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TVR 2017 Nr. 21

Unbefangenheit der Beschaffungsstellen im Vergabeverfahren; Gewichtung des Preises und Preiskurve; Qualität und Erfahrung des Anbieters, Referenzen


Art. 11 lit. d IVöB, § 42 Abs. 1 VöB, § 7 Abs. 1 Ziff. 4 VRG


1. Die Anforderungen an die Unbefangenheit von Verwaltungsbehörden gelten auch für die Beschaffungsstellen im Vergabeverfahren (E. 2).

2. Der Angebotspreis muss im Normalfall mit 40% bis 50% gewichtet werden. Bei Bauleistungen ist sogar eher von 50% auszugehen, wobei die Preiskurve so zu gestalten ist, dass diesem Kriterium tatsächlich auch das ihm zustehende Gewicht zukommt (E. 3).

3. Bei der Qualität kann unter Umständen die grössere Erfahrung eines Anbieters aufgrund der Anzahl der Referenzobjekte honoriert werden, wenn dies in den Ausschreibungsunterlagen so vorgesehen wurde. Es können aber nicht einfach für jede Referenz, welche weniger nachgewiesen wurde, zwei Punkte in Abzug gebracht werden (E. 4).


Die Volksschulgemeinde A schrieb im Juni 2017 die Vergabe der Baumeisterarbeiten in Zusammenhang mit dem Projekt „Erweiterung und Sanierung B“ im offenen Verfahren aus. Als Zuschlagskriterien wurden in den Ausschreibungsunterlagen folgende genannt: 1. Preis, 2. Qualität, 3. Schlüsselperson, 4. Ortsansässigkeit, 5. Regieansätze, 6. Lernende. Insgesamt gingen bei der Volksschulgemeinde A acht Offerten ein. Dazu gehörten die Offerte der C über den Betrag von Fr. 744‘998.55 sowie die Offerte der D über den Betrag von Fr. 790‘559.80. Bei einer maximal möglichen Punktzahl von 100 erreichte die D mit 80 Punkten den ersten Platz, währenddem C mit 68 Punkten den zweiten Platz erzielte. Daraufhin wurde der Zuschlag für die Baumeisterarbeiten von der Baukommission der D zum Preis von Fr. 790‘559.80 erteilt. Die dagegen von der C erhobene Beschwerde heisst das Verwaltungsgericht gut, hebt den Zuschlagsentscheid auf und weist die Sache zur Neuvergabe an die A zurück.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 Die Anforderungen an die Unbefangenheit von Verwaltungsbehörden gelten auch für die Beschaffungsstellen im Vergabeverfahren (vgl. dazu auch Art. 11 lit. d IVöB und § 7 VRG sowie TVR 2014 Nr. 2). Zudem fallen während des Vergabeverfahrens auch Private, welche die Vergabebehörde als Hilfspersonen bei der Durchführung des Verfahrens unterstützen, unter die Ausstandspflicht (Jäger, Die Vorbefassung des Anbieters im öffentlichen Beschaffungsrecht, Zürich/St. Gallen 2009, S. 63 ff.). Der Autraggeber muss folglich die Qualifikation, Unabhängigkeit und Integrität ihrer externen Berater und Experten sorgfältig prüfen (Schneider Heusi, Vergaberecht in a nutshell, Zürich 2013, S. 74 ff.).

2.2 In der Replik vom 1. September 2017 hat C Ausstandsgründe gegenüber E geltend gemacht. E, welcher die Beschwerdegegnerin berate und bei der F angestellt sei, soll auch während des Vergabeverfahrens Aufträge für die Zuschlagsempfängerin ausgeführt haben. Ob diese Ausstandsgründe gegen E nicht bereits in der Beschwerdeschrift und nicht erst in der Replik hätten geltend gemacht werden müssen, kann vorliegend offen gelassen werden. Ebenfalls braucht im vorliegenden Beschwerdeverfahren aufgrund des Verfahrensausgangs nicht abschliessend beurteilt zu werden, ob tatsächliche Ausstandsgründe gegen E vorliegen, und diesbezüglich ist die Aktenlage denn auch nicht aussagekräftig genug. Jedoch wird die Beschwerdegegnerin diese Rüge zu beachten und E vom weiteren Vergabeverfahren auszuschliessen haben, falls er tatsächlich aufgrund seiner Verbindungen zur Zuschlagsempfängerin vorbefangen sein sollte. Dieser Frage hat die Beschwerdegegnerin mit der notwendigen Sorgfalt nachzugehen, wobei sie sich dabei nicht darauf berufen kann, dass in kleinräumigen Verhältnissen ein gegebener Ausstandsgrund nicht zu beachten wäre.

3.
3.1 In materieller Hinsicht gilt es vorab festzuhalten, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Zuschlagsempfängerin unbestrittenermassen die Eignungskriterien erfüllen. Unbestritten ist zudem auch die Reihenfolge der Zuschlagskriterien und diese wurden auch nicht in Zusammenhang mit der Ausschreibung angefochten (Art. 15 Abs. 1bis lit. a IVöB). Im Weiteren besteht auch keine Verpflichtung im kantonalen Verfahren, im Voraus Punktzahlen oder Prozentangaben anzugeben, auch wenn dies grundsätzlich wünschenswert wäre (vgl. dazu auch TVR 2014 Nr. 24).

3.2 Bei der Festlegung der Gewichtung der Kriterien kommt dem Auftraggeber ein grosses Ermessen zu. Mit Bezug auf den Angebotspreis gilt es jedoch festzuhalten, dass dieser praxisgemäss mit 40% bis 50% gewichtet werden muss (vgl. dazu auch TVR 2006 Nr. 26, TVR 2012 Nr. 19 und TVR 2014 Nr. 24, E. 4.4). Bei Bauleistungen ist sogar eher von 50% auszugehen, wobei die Preiskurve so zu gestalten ist, dass diesem Kriterium tatsächlich auch das ihm zustehende Gewicht zukommt. Die Gewichtung des Preises mit lediglich 30% ist somit nicht angemessen. Zudem ist die Preiskurve zu flach ausgefallen und eine Differenz von über Fr. 170‘000.-- vom preisgünstigsten zum teuersten Angebot darf bei der Höhe der vorliegenden Offertpreise nicht lediglich 15 Punkte betragen. Im Weiteren erscheint es als richtig, den Angebotspreisen mit einer linearen Bewertung Rechnung zu tragen, die ausgehend vom preislich tiefsten Angebot nach einer bestimmten Preisspanne zu null Punkten führt (Schneider Heusi, a.a.O., S. 102). Somit ist jedoch von den effektiven Angeboten und nicht von einem abstrakten Kostenvoranschlag auszugehen. Dies wird die Beschwerdegegnerin im Rahmen der neu vorzunehmenden Bewertung bzw. Vergabe zu berücksichtigen haben.

4. In Zusammenhang mit dem Zuschlagskriterium der Qualität gilt es vorab festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin bei den Referenzen keine Mindest- oder Maximalanzahl von Objekten verlangt hat. Ebenso gilt es zu berücksichtigen, dass gemäss unbestritten gebliebener Darstellung der Beschwerdeführerin die Arbeitsqualität der Beschwerdeführerin und der Zuschlagsempfängerin als sehr gut beurteilt wurde. Daraus wäre aber zu schliessen, dass mit Bezug auf die Arbeitsqualität sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Zuschlagsempfängerin wohl dieselbe Punktzahl gewährt werden müsste. Zwar kann unter Umständen die grössere Erfahrung eines Anbieters aufgrund der Anzahl der Referenzobjekte honoriert werden, wobei dies in den Ausschreibungsunterlagen vermerkt werden müsste. Zudem bergen solche Kriterien die Gefahr, dass neue Anbieter zum Vornherein ausgeschlossen sind, weil sie gar nie die erforderliche Anzahl der Referenzobjekte nachweisen können. Auf jeden Fall können aber nicht - wie dies vorliegend gemacht wurde - einfach für jede Referenz, welche weniger nachgewiesen wurde, zwei Punkte (von insgesamt 25 Punkten) in Abzug gebracht werden. Dies führt zum vorliegend nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin lediglich 11 und die Zuschlagsempfängerin 25 Punkte erhalten haben, obwohl bei beiden die Arbeitsqualität als sehr gut bezeichnet wurde. Sind zwei Anbieter in gleicher Weise für die Arbeiten qualifiziert, muss aber letztendlich der Preis ausschlaggebend sein. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass in einem früheren Ausschreibungsverfahren offenbar der Anzahl der Referenzen ein massgebliches Gewicht beigemessen wurde. Prüft der Auftraggeber zudem die Referenzen, so ist das Telefongespräch schriftlich in einer Aktennotiz festzuhalten, insbesondere zu den angefragten Referenzpersonen, zum Inhalt der Auskunft sowie zum Zeitpunkt der Anfrage/Auskunft (Schneider Heusi, a.a.O., S. 105).

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2017.103/E vom 15. November 2017

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