Skip to main content

TVR 2015 Nr. 38

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Inkonvenienzentschädigung


§ 6 Abs. 1 BesVO, § 6 Abs. 3 BesVO, § 20 Abs. 1 BesVO, § 28 RRV BesVO


Die Inkonvenienzzulagen der Polizei gemäss § 28 RRV BesVO sind als Besoldungsbestandteil anzusehen. Die für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit auszurichtende Besoldung hat daher sowohl den Grundlohn als auch die Inkonvenienzentschädigung zu umfassen.


Der Rekurrent war seit dem 1. Oktober 2006 als Polizist bei der Kantonspolizei Thurgau tätig. Seit dem 17. September 2012 war er zu 100 % arbeitsunfähig. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit gemäss § 20 BesVO war per Ende September 2014 ausgeschöpft, weshalb das Dienstverhältnis per 30. September 2014 endete. Am 5. März 2015 wandte sich der Rekurrent an seine ehemalige Arbeitgeberin und verlangte Informationen, weshalb ihm die Inkonvenienzzulage lediglich während vier Monaten nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet worden sei. Auf sein Verlangen fällte die Arbeitgeberin schliesslich am 21. April 2015 einen rekursfähigen Entscheid. Es wurde förmlich verfügt, dass die Entrichtung der Inkonvenienzzulagen an den Rekurrenten infolge seiner Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2013 eingestellt werde. Der gegen diesen Entscheid erhobene Rekurs wird von der Personalrekurskommission gutgeheissen.

Aus den Erwägungen:

3. Dem Rekurrenten stehen als Kantonspolizisten für den Krankheitsfall die Lohnfort­zahlungen gemäss der BesVO und der RRV BesVO zu.
Gemäss § 20 Abs. 1 BesVO werden bei Arbeitsunfähigkeit zufolge Krankheit während 12 Monaten Leistungen von 100 % und während weiteren 12 Monaten von 80 % der bisherigen Besoldung ausgerichtet. Die Leistungs­voraussetzungen werden durch den Regierungsrat geregelt (§ 20 Abs. 3 BesVO).
Strittig ist allein die Frage, ob die Lohnfortzahlungen nur den Grundlohn oder zusätzlich auch die Inkonvenienzzulage zu umfassen haben.

4. (…)

5. Gemäss § 6 Abs. 1 BesVO besteht die Besoldung des Staatspersonals aus der Grundbesoldung, den Sozialzulagen sowie den Zulagen gemäss § 2 der Verordnung, z.B. den Inkonvenienz- oder Funktionszulagen. Zulagen werden gemäss § 6 Abs. 3 BesVO nur gewährt, wenn ihre Voraussetzungen nicht in der Grundbesoldung berücksichtigt sind. Der Regierungsrat ist ermächtigt, die entsprechenden Zulagen zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat er in der regierungsrätlichen RRV BesVO, §§ 25 bis 28, Gebrauch gemacht. In § 28 werden die Inkonvenienzzulagen der Polizei geregelt. Für die Abgeltung von Erreichbarkeit, Dienstleistungen ausserhalb der ordentlichen Arbeitszeiten, besonderen Gefährdungen und anderen Unannehmlichkeiten etc. wird der Polizei eine Entschädigung ausgerichtet. Diese beträgt im Aussendienst höchstens Fr. 8‘000.- und im Innendienst höchstens Fr. 7‘500.- pro Jahr (zuzüglich Indexanpassung).

6. Die Personalrekurskommission ist der Auffassung, dass der Kanton Thurgau als Arbeitgeber möglicherweise tatsächlich nur Lohnfortzahlungen in Höhe der Grundbesoldung leisten wollte, in dem Sinn, dass Zulagen nur ausgerichtet werden, wenn spezielle Leistungen tatsächlich erbracht worden sind, was bei 100% Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall sein kann.
Die Formulierung der gesetzlichen Regelung in der grossrätlichen Besoldungsver­ordnung führt allerdings zu einem anderen Ergebnis. § 6 Abs. 1 BesVO listet die Bestandteile einer Besoldung ausdrücklich auf, nämlich Grundbesoldung, Sozial­zulagen und weitere Zulagen, hier die Inkonvenienzzulagen. Aus § 20 BesVO geht nun gerade nicht hervor, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf Basis der Grundbesoldung zu erfolgen habe. Es heisst dort vielmehr, ausdrücklich und ohne Einschränkung, dass die „bisherige Besoldung“, das heisst Grundbesoldung und weitere Bestandteile zusammen, auszurichten sei.
Aus den Akten muss überdies der Schluss gezogen werden, dass die Inkonve­nienzzulagen der Polizisten auch in der Praxis als Besoldungsbestandteil verstanden werden. Schon der Umstand, dass die volle Inkonvenienzzulage 10% bis 20% der Grundbesoldung ausmacht, zeigt, dass sie für das Einkommen eines Polizisten von grosser Bedeutung ist. Überdies werden nicht speziell geleistete Dienste entschädigt (wie etwa gemäss § 27 RRV BesVO), sondern es werden bewusst Pauschalen ausgerichtet. Offensichtlich betrachtet auch die Finanzverwaltung die Inkonvenienz­zulage als Besoldungsbestandteil, der unabhängig von der Erbringung einer besonderen Leistung geschuldet ist. Der 13. Monatslohn, gemäss Lohnabrechnung „13. Gehalt“, umfasst regelmässig sowohl die Grundbesoldung als auch die Inkonvenienzentschädigung. Mit anderen Worten, die Inkonvenienzzulage wird ebenso 13-mal ausbezahlt wie die Grundbesoldung. Insofern wird diese Zulage eben gerade anders behandelt als die Sozialzulagen. Die Kinder- und Familienzulagen werden regelmässig nur 12-mal ausgerichtet.
Sodann geht die IV in ihrer Verfügung selbstverständlich von einem Validen­einkommen des Rekurrenten aus, welches auch die Inkonvenienzentschädigung erfasst. Die Pensionskasse des Kantons Thurgau hat, jedenfalls bis 2013, als „Grundlohn PK“ ebenfalls Grundbesoldung und Inkonvenienzentschädigung zusammen angenommen.
Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass nach Lehre und Rechtsprechung jedenfalls für privatrechtliche Anstellungsverhältnisse der im Krankheitsfall zu entrichtende Lohn alle regelmässigen Zulagen, auch Inkon­venienz- oder Gefahren­zulagen, umfasst (Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl., Zürich 2012, Art. 324a/324b N. 9). Dabei ist allerdings festzuhalten, dass die Dauer respektive der Umfang der Lohnfortzahlung im Privatrecht nicht so grosszügig geregelt ist wie in der thurgauischen Besoldungsverordnung.

7. Die Vorinstanz beruft sich auf die Dienstvorschrift der Kantonspolizei, nach welcher Inkonvenienzzulagen nach 4-monatiger Arbeitsunfähigkeit wegfallen.
Die Personalrekurskommission ist der Auffassung, dass die Krankheitsregelung in der Dienstvorschrift des Polizeikommandos nicht rechtens ist, denn es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür. Insbesondere ist § 28 der RRV BesVO keine Delegationsnorm zu entnehmen, welche eine Regelung für den Krankheitsfall, abweichend von § 20 der grossrätlichen Besoldungsverordnung, zulassen würde. Weder dem DJS noch dem Polizeikommando wird die Berechtigung für etwas Derartiges eingeräumt (§ 28 Abs. 3 und 4 RRV BesVO). Folgte man der Auffassung der Vorinstanz, dass die Inkonvenienzzulage im Krankheitsfall nicht zur auszurichtenden Besoldung gehört, wäre auch die derzeitige Praxis, die Zulage während den ersten vier Monaten der Arbeitsunfähigkeit unverändert weiterzubezahlen, nicht gerechtfertigt. Wenn für die Inkonvenienzzulage eine besondere Regelung, wie die Aufhebung respektive Weiterbezahlung während einer bestimmten Zeit, getroffen werden soll, müsste dies der Regierungsrat im Rahmen der ihm in § 20 Abs. 3 BesVO übertragenen Aufgaben erledigen. Allenfalls müsste sogar die Besoldungsverordnung des Grossen Rates angepasst werden.

8. Aus all diesen Überlegungen kommt die Personalrekurskommission zum Schluss, dass die dem Rekurrenten für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit auszurichtende Besoldung sowohl den Grundlohn als auch die Inkonvenienzzulage zu umfassen hat. Der Rekurs ist daher zu schützen. Soweit die Inkonvenienzzulage nicht bereits ausbezahlt worden ist, muss diese für das erste Jahr der Arbeitsunfähigkeit zu 100% und für das zweite Jahr zu 80% nachträglich ausgerichtet werden.

Entscheid der Personalrekurskommission vom 11. August 2015

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.