TVR 2002 Nr. 8
Kostenvorschusspflicht und eheliche Beistandspflicht
§ 79 Abs. 1 VRG, § 81 Abs. 1 VRG
1. Ein Gesuch um Nachzug des Ehegatten einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin steht im Interesse beider Ehegatten, weshalb die Kostenvorschusspflicht beide trifft (E. 2b).
2. Die Kostenvorschusspflicht entfällt bei Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. Voraussetzung dafür ist primär Bedürftigkeit beider Ehegatten, ebenso aber eine nicht mutwillige Beschwerdeführung. Die Mutwilligkeit ist zu bejahen, wenn der nachzuziehende Ehegatte mit zwei Frauen verheiratet ist (E. 2c).
K, pakistanischer Staatsangehöriger, heiratete am 13. Februar 2001 in seinem Heimatland L die deutsche Staatsangehörige L. Sie ist im Besitze der Niederlassung. Mit Gesuch vom 10. Januar 2002 ersuchte L um Nachzug ihres Ehemannes K. Am 1. März 2002 bat K in der Schweiz um Asyl (Zuweisung an den Kanton Thurgau). Das Ausländeramt des Kantons Thurgau verweigerte die Bewilligung zum Nachzug des Ehemannes und führte aus, Abklärungen hätten ergeben, dass K bei der Heirat mit L bereits mit M verheiratet gewesen sei. Das ZGB erkläre eine Ehe als nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschliessung schon verheiratet sei. Mit Rekurs gelangte K an das DJS. Dabei machte er unter anderem geltend, die Ehe mit L sei legal nach dem Muslim Family Law Ordinance von 1961 geschlossen worden. Diese Ehe falle unter das Internationale Privatrecht und sei gemäss dessen Art. 45 als rechtsgültig geschlossen anzuerkennen. Auch Art. 8 EMRK schütze die Ehe. Die Ablehnung aufgrund von Art. 17 Abs. 2 Satz 1 ANAG treffe nicht zu.
Mit Zwischenentscheid vom 6. August 2002 auferlegte das DJS den als Rekurrenten bezeichneten Eheleuten einen Kostenvorschuss von Fr. 800.–, zahlbar innert 20 Tagen. Im Säumnisfalle werde auf den Rekurs nicht eingetreten. Dagegen erhebt K Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Er macht unter anderem geltend, er sei Asylsuchender; es sei ihm damit nicht erlaubt zu arbeiten. Auch bekomme er keine Unterstützung vom Kanton Thurgau, weshalb er nicht in der Lage sei, den Kostenvorschuss zu leisten. Wenn seine Frau nicht als seine legale Frau akzeptiert werde, so müsse sie in dieser Situation den Betrag auch nicht bezahlen. Das Verwaltungsgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
2. a) Gemäss § 79 Abs. 1 VRG kann eine Behörde einen Kostenvorschuss verlangen. Einen entsprechenden Entscheid braucht sie praxisgemäss nicht zu begründen (vgl. TVR 1994, Nr. 11). Allerdings kann einem bedürftigen Beteiligten auf Antrag die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt werden, sofern das Verfahren nicht als aussichtslos oder mutwillig erscheint (§ 81 Abs. 1 VRG). Wird einem Verfahrensbeteiligten die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt, so fällt selbstverständlich jegliche Kostenvorschusspflicht im Sinne von § 79 Abs. 1 VRG dahin. Einen solchen Antrag stellte K nicht.
b) Die Vorinstanz auferlegte den Kostenvorschuss von Fr. 800.– nicht nur K, sondern «den Rekurrenten» und damit auch L. Auch die Zustellung des Zwischenentscheides erfolgte an beide, also sowohl an K wie auch an L.
Beim Gesuch um Nachzug des Ehegatten geht es primär darum, dass der in der Schweiz lebende Ehegatte seinem anderen Ehegatten den Aufenthalt in der Schweiz ermöglichen will. Die Bewilligung eines derartigen Gesuches liegt damit klarerweise im Interesse beider Ehegatten, weshalb vom Ehegatten in der Schweiz umso mehr Beistand und Hilfe verlangt werden darf. Schon aufgrund der allgemeinen ehelichen Beistandspflicht hat deshalb die Vorinstanz zu Recht beide Ehegatten als Rekurrenten aufgeführt, ginge es doch nicht an, K unter Ausklammerung der ehelichen Beistandspflicht formell alleine auftreten zu lassen, nur um damit seine Chancen auf Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege zu erhöhen (vgl. TVR 2001, Nr. 7). Solches Vorgehen wäre als Rechtsmissbrauch zu werten. Gleiches gilt auch für das vorliegende Beschwerdeverfahren. Im Übrigen geht die sinngemässe Argumentation des Beschwerdeführers fehl, die Ehefrau dürfe nicht beigezogen werden, wenn das Ausländeramt die Ehe als nichtig betrachte. Bis zum Entscheid über das Vorliegen einer Scheinehe ist vom (behaupteten) Bestand einer Ehe auszugehen.
c) Nachdem L auf dem Nachzugsformular ein Einkommen von Fr. 5280.– (brutto) und das Vorhandensein einer 11/2-Zimmer-Wohnung mit ca. 60 m2 deklarierte, ist von vornherein offensichtlich nicht von Bedürftigkeit auszugehen. Das sinngemäss als solches entgegenzunehmende Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege müsste schon von daher abgewiesen werden. Damit muss auch die vorliegende Beschwerde abgewiesen werden.
Selbst wenn von Bedürftigkeit auszugehen wäre, müssten für eine unentgeltliche Rechtspflege die weiteren Voraussetzungen gemäss § 81 Abs. 1 VRG gegeben sein. So darf das Verfahren nicht als aussichtslos oder mutwillig erscheinen. Nachdem der Beschwerdeführer seine Ehe mit M nicht leugnet, erscheint die zweite parallele Ehe mit L in der Tat als nichtig. Darüber ist zwar nicht in diesem Verfahren zu entscheiden, doch darf diese Frage vorfrageweise ohne weiteres – wenn auch nicht abschliessend – beantwortet werden.
Entscheid vom 16. Oktober 2002