RBOG 2024 Nr. 03
Zuständigkeit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde bei einem (unbewilligten) Aufenthaltswechsel des Kindes in einen anderen Kanton
Art. 315 Abs. 1 ZGB Art. 25 Abs. 1 ZGB Art. 444 Abs. 1 ZGB
Zusammenfassung des Sachverhalts:
1.
Die Beschwerdegegnerin und der Beschwerdeführer sind die unverheirateten Eltern eines Kindes. Sie teilen sich die elterliche Sorge. Die Beschwerdegegnerin zog mit dem Kind am 1. Juni 2022 von einer Gemeinde im Kanton St. Gallen in eine Gemeinde im Kanton Thurgau. Ebenfalls im Juni 2022 wandte sie sich mit einer Gefährdungsmeldung an die für die Gemeinde zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton Thurgau zur Regelung des Besuchsrechts und Vermeidung elterlicher Auseinandersetzungen. Im daraufhin eröffneten Verfahren stellte sich der Vater auf den Standpunkt, dass der Wegzug der Mutter mit dem Kind unrechtmässig erfolgt sei, das Kind folglich keinen rechtmässigen Wohnsitz im Kanton Thurgau habe und die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton Thurgau unzuständig sei. Er übergab der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eine von den Parteien unterzeichnete Betreuungs- und Unterhaltsvereinbarung vom März 2021, gemäss derer die Eltern die geteilte Obhut vereinbart hatten.
2.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde am Wohnort der Beschwerdegegnerin erteilte ihr im Juli 2023 die Zustimmung, den Aufenthaltsort des Kindes von der Gemeinde im Kanton St. Gallen in die Gemeinde im Kanton Thurgau zu verlegen. Zudem teilte sie der Beschwerdegegnerin die Obhut über das Kind zu und räumte dem Vater ein Besuchsrecht ein. Dagegen erhob der Vater Beschwerde und beantragte hauptsächlich die Aufhebung des Entscheids zufolge Unzuständigkeit und die Überweisung des Verfahrens an die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton St. Gallen.
Aus den Erwägungen:
[…]
2.
Streitig und zu prüfen ist vorweg, ob die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton Thurgau zum Erlass des Entscheids betreffend Zustimmung zum Wechsel des Aufenthaltsorts etc. überhaupt zuständig war.
2.1.
Gemäss Art. 444 Abs. 1 ZGB hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ihre örtliche und sachliche Zuständigkeit als Verfahrensvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen. Art. 444 ZGB ist sowohl auf Erwachsenenschutzverfahren als auch auf Kindesschutzverfahren anwendbar[1]. Die Pflicht, die Zuständigkeit von Amtes wegen zu prüfen wird mit den in Art. 444 Abs. 2-4 ZGB vorgesehenen Instrumenten (Weiterleitung, Meinungsaustausch und Kompetenzkonfliktverfahren) umgesetzt. Es ist Sache der Behörde, die Zuständigkeitsfrage zu klären und die Angelegenheit der zuständigen Behörde zuzuführen[2]. Die Pflicht zur Prüfung soll insbesondere dazu dienen, eine langwierige Suche nach der zuständigen Behörde zu vermeiden. Dies wiederum hätte für die schutzbedürftige Person Betreuungslücken zur Folge, was dem Zweck des Kindes- und Erwachsenenschutzes zuwiderlaufen würde[3].
Kindes- und erwachsenenschutzrechtliche Verfahren knüpfen grundsätzlich an den zivilrechtlichen Wohnsitz des Kindes oder der betroffenen erwachsenen Person an[4]. Der Wohnsitz des Kindes richtet sich nach Art. 25 Abs. 1 und 2 ZGB und ist von dessen Sorge- und Obhutsverhältnis abhängig. Sind die Eltern gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge, haben sie aber (ob verheiratet oder nicht) ihren Wohnsitz nicht in derselben Gemeinde und ergibt sich aus der Obhutsregelung keine eindeutige Anknüpfung, wird der Wohnsitz des Kindes nach dessen Aufenthaltsort bestimmt[5]. Der zivilrechtliche Wohnsitz eines Kindes befindet sich an seinem Aufenthaltsort, sofern die Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge keinen gemeinsamen Wohnsitz haben und solange sie sich weder über eine alternierende Obhut noch über eine Obhutszuteilung einigen konnten und ein gerichtlicher oder behördlicher Entscheid aussteht[6]. Hat der Umzug des Kindes ohne Zustimmung bereits stattgefunden und der Elternteil, bei dem sich das Kind befindet am neuen Ort zivilrechtlichen Wohnsitz begründet, so leitet sich die Zuständigkeit in Anwendung von Art. 25 Abs. 1 ZGB nach einem gewichtigen Teil der Lehre auch für das Kind vom neuen Wohnsitz ab. Eine perpetuierende Zuständigkeit am bisherigen Wohnsitz kann mangels einer gesetzlichen Regelung nicht begründet werden[7].
2.2.
2.2.1.
Die Vorinstanz begründete ihre örtliche Zuständigkeit im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer den Wunsch nach Feststellung der Unzuständigkeit und Übertragung der Angelegenheit an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton St. Gallen erstmals Anfang März 2023 und somit mehr als ein halbes Jahr nach Verfahrenseröffnung vorgebracht habe. Die Übertragung der Sache sei der Vorinstanz zu jenem Zeitpunkt weder angezeigt noch sinnvoll erschienen, zumal die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton St. Gallen kein Kindesschutzverfahren geführt habe. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer vorgebracht, die Zuständigkeit liege bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bezirk im Kanton Zürich. Vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Aussagen der Parteien zum zivilrechtlichen Wohnsitz des Kindes und dem Umstand, dass sich in der Gemeinde im Kanton Thurgau zumindest der Aufenthaltsort, wenn nicht sogar der zivilrechtliche Wohnsitz des Kindes befinde, hielt die Vorinstanz an ihrer Zuständigkeit für die zu behandelnden Fragen fest.
[…]
2.3.
2.3.1.
Die Parteien vereinbarten nach ihrer (erstmaligen) Trennung mit schriftlicher Vereinbarung vom März 2021 eine geteilte Obhut. Damals wohnten sowohl der Beschwerdeführer als auch die Beschwerdegegnerin in der gleichen Gemeinde im Kanton St. Gallen. Mit Mietbeginn 1. Januar 2022 (Mietende 30. Juni 2023) mieteten die Parteien in einer Gemeinde im Kanton Zürich ein Einfamilienhaus. Die Beschwerdegegnerin ist – wie ausgeführt – am 1. Juni 2022 von der Gemeinde im Kanton St. Gallen in die Gemeinde im Kanton Thurgau umgezogen und hat dort Wohnsitz genommen. Der Beschwerdeführer zog Anfang Juni 2023 in seine neue Mietwohnung in der Gemeinde im Kanton Zürich.
Solange die Eltern in der Gemeinde im Kanton St. Gallen – wenn auch an getrennten Adressen – Wohnsitz hatten, befand sich unbestrittenermassen auch der Wohnsitz des Kindes in der Gemeinde im Kanton St. Gallen[8]. Fraglich ist, ob das Kind in der Gemeinde im Kanton Zürich Wohnsitz begründete. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die Beschwerdegegnerin oder das Kind hätten sich beim Einwohneramt in der Gemeinde im Kanton Zürich angemeldet und ihren Wohnsitz offiziell dorthin verlegt. Der Zuzug der Beschwerdegegnerin in die Gemeinde im Kanton Thurgau erfolgte denn auch von der Gemeinde im Kanton St. Gallen und nicht von der Gemeinde im Kanton Zürich aus. Es sind auch keine Anstrengungen des Beschwerdeführers aktenkundig, das Kind offiziell in der Gemeinde im Kanton Zürich anzumelden, nachdem sich die Beschwerdegegnerin nach der definitiven Trennung der Parteien im Januar/Februar 2022 nicht mehr im dort gemieteten Einfamilienhaus aufhielt, sondern wieder ausschliesslich in der Gemeinde im Kanton St. Gallen lebte. Zur Frage, ob die Parteien im Einfamilienhaus in der Gemeinde im Kanton Zürich zusammengelebt und folglich dort Wohnsitz genommen haben, sind ihre Ausführungen gegensätzlich. Während der Beschwerdeführer geltend macht, die Parteien hätten das Haus bereits an Weihnachten 2021 gemeinsam bezogen und dort zusammen mit den Kindern (das betroffene Kind und eine Tochter aus früherer Beziehung des Beschwerdeführers) bis zur zweiten Trennung der Parteien und dem Auszug der Beschwerdegegnerin im Februar 2022 gelebt, wobei die Beschwerdegegnerin jedoch bis Anfang Juni 2023 über einen Hausschlüssel verfügt habe, regelmässig im Haus ein- und ausgegangen sei und das Kind dort betreut habe, lässt die Beschwerdeführerin ausführen, die Parteien hätten sich zwar im Oktober/November 2021 wieder vorübergehend angenähert, die Beschwerdegegnerin sei dem Beschwerdeführer jedoch bei der Suche nach einer Wohnung nur behilflich gewesen und habe ihm mit der Mitunterzeichnung des Mietvertrags für das Einfamilienhaus als Solidarschuldnerin einen Gefallen getan, da dieser kein regelmässiges Einkommen erzielt habe. Die Beschwerdegegnerin habe aber weiterhin mit dem Kind in ihrer eigenen Wohnung in der Gemeinde im Kanton St. Gallen gewohnt. Zu keinem Zeitpunkt sei vereinbart gewesen, dass die Beschwerdegegnerin oder das Kind im Einfamilienhaus in der Gemeinde im Kanton Zürich wohnen würden. Vereinzelt habe die Beschwerdegegnerin zusammen mit dem Kind im Einfamilienhaus übernachtet, wie auch der Beschwerdeführer vereinzelt in ihrer Wohnung im Kanton St. Gallen. Aufgrund vereinzelter Übernachtungen habe das Kind in der Gemeinde im Kanton Zürich keinen Wohnsitz genommen. Die vorübergehende Annäherung der Parteien sei Ende Januar 2022 definitiv gescheitert und seither sei es auch zu keinen Übernachtungen mehr gekommen. Weder habe die Beschwerdeführerin über einen Hausschlüssel für das Einfamilienhaus noch das Kind über ein dortiges eigenes Kindeszimmer verfügt. Die Einrichtung des Kinderzimmers sei erst gegen Ende des Jahres 2022 oder zu Beginn des Jahres 2023 erfolgt, als der Beschwerdeführer sein "Betreuungsprotokoll" erstellt habe.
2.3.2.
Losgelöst von der Frage, wo sich der Wohnsitz des Kindes befindet, ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin den ihrigen mit dem Umzug am 1. Juni 2022 in die Gemeinde im Kanton Thurgau verlegte. Als sie sich am 21. Juni 2022 mit einer Gefährdungsmeldung an die Vorinstanz wandte, befand sich ihr Wohnsitz somit bereits im Kanton Thurgau, wohingegen der Beschwerdeführer unverändert Wohnsitz in der Gemeinde im Kanton Zürich aufwies.
Da die Eltern ihren Wohnsitz folglich nicht in derselben Gemeinde haben, ist zu prüfen, ob sich aus der Obhutsregelung eine eindeutige Anknüpfung für den Wohnsitz des Kindes ergibt.
2.3.3.
Zwischen den Parteien besteht Uneinigkeit, ob und in welchem Ausmass eine alternierende Obhut nach der Trennung gelebt und damit die Betreuungs- und Unterhaltsvereinbarung vom März 2021 umgesetzt wurde.
2.3.3.1.
Der Beschwerdeführer lässt im Wesentlichen vorbringen, die alternierende Obhut entspreche der gelebten Praxis. Bis zum angefochtenen Entscheid habe das Kind regelmässig den Dienstag, Mittwoch und Donnerstag sowie regelmässig auch die Wochenenden bei seinem Vater in der Gemeinde im Kanton Zürich verbracht. Es treffe nicht zu, dass das Kind seit Sommer 2022 in der Gemeinde im Kanton Thurgau seinen Lebensmittelpunkt habe. Der Beschwerdeführer habe das Kind seit dessen Geburt hauptsächlich betreut, da die Beschwerdegegnerin bereits kurz nach der Geburt mit einem 100% Pensum gearbeitet habe.
2.3.3.2.
Die Beschwerdegegnerin lässt zusammengefasst vortragen, die Vereinbarung vom März 2021 damals nur auf grossen Druck des Beschwerdeführers hin unterzeichnet zu haben. Die auf dem Papier vereinbarte alternierende Obhut sei so nie gelebt worden. Auch sei nie vorgesehen gewesen, dass der Beschwerdeführer das Kind sonntags, montags und dienstags betreuen sollte. Es sei angedacht gewesen, dass der Beschwerdeführer das Kind tagsüber betreue, wenn die Beschwerdegegnerin im Geschäft arbeite (Dienstag, Donnerstag und Samstag). Der Beschwerdeführer habe sich aber absolut unzuverlässig in der Wahrnehmung seiner Betreuungsanteile gezeigt. So sei die Beschwerdegegnerin faktisch gezwungen gewesen, selbst eine alternative Betreuung zu organisieren oder das Kind mit ins Geschäft zu nehmen. Sie habe sich bis zur Trennung, beziehungsweise während Bestehens eines gemeinsamen Haushalts, fast ausschliesslich um das Kind gekümmert. Seit der Trennung seien die Betreuungsanteile stets umstritten und oft unregelmässig gewesen. Die Beschwerdegegnerin habe das Kind jedoch in deutlich grösserem Umfang als der Beschwerdeführer betreut. Seit der Geburt habe die Beschwerdegegnerin nie in einem Pensum von 80-100% gearbeitet.
2.3.3.3.
Anhand der Ausführungen der Parteien zeigt sich, dass sie sich nicht über eine Obhutszuteilung einigen konnten. Ebenfalls strittig unter ihnen ist die Frage der alternierenden Obhut. Auch wenn der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter ausführen lässt, die alternierende Obhut sei gelebtes Betreuungsmodell, spricht sein Aussageverhalten dafür, dass die im März 2021 vereinbarte alternierende Obhut, wenn überhaupt, nur eingeschränkt umgesetzt wurde. So erklärte der Beschwerdeführer bei der Anhörung durch die Vorinstanz, dass er sich nach der Trennung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde "X." (recte wohl Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Gemeinde im Kanton St. Gallen) gewandt und sich erkundigt habe, was er machen könne. Obwohl er das Recht gehabt hätte, das Kind weiterhin zu holen, habe er damals freiwillig auf die geteilte Obhut verzichtet. Es kann mithin nicht davon ausgegangen werden, die Parteien hätten sich auf eine symmetrische Teilung der Betreuung geeinigt und diese entsprechend wahrgenommen. Ist die Obhut strittig und fehlt es – wie vorliegend – bei Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge und keinem gemeinsamen Wohnsitz an einer formellen Obhutszuteilung, befindet sich der zivilrechtliche Wohnsitz eines Kindes an seinem Aufenthaltsort. Demzufolge gilt der Aufenthaltsort des Kindes, die Gemeinde im Kanton Thurgau, als sein Wohnsitz und damit war die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton Thurgau zum Erlass des fraglichen Entscheids zuständig.
Seltsam mutet im Übrigen an, dass der Beschwerdeführer mehr als ein halbes Jahr nach Verfahrenseröffnung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton Thurgau – der Beschwerdeführer hatte spätestens aufgrund des Telefonats der Vorinstanz vom Juli 2022 Kenntnis vom Verfahren und damit von der von ihr in Anspruch genommenen örtlichen Zuständigkeit – Anfang März 2023 den Wunsch nach Feststellung der Unzuständigkeit der Vorinstanz und Übertragung der Angelegenheit an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton St. Gallen äusserte. Dies deutet nicht zuletzt darauf hin, dass auch der Beschwerdeführer von der Zuständigkeit der Vorinstanz ausging.
2.3.3.4.
Selbst wenn im Übrigen von alternierender Obhut auszugehen wäre, wie dies der Beschwerdeführer behauptet, wäre an jenen Aufenthaltsort anzuknüpfen, zu dem das Kind einen stärkeren Bezug hat. Dieser muss nicht zwingend durch die Häufigkeit der Anwesenheit bestimmt sein, es können auch familiäre Bindungen (Erziehungsverantwortung, Geschwister, Grosseltern etc.) oder ausserfamiliäre soziale Verknüpfungen (zum Beispiel Schule, Ausbildung, Sportverein, Peergroup) sein. Das Kind wurde im Jahr 2022 im Kindergarten der Gemeinde im Kanton Thurgau eingeschult. Nach einer Woche wurde entschieden, dass es zurückgestellt wird. Das Kind hatte grosse Probleme mit der Ablösung von der Mutter. In der Folge besuchte es ab November 2022 jeweils am Freitag für zwei Stunden die Spielgruppe. Wenn auch der Kindergarteneintritt nicht geklappt hat, so bestehen als Folge des regelmässigen Besuchs der Spielgruppe ausserfamiliäre soziale Verknüpfungen zur Gemeinde im Kanton Thurgau. Zwischenzeitlich haben sich die sozialen Kontakte verstärkt, besucht das Kind doch seit August 2023 den Kindergarten in der Gemeinde im Kanton Thurgau. Zur Gemeinde im Kanton Zürich, wo der Beschwerdeführer lebt, bestehen keine vergleichbaren Verbindungen. Der vom Beschwerdeführer für die Verbundenheit mit der Gemeinde im Kanton Zürich angeführte Kontakt des Kindes zu seiner Halbschwester vermag eine solche Verbundenheit nicht zu begründen. Gemäss den Ausführungen deren Mutter war ihre Tochter, solange die Parteien noch zusammenlebten, jeweils am Sonntag, Montag und Dienstag beim Vater, wo sie hauptsächlich von der Beschwerdegegnerin betreut worden sei. Seit der Trennung der Parteien im März 2021 sei die Halbschwester des Kindes die ganze Woche bei ihrer Mutter. Der Beschwerdeführer habe seine Tochter seither ein- bis zweimal im Monat für einige Stunden geholt. Übernachtungen hätte in dieser Zeit kaum stattgefunden. Es ist damit für das Gericht erstellt, dass der vom Beschwerdeführer behauptete Kontakt zwischen dem Kind und seiner Halbschwester zumindest seit der Trennung der Parteien nicht mehr oder nur noch sporadisch bestand beziehungsweise das Kind via Kontakt zu seiner Halbschwester keinen besonderen Bezug zur Gemeinde im Kanton Zürich hat. Es finden sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers denn auch keine Gründe, weshalb nicht auf die Aussagen der Ex-Partnerin des Beschwerdeführers und Mutter der Halbschwester abgestellt werden kann. Anhaltspunkte für eine Falschaussage sind nicht ersichtlich. Auf das bloss subjektive Empfinden des Beschwerdeführers und die bloss pauschalen Vorbehalte gegen die Aussagen der Ex-Partnerin kann bei der Beurteilung nicht abgestellt werden.
2.4.
Soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz habe keinen Meinungsaustausch mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde […] im Kanton St. Gallen beziehungsweise der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton Zürich geführt, ist er nicht zu hören. Die Vorinstanz informierte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton St. Gallen über das hängige Verfahren und ersuchte um Akteneinsicht. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton Zürich überwies zuständigkeitshalber einen Polizeirapport vom Juli 2022 über eine "erstmalige Tätigkeit in einer ehemaligen Beziehung" zwischen den Parteien an die Vorinstanz. Daraus ist zumindest zu schliessen, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Kanton Zürich sich für den Rapport über die Auseinandersetzung zwischen den Parteien in der Gemeinde im Kanton Zürich mangels Verfahren für unzuständig betrachtete. Nachdem das Kind sich schon damals mit seiner Mutter in der Gemeinde im Kanton Thurgau aufhielt, wäre ein Meinungsaustausch[9] zwischen den beiden Behörden unter den gegebenen Umständen wohl nicht zielführend gewesen. Jedenfalls kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden, sie hätte einen Meinungsaustausch führen müssen. Ein anderes Kindesschutzverfahren, welches einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit ausgeschlossen hätte, bestand zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht[10].
2.5.
Die örtliche (und sachliche) Zuständigkeit der Vorinstanz ist damit gegeben. Die Beschwerde ist im Hauptpunkt abzuweisen.
[…]
Obergericht, 1. Abteilung, 31. Januar 2024, KES.2023.41
[1] Art. 314 Abs. 1 ZGB
[2] Maranta, Basler Kommentar, 7.A., Art. 444 ZGB N. 1 und 3
[3] KOKES, Meinungsaustausch bei örtlichen Zuständigkeitskonflikten (Art. 444 ZGB): Empfehlungen zum zweckmässigen Vorgehen, in: ZKE 2019 S. 532
[4] Art. 315 Abs. 1 ZGB
[5] Art. 25 Abs. 1 letzter Teilsatz ZGB; Praxisanleitung Kindesschutzrecht (Hrsg.: KOKES), Zürich/St. Gallen 2017, N. 6.6; BGE 135 III 49 E. 5.3.2
[6] Staehelin, Basler Kommentar, 7.A., Art. 25 ZGB N. 9
[7] Affolter-Fringeli/Vogel, Berner Kommentar, Bern 2016, Art. 301a ZGB N. 44; Schwenzer/Cottier, Basler Kommentar, 7.A., Art. 301a ZGB N. 29; Meier/Stettler, Droit de la filiation, 5.A., S. 586; a.M. Gloor/Schweighauser, Die Reform des Rechts der elterlichen Sorge – eine Würdigung aus praktischer Sicht, in: FamPra 2014 S. 17 f. und 23; Bühler/Maranta, Das neue Recht der elterlichen Sorge, in: Jusletter 11. August 2014 N. 90
[8] Art. 25 Abs. 1 ZGB
[9] Vgl. Art. 444 Abs. 3 ZGB
[10] Art. 442 Abs. 1 ZGB