrscheinlich noch ausgeschlossen, dass die Berufungsbeklagte die entsprechenden Lieferungen beziehungsweise Leistungen tatsächlich erbrachte und die entsprechenden Einzelpreise mit der Bestellerin vereinbarte. Folglich sind diese glaubhaft gemacht.

4.7.

Die Berufungsbeklagte reichte vor Vorinstanz eine Beilage "Debitoren Offene Posten, gegliedert nach Rechnungsnummer" von Ende April ein. Daraus gehen die fünf Rechnungen an die A AG mit der jeweiligen Rechnungsnummer, dem Rechnungsbetrag und dem noch offenen Betrag übersichtlich hervor. Mit der Übersicht ist ausreichend substantiiert, dass die Berufungsbeklagte mit den fünf Rechnungen eine offene Forderungssumme von total knapp Fr. 30'000.00 geltend macht. Darüber hinaus ist die Pfandsumme von knapp Fr. 30'000.00 auch glaubhaft gemacht.

4.8.

Zusammenfassend erfolgte die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts auf der Liegenschaft der Berufungsklägerin im Betrag von knapp Fr. 30'000.00 zu Recht. Die Berufung ist folglich unbegründet, und der angefochtene Entscheid ist zu bestätigen.

[…]

Obergericht, 2. Abteilung, 7. November 2023, ZBS.2023.27


[1]    Thurnherr, Basler Kommentar, 7.A., Art. 839/840 ZGB N. 35

[2]    Vgl. Art. 261 Abs. 1 ZPO

[3]    BGE 137 III 566 f.; Thurnherr, Art. 839/840 ZGB N. 37

[4]    BGE 137 III 563; BGE vom 17. Juni 2022, 5A_280/2021, Erw. 3.1

[5]    BGE 138 III 253 ff.

[6]    Zum Ganzen: BGE 144 III 117 f. mit Hinweisen

[7]    BGE 144 III 118 f.; BGE vom 14. März 2023, 5A_822/2022, Erw. 3.3.6.1

[8]    BGE 146 III 240 ff.; BGE vom 14. März 2023, 5A_822/2022, Erw. 3.3.6.1

[9]    BGE 146 III 243 ff.; BGE vom 14. März 2023, 5A_822/2022, Erw. 3.3.6.1

[10] BGE 127 III 368 f. mit Hinweisen; BGE vom 17. Juni 2022, 5A_280/2021, Erw. 3.1

[11] BGE 136 III 327 f.; BGE vom 17. Juni 2022, 5A_280/2021, Erw. 3.1

[12] BGE 144 III 522 f.; BGE 127 III 368 f. mit Hinweisen; BGE vom 17. Juni 2022, 5A_280/2021, Erw. 3.1

[13]  BGE vom 17. Juni 2022, 5A_280/2021, Erw. 3.1; BGE vom 8. Mai 2020, 5A_837/2019, Erw. 4.1; BGE vom 5. September 2018, 4A_50/2018, Erw. 3.2; RBOG 2021 Nr. 7 Erw. 4.a.aa

[14] Gehri, Basler Kommentar, 3.A., Art. 52 ZPO N. 2 mit Hinweisen

[15] BGE 142 I 11 f.; BGE 142 IV 304 f.; BGE vom 16. März 2021, 5A_395/2020, Erw. 5.1

[16] BGE vom 16. März 2021, 5A_395/2020, Erw. 5.2; BGE vom 17. Juni 2022, 5A_280/2021, Erw. 3.4.4

[17] BGE 144 III 519 (Regeste) und 523 f.; BGE vom 14. März 2023, 5A_822/2022, Erw. 6.3.2.2 mit Hinweisen; RBOG 2021 Nr. 7 Erw. 4.b.aa.bbb

[18] BGE 131 III 302 f.

[19] Art. 837 Abs. 2 ZGB: "Zustimmung zur Ausführung der Arbeiten"

[20] BGE vom 12. April 2005, 5C.208/2004, Erw. 4.3 und 4.4; Thurnherr, Art. 839/840 ZGB N. 9

[21] Thurnherr, Art. 839/840 ZGB N. 9

[22] Thurnherr, Art. 839/840 ZGB N. 10 mit Hinweisen

[23] Schumacher/Rey, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 4.A., N. 1522

[24] Art. 157 ZPO

[25] BGE vom 22. Januar 2016, 5A_613/2015, Erw. 4 mit Hinweisen

[26] Schumacher/Rey, N. 1141 f.

[27] Schumacher/Rey, N. 1153 f.

[28] Schumacher/Rey, N. 1523


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