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TVR 2005 Nr. 10

Gesuch um unentgeltliche Prozessführung


§ 79 Abs. 2 VRG, § 81 Abs. 1 VRG


Weist ein Rekurrent sowohl in der Rekursschrift als auch in einer Reaktion auf eine Kostenvorschussverfügung auf seine heikle finanzielle Lage hin, so hat der Vorsitzende der Rekurskommission von sich aus nachzufragen, ob ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gestellt werde. Unter diesen Umständen darf bis zur Klärung der Situation kein Nichteintretensentscheid zufolge nicht geleistetem Kostenvorschuss ergehen.


W wurde der Führerausweis rückwirkend auf unbestimmte Zeit entzogen. Dagegen erhob er Rekurs bei der Rekurskommission für Strassenverkehrssachen. Im Rekursantrag wurde unter anderem Folgendes ausgeführt: «Aus Existenzgründen benötige ich die Erlaubnis, weil ich zufällig – wegen überraschender Kündigung einer Voll-Mitarbeiterin der X AG – eine anspruchsvolle, und in allen Teile befriedigende Arbeit bekommen würde. Ein überraschendes brutales Missgeschick hat mich in die existenzielle Abhängigkeit vom Staat Schweiz geworfen. Für mich sehr erniedrigend und oft ebenso demoralisierend. Ich möchte nicht weiterhin von Arbeitslosen-Entschädigungen und schliesslich von der Fürsorge abhängig sein.»
Der Präsident der Rekurskommission für Strassenverkehrssachen setzte W eine Frist von 20 Tagen zur Leistung eines Kostenvorschusses. Hierauf reagierte Nr. 9/10 60 W, dass er eine interessante Tätigkeit in Aussicht habe. Zudem stelle sich ein weiteres Problem für ihn mit der Bezahlung der ganzen Strafe mit allen Verfahrenskosten. Sein Existenzminimum sinke bedenklich und wäre sicher nicht höher, wenn er von der Arbeitslosenversicherung leben würde, von der er übrigens nicht mehr leben wolle. Eine Bezahlung des Kostenvorschusses erfolgte nicht. Daraufhin trat die Rekurskommission auf den Rekurs zufolge nicht bezahltem Kostenvorschuss nicht ein, unter Auferlegung einer Spruchgebühr für diesen Entscheid.
Gegen diesen Nichteintretensentscheid erhob W Beschwerde beim Verwaltungsgericht und bat, ihn von der Verfahrensund der Schreibgebühr zu befreien. Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Aus den Erwägungen:

2. Die Ausführungen der Vorinstanz, dass sie grundsätzlich zur Erhebung eines Kostenvorschusses berechtigt ist (§ 79 VRG) und dass die Höhe von Fr. 600.– im üblichen und zulässigen Rahmen liegt, sind zutreffend. Es entspricht auch gefestigter Praxis, dass bei Nichtleisten eines Kostenvorschusses auf das Verfahren nicht eingetreten wird. Der Beschwerdeführer hat aber von Anfang an, im Rekursverfahren und nun auch wieder im Beschwerdeverfahren, auf seine aus seiner Sicht schwierige finanzielle Lage hingewiesen. Nicht nur hat er dies in der Rekursschrift vom 25. Mai 2005 sinngemäss so dargestellt, sondern er hat auch auf die Kostenvorschussverfügung vom 27. Mai 2005 reagiert und mit Schreiben vom 4. Juni 2005, also noch innerhalb der Frist zur Leistung des Kostenvorschusses, erneut auf seine heikle finanzielle Lage hingewiesen. Diese Eingabe konnte ohne weiteres auch als Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gedeutet werden, auch wenn der Vorinstanz zuzugestehen ist, dass es den Eingaben des Beschwerdeführers diesbezüglich an der nötigen Klarheit fehlt. Gerade das Rekursverfahren als bürgernah ausgestaltetes erstes Rechtsmittelverfahren und die Offizialmaxime nach § 12 Abs. 1 VRG, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat, müssen unter diesen Umständen eine verstärkte Beachtung finden. Der Präsident der Rekurskommission für Strassenverkehrssachen wäre daher aufgrund der Aktenlage verpflichtet gewesen, beim Rekurrenten anzufragen, ob seine Eingabe als Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu verstehen sei und ob ihm die von der Vorinstanz hierfür verwendeten Formulare zugestellt werden sollen. Solange aber ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung hängig ist, kann von einem Verfahrensbeteiligten vernünftigerweise kein Kostenvorschuss verlangt werden (vgl. TVR 2004, Nr. 14). Dementsprechend darf so lange auch kein Nichteintretensentscheid mit der Begründung ergehen, der verlangte Kostenvorschuss sei nicht geleistet worden. Der vorinstanzliche Entscheid ist daher fehlerhaft zustande gekommen. Er ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie im dargestellten Sinne verfährt.

Entscheid vom 26. Oktober 2005

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