TVR 2019 Nr. 28
Hilflosenentschädigung, Bemessung des Intensivpflegezuschlags, Anwendung des KSIH, Beweiswert des Abklärungsberichts
Art. 42 ter Abs. 3 IVG , Art. 39 IVV, Art. 69 Abs. 2 IVV
1. Das KSIH ist eine Verwaltungsanweisung; solche sind wohl für die Durchführungsorgane, nicht aber für die Gerichtsinstanzen verbindlich. Das Gericht soll sie bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht vom KSIH ab, wenn die darin enthaltenen Weisungen mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind (E. 2.2.2).
2. Sofern der Bericht der Abklärungsperson eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage im Sinne der Rechtsprechung darstellt, greift das Gericht in das Ermessen der Abklärungsperson nur ein, wenn klar feststellbare Fehleinschätzungen vorliegen (E. 2.3).
3. Ist ein Abklärungsbericht, auf den sich die IV-Stelle für ihre Verfügung stützt, unvollständig, und ist nicht auszuschliessen, dass ein zusätzlicher Aufwand geltend gemacht werden kann, ist die Angelegenheit zur Ergänzung des Berichts und zum Neuentscheid über den Leistungsanspruch zurückzuweisen (E. 3).
L, geboren am 5. Dezember 2007, leidet an einer bilateralen spastischen Cerebralparese mit/bei periventrikulärer Leukomalazie, alternierendem Stabismus divergens, Kniestreckdefiziten mit Kauergang, altersentsprechender kognitiver Entwicklung im unteren Altersnormbereich mit motorischen visuoperzeptiven sowie konstruktiven Teilleistungsschwächen und langsamem Arbeitstempo sowie intermittierenden Spannungstypkopfschmerzen. Die IV-Stelle verfügte am 1. März 2011 eine Entschädigung wegen Hilflosigkeit schweren Grades. Zudem verfügte sie einen Intensivpflegezuschlag für einen täglichen invaliditätsbedingten Betreuungsaufwand von mindestens vier Stunden pro Tag. Am 7. Juni 2018 leitete die IV-Stelle eine Revision der Hilflosenentschädigung für Minderjährige ein und am 4. Oktober 2018 fand eine Abklärung für eine Hilflosenentschädigung für Minderjährige (inklusive Intensivpflegezuschlag) statt. Die Abklärungsperson ermittelte einen Mehraufwand für die Intensivpflege von 5 Stunden und 21 Minuten, worauf die IV-Stelle verfügte, es bestehe ein unveränderter Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung schweren Grades sowie auf einen Intensivpflegezuschlag von mindestens vier Stunden. Dagegen erhob L Beschwerde beim Verwaltungsgericht als Versicherungsgericht, das die angefochtene Verfügung aufhebt und zur Ergänzung des Abklärungsberichts an die IV-Stelle zurückweist.
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Grundsätzlich unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung schweren Grades sowie auf einen Intensivpflegezuschlag hat. Umstritten ist jedoch, wie hoch der Intensivpflegezuschlag auszufallen hat.
2.2
2.2.1 Gemäss Art. 42ter Abs. 3 IVG wird die Hilflosenentschädigung für Minderjährige, die zusätzlich eine intensive Betreuung brauchen, um einen Intensivpflegezuschlag erhöht. Dieser Zuschlag wird nicht gewährt beim Aufenthalt in einem Heim. Der monatliche Intensivpflegezuschlag beträgt bei einem invaliditätsbedingten Betreuungsaufwand von mindestens acht Stunden pro Tag 60 Prozent, bei einem solchen von mindestens sechs Stunden pro Tag 40 Prozent und bei einem solchen von mindestens vier Stunden pro Tag 20 Prozent des Höchstbetrags der Altersrenten nach Art. 34 Abs. 3 und 5 AHVG. Der Zuschlag berechnet sich pro Tag. Der Bundesrat regelt im Übrigen die Einzelheiten. Nach Art. 39 IVV liegt eine intensive Betreuung im Sinn von Art.?42ter Abs. 3 IVG bei Minderjährigen vor, wenn diese im Tagesdurchschnitt infolge Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzliche Betreuung von mindestens vier Stunden benötigen (Abs. 1). Anrechenbar als Betreuung ist der Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege im Vergleich zu nichtbehinderten Minderjährigen gleichen Alters. Nicht anrechenbar ist der Zeitaufwand für ärztlich verordnete medizinische Massnahmen, die durch medizinische Hilfspersonen vorgenommen werden, sowie für pädagogisch-therapeutische Massnahmen (Abs. 2). Bedarf eine minderjährige Person infolge Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzlich einer dauernden Überwachung, so kann diese als Betreuung von zwei Stunden angerechnet werden. Eine besonders intensive behinderungsbedingte Überwachung ist als Betreuung von vier Stunden anrechenbar (Abs. 3).
2.2.2 Der Intensivpflegezuschlag wird im Kreisschreiben des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH, Stand 1. Januar 2018) sowie im Anhang IV zum KSIH konkretisiert (Urteil des Bundesgerichts 8C_573/2018 vom 8. Januar 2019 E. 3.1.2; Urteil des Sozialversicherungsgerichts Zürich IV.2018.00355 vom 24. September 2018, E. 5.1). Bei einem Kreisschreiben handelt es sich um eine von der Aufsichtsbehörde für richtig befundene Auslegung von Gesetz und Verordnung. Die Weisung ist ihrer Natur nach keine Rechtsnorm, sondern eine im Interesse der gleichmässigen Gesetzesanwendung abgegebene Meinungsäusserung der sachlich zuständigen Aufsichtsbehörde. Solche Verwaltungsweisungen sind wohl für die Durchführungsorgane, nicht aber für die Gerichtsinstanzen verbindlich (BGE 118 V 206 E. 4c, vgl. auch 123 II 16 E. 7, 119 V 255 E. 3a mit Hinweisen). Das Gericht soll sie bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Es weicht andererseits insoweit von den Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind (BGE 123 V 70 E. 4a mit Hinweisen, Urteil des Sozialversicherungsgerichts Zürich IV.2018.00355 vom 24.?September 2018, E. 5.1).
2.3
2.3.1 Gemäss Art. 69 Abs. 2 IVV kann die IV-Stelle zur Prüfung eines Leistungsanspruchs unter anderem Abklärungen an Ort und Stelle vornehmen. Nach der Rechtsprechung hat ein Abklärungsbericht unter dem Aspekt der Hilflosigkeit (Art. 9 ATSG) oder des Pflegebedarfs folgenden Anforderungen zu genügen: Als Berichterstatterin oder Berichterstatter wirkt eine qualifizierte Person, welche Kenntnis der örtlichen und räumlichen Verhältnisse sowie der aus den seitens der Mediziner gestellten Diagnosen sich ergebenden Beeinträchtigungen und Hilfsbedürftigkeiten hat. Bei Unklarheiten über physische oder psychische Störungen und/oder deren Auswirkungen auf alltägliche Lebensverrichtungen sind Rückfragen an die medizinischen Fachpersonen nicht nur zulässig, sondern notwendig. Weiter sind die Angaben der Hilfe leistenden Personen zu berücksichtigen, wobei divergierende Meinungen der Beteiligten im Bericht aufzuzeigen sind. Der Berichtstext schliesslich muss plausibel, begründet und detailliert bezüglich der einzelnen alltäglichen Lebensverrichtungen sowie den tatbestandsmässigen Erfordernissen der dauernden Pflege, der persönlichen Überwachung und der lebenspraktischen Begleitung sein. Schliesslich hat er in Übereinstimmung mit den an Ort und Stelle erhobenen Angaben zu stehen. Das Gericht greift, sofern der Bericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage im eben umschriebenen Sinne darstellt, in das Ermessen der die Abklärung tätigenden Person nur ein, wenn klar feststellbare Fehleinschätzungen vorliegen. Das gebietet insbesondere der Umstand, dass die fachlich kompetente Abklärungsperson näher am konkreten Sachverhalt ist als das im Beschwerdefall zuständige Gericht (BGE 140 V 543 E. 3.2.1 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 8C_756/2011 vom 12. Juli 2012 E. 3.2, in: SVR 2012 IV Nr. 54 S. 195). Diese Grundsätze gelten entsprechend auch für die Abklärung der Hilflosigkeit unter dem Aspekt des Intensivpflegezuschlags (Urteil des Bundesgerichts 8C_573/2018 vom 8. Januar 2019 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen).
2.3.2 Der Abklärungsbericht, auf den sich die Beschwerdegegnerin für ihre Verfügung stützt, wurde von A, Sachbearbeiterin beim Sozialversicherungszentrum Thurgau in der Abteilung „Sachleistungen / Hilflosenentschädigung", und damit von einer qualifizierten Fachperson verfasst, was seitens der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird. Die Fachperson war bei der Beschwerdeführerin vor Ort und hatte für ihren Bericht somit Kenntnisse der örtlichen und räumlichen Verhältnisse. Die Fachspezialistin umschreibt am Anfang ihres Berichts auch die medizinische Situation der Beschwerdeführerin, woraus zu schliessen ist, dass sie Kenntnis der von den Medizinern gestellten Diagnosen und der sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen und Hilflosigkeiten hatte. Der Bericht ist plausibel, begründet und detailliert bezüglich der einzelnen alltäglichen Lebensverrichtungen („An- und Auskleiden", „Aufstehen, Absitzen und Abliegen (inklusive indirekte Hilfe)", „Essen", „Waschen, Kämmen, Baden/Duschen", „Verrichten der Notdurft [Transfer zum WC, Ordnen der Kleider, Körperreinigung, Überprüfen der Reinlichkeit]" sowie „Fortbewegen im oder ausserhalb des Hauses, Pflege gesellschaftlicher Kontakte"; vgl. hierzu Anhang IV KSIH) sowie den tatbestandsmässigen Erfordernissen der dauernden Pflege, der persönlichen Überwachung und der lebenspraktischen Begleitung. Er steht in Übereinstimmung mit den an Ort und Stelle erhobenen Angaben und zeigt auch die Differenzen zu den Angaben der Eltern auf. Das Gericht greift daher in das Ermessen der die Abklärung tätigenden Person nur ein, wenn klar feststellbare Fehleinschätzungen vorliegen. Zu prüfen ist, ob solche Fehleinschätzungen gegeben sind.
3.
3.1 Gemäss Rz. 8070 ff. KSIH ist im Rahmen der anrechenbaren Betreuung bei der Behandlungs- und Grundpflege der zeitliche Mehraufwand für die Betreuung gegenüber gleichaltrigen nichtbehinderten Minderjährigen zu berücksichtigen, der durch Massnahmen der Behandlungspflege (das heisst medizinische Massnahmen, sofern nicht durch medizinische Hilfspersonen erbracht), und bzw. oder der Grundpflege verursacht wird. Zur Sicherstellung der Rechtsgleichheit bei der Anspruchsbemessung wurden zum anrechenbaren Mehraufwand zeitliche Höchstgrenzen festgelegt. Anhang IV KSIH nennt diese Höchstgrenzen sowie die für die Betreuung nicht behinderter Minderjähriger notwendige Zeit (vgl. Rz. 8074 KSIH).
3.2
3.2.1 Die Fachspezialistin der Beschwerdegegnerin berechnete für „An- und Auskleiden" der Beschwerdeführerin 35 Minuten Pflege sowie einen Zusatz von 10 Minuten für hochgradige Spastizität. Diese Werte entsprechen dem Maximalwert von Anhang IV KSIH für Jugendliche ab 10 Jahren. Die Schätzung mit Bezug auf das eigentliche An- und Auskleiden divergiert gegenüber derjenigen der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Eltern lediglich um 5 Minuten. Darüber hinaus macht die Beschwerdeführerin einen zusätzlichen Aufwand für „Kleider auswählen und bereitlegen" von fünf Minuten geltend. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Angaben der Beschwerdeführerin und der Fachperson kaum divergieren und kein Grund ersichtlich ist, hier in das Ermessen der Fachperson einzugreifen. Hinzu kommt, dass die Eltern der Beschwerdeführerin offenbar versuchen, sie in möglichst alle Prozesse miteinzubeziehen und möglichst viele Verrichtungen selbständig machen zu lassen. Ein solches Vorgehen ist für die Entwicklung der Beschwerdeführerin wohl förderlich, jedoch kann ein dadurch entstehender zusätzlicher Zeitverbrauch nicht als Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege im Vergleich zu nicht behinderten Minderjährigen gleichen Alters im Sinne von Art. 39 Abs. 2 IVV bezeichnet und damit bei der Berechnung des Intensivpflegezuschlags auch nicht berücksichtigt werden.
3.2.2 Für die Position „Aufstehen / Absitzen / Abliegen" rechnete die Fachperson der Beschwerdegegnerin einen Zeitaufwand von 30 Minuten an. Dies entspricht dem Maximalwert für Jugendliche ab 10 Jahren gemäss Anhang IV KSIH. Die Beschwerdeführerin macht hier 55 Minuten geltend, ohne dies jedoch näher zu begründen. Darüber hinaus macht sie einen Zeitaufwand von 10 Minuten für zusätzliches Lagern, 10 Minuten zur Massage der Spasmen und fünf Minuten für aufstehen und beruhigen geltend. Ein solcher Aufwand kann jedoch nur geltend gemacht werden, wenn er medizinisch bedingt ist. Dass das Aufstehen und Beruhigen medizinisch bedingt sind, wird nicht nachgewiesen. Die Beschwerdeführerin kann problemlos kommunizieren. Für die Umlagerung vom Rücken auf den Bauch, was von der Fachperson nicht erwähnt wird, können maximal sechs Minuten geltend gemacht werden. Nachdem die Fachperson beim Punkt „An- und Auskleiden" einen Zuschlag wegen hochgradiger Spastizität von 10 Minuten für Spasmen gewährte, wäre es nicht folgerichtig, diesen Zuschlag, den Anhang IV KSIH hier ebenfalls zulässt, nicht zu gewähren.
3.2.3 Für die Position „Essen" rechnete die Fachperson einen Mehraufwand von insgesamt 60 Minuten und zusätzliche fünf Minuten für das Zerkleinern der Mahlzeiten an, was Anhang IV KSIH entspricht. Da die Beschwerdeführerin nicht bestreitet, dass sie grundsätzlich ihre Nahrung, einmal zerkleinert, ebenso wie den Trinkbecher selber zum Mund führen kann, und dass ihre Eltern nebenher essen können, entspricht auch der Abzug von 75 Minuten für die Präsenzzeit am Familientisch Anhang IV KSIH. Die Berechnung ist grundsätzlich korrekt. Da die Beschwerdeführerin unter der Woche auswärts die Schule im Heilpädagogischen Zentrum besucht, kann sie Z’Nüni und Z‘Vieri dort zu sich nehmen. Allerdings hat die Beschwerdeführerin am Mittwochnachmittag frei und ist über das Wochenende zuhause. Hierfür können pro Zwischenmahlzeit, die zuhause eingenommen wird, laut Anhang IV KSIH 10 Minuten berechnet werden. Dies ergibt einen zusätzlichen Aufwand von 7 Minuten pro Tag (5 x 10 Minuten : 7). Diese sieben Minuten wirken sich jedoch nicht aus, weil zu den angerechneten 65 Minuten noch einmal 7 Minuten hinzu kämen, was 72 Minuten ergäbe, jedoch immer noch 75 Minuten abzuziehen wären. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin kann hingegen für vermehrtes Trinken kein Zusatzaufwand geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin kann sich den Becher selber zum Mund führen und selbständig trinken. Hierfür bedarf es keiner weiteren Betreuung.
3.2.4 Für die Position „Körperpflege" berechnete die Fachperson einen täglichen Wert von 60 Minuten, was dem Maximalwert gemäss Anhang IV KSIH entspricht. Die Beschwerdeführerin macht zunächst ohne nähere Begründung einen Zeitaufwand von 77 Minuten geltend sowie zusätzlich 30 Minuten für das Rasieren der Körperbehaarung inklusive der Intimrasur, damit im Intimbereich gründlich gereinigt werden kann. Die Beschwerdeführerin weist nicht nach, dass eine Rasur im Intimbereich medizinisch notwendig ist, weil ansonsten die - ohnehin von der Spitex durchgeführte - Reinigung nicht möglich wäre. Es wird nicht dargelegt, dass ohne die Rasur ein erhöhtes Infektions- oder sonstiges Gesundheitsrisiko besteht. Im Übrigen handelt es sich bei der Rasur der übrigen Körperhaare einzig um einen ästhetischen Gesichtspunkt, der mit notwendiger Hygiene und damit einem notwendigen, zusätzlichen Pflegebedarf nichts zu tun hat. Hierfür kann kein zusätzlicher Aufwand geltend gemacht werden.
3.2.5 Für den Punkt „Verrichten der Notdurft" wurde ein Zeitbedarf von 30 Minuten angerechnet. Diese Einschätzung deckt sich grundsätzlich mit der Berechnung der Eltern, doch machen sie weitere 20 Minuten für Begleitung zum WC und 12 Minuten wegen allfälliger Spasmen geltend. Nachdem die Fachperson beim Punkt „An- und Auskleiden" einen Zuschlag von 10 Minuten für Spasmen gewährte, wäre es nicht folgerichtig, diesen Zuschlag, den Anhang IV KSIH hier ebenfalls zulässt, nicht zu gewähren.
3.2.6 Für den Punkt „Fortbewegung" ist gemäss Anhang IV KSIH kein Mehraufwand zulässig und wird von Seiten der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht.
3.3 Unter dem Titel „Behandlungspflege" wurden der Beschwerdeführerin für physiotherapeutische Übungen und für das An- und Ausziehen der Orthesen insgesamt 20 Minuten angerechnet. Hierzu führte der Bericht der Fachspezialistin aus, was folgt: „Die Unterschenkel-Orthesen werden jeweils am Morgen und am Abend angezogen. Die Beschwerdeführerin wird täglich in den Stehständer transferiert und ca. zweimal pro Woche benutzt sie den Motomed. Sie benötigt jedoch während des Trainings keine weiteren Hilfeleistungen, sondern kann fernsehen oder sich anderweitig beschäftigen. Deshalb wird pauschal 10 Minuten für die Transfers und das Massieren und Dehnen angerechnet." Die Beschwerdeführerin führte hierzu aus, ihr würden immer wieder Spasmen wiederfahren, weshalb sie eine dabeibleibende Person benötige, um sie zu unterstützen, was nicht angeführt sei. Allerdings widerspricht die Beschwerdeführerin den Ausführungen der Fachspezialistin, wonach sie das Training mit dem Motomed grundsätzlich selber durchführen kann, nicht. Dass während des Trainings eine weitere Person in der Nähe sein muss, um bei Spasmen gegebenenfalls helfen zu können, kann nicht angerechnet werden bzw. ist - wie noch zu zeigen sein wird - durch den Zuschlag für die dauernde Überwachung berücksichtigt. Soweit die Beschwerdeführerin auf die Benutzung des Hase-Bikes hinweist, führte die Beschwerdegegnerin im angefochtenen Entscheid zu Recht aus, es müsse unterschieden werden, zwischen ärztlich verordneter Behandlungspflege und Freizeit. Die Benützung des Hase-Bikes gehört zweifellos zur Freizeitbeschäftigung, auch wenn die Beschwerdeführerin diese nicht ohne ihre Eltern oder eine Begleitperson ausüben kann.
3.4 Schliesslich berechnete die Fachperson für „Begleitung zu Arzt- und Therapiebesuchen" insgesamt 16 Minuten. Berücksichtigt wurden dafür Orthopädie und Entwicklungskontrollen Kispi St. Gallen, Hippotherapie in Thundorf und Physiotherapie im Tempelacker in Frauenfeld. Die Beschwerdeführerin macht darüber hinaus zwei Augenarztbesuche pro Jahr à 120 Minuten, zwölf Besuche beim Ortho-Team Gelbart à 120 Minuten sowie 52 Besuche bei der Psychiaterin Dr. med. P in Kreuzlingen à 60 Minuten geltend. Dass die Beschwerdeführerin eine Brille trägt, ist ausgewiesen und wird von der Fachperson auch erwähnt. Dass die Beschwerdeführerin hierfür allerdings jährlich zwei Arztbesuche benötigen soll, geht aus den Akten nicht hervor und ist auch nicht nachvollziehbar. In der Regel wird eine Anpassung in weit grösseren Abständen benötigt. Ohne ärztliche Bestätigung, dass jährlich tatsächlich zwei Augenarztbesuche notwendig sind, kann der Besuch beim Augenarzt nicht berücksichtigt werden, jedenfalls nicht in diesem Umfang. Gleiches gilt für die zwölf Besuche beim Ortho-Team Gelbart. Die Beschwerdeführerin erläutert nicht nachvollziehbar, wofür zwölf jährliche Besuche beim Orthopäden notwendig sein sollen. Hingegen ist nachgewiesen, dass die Beschwerdeführerin eine ambulante Psychotherapie zugesprochen erhalten hat. Die Kostengutsprache vom 11. Februar 2019 beinhaltet wöchentliche Sitzungen à 60 Minuten. Da die Kostengutsprache erst nach dem Erstellen des Berichts betreffend Hilflosenentschädigung am 4. Oktober 2018 erteilt wurde, konnte der entsprechende Aufwand hierfür noch nicht berücksichtigt werden. Die Beschwerdegegnerin hätte den Aufwand aber berücksichtigen müssen. Die Beschwerdeführerin macht hierfür 52 x 60 Minuten geltend. Diese Berechnung lässt unberücksichtigt, dass auch die Psychiaterin jährlich mindestens vier Wochen Ferien macht und auch die Beschwerdeführerin in den Ferien weilt oder zu Rehabilitationszwecken abwesend ist. Somit ist von jährlich 44 Therapiebesuchen à 60 Minuten auszugehen, was insgesamt 2'640 Therapieminuten entspricht. Geteilt durch 365 Tage ergibt dies pro Tag 7,23 Minuten. Geht man von acht Minuten pro Tag aus, ergäbe dies 2'920 Minuten und somit eine Differenz von 280 Minuten. In diesen beinahe fünf Stunden pro Jahr sollten ein einmaliger Besuch für die Augenkontrolle und ein bis zwei Besuche beim Orthopäden problemlos möglich sein. Es wird daher ein zusätzlicher Aufwand von 8 Minuten angerechnet.
3.5
3.5.1 Die Beschwerdeführerin macht schliesslich noch geltend, sie könne ohne Drittperson keine sozialen/gesellschaftlichen Kontakte pflegen. Durch den Intensivpflegezuschlag wird jedoch nur ein Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege abgedeckt (Art. 39 Abs. 2 IVV), wozu auch die Begleitung zu Arzt- und/oder Therapiebesuchen zählt (Anhang IV KSIH, S. 224). Voraussetzung, dass hierfür ein weiterer Aufwand geltend gemacht werden könnte, wäre, dass die Beschwerdeführerin wegen einer schweren Sinnesschädigung oder eines schweren körperlichen Gebrechens nur dank regelmässiger und erheblicher Dienstleistungen Dritter gesellschaftliche Kontakte pflegen kann (Art. 37 Abs. 3 lit. d IVV). Der Abklärungsbericht verweist unter Ziff. 1.4.1 „Gesellschaftliche Kontakte" auf Rz 8064 ff. KSIH. Rz 8068 führt hierzu aus, eine Hilflosigkeit leichten Grades liege zudem vor bei Körperbehinderten, die sich in einer weiteren Umgebung der Wohnung wegen ihrer schweren körperlichen Behinderung trotz Benützung eines Rollstuhls nicht ohne Dritthilfe fortbewegen könnten.
3.5.2 Auf dem Formular „Hilflosenentschädigung für Minderjährige (Revision)" wurde festgehalten, dass die Kontakte schwieriger geworden seien, weil die Beschwerdeführerin zusätzliche Fixtermine habe. Besucher kämen zu ihr, weil diese nicht rollstuhlgängig wohnten. Der Abklärungsbericht hält zu diesem Punkt lediglich fest, dass die Beschwerdeführerin eine Brille trage, mit dieser jedoch gut sehe. Zur Frage, ob und inwiefern die Beschwerdeführerin zur Pflege gesellschaftlicher Kontakte ausser Haus auf Dritthilfe angewiesen ist, äussert sich der Bericht ebenso wenig wie der angefochtene Entscheid. Dies, obwohl aufgrund der beschriebenen körperlichen Behinderungen der Beschwerdeführerin ihr Argument, für jegliche Kontakte ausser Haus sei sie auf die Hilfe Dritter angewiesen, durchaus nachvollziehbar erscheint. Die Beschwerdeführerin kommt zudem in ein Alter, in dem ausserhäusliche Kontakte normalerweise zum Leben dazu gehören. Der Abklärungsbericht hätte sich daher zu diesem Punkt äussern müssen und darzulegen gehabt, weshalb die Voraussetzungen im Sinne von Ziff. 1.4.1 des Abklärungsberichts hier nicht erfüllt sind. Deshalb erweist sich der Abklärungsbericht in diesem Punkt als unvollständig.
3.6 Die Beschwerdeführerin verweist zum Nachweis ihres Mehraufwandes auf die Angaben der Kinderspitex Ostschweiz. Der für die Übernahme von Leistungen der Hauspflege verwendete Begriff in der Invalidenversicherung der Behandlungs- und Grundpflege stimmt mit demjenigen in der Krankenversicherung (Art. 7 Abs. 2 lit. b und c der Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung) nicht überein (Urteil des Bundesgerichts 9C_666/2013 vom 25. Februar 2014 E. 8.2.1). Daher ist die Abklärung für den Pflegebedarf bei der Spitex nicht mit dem Bericht über den Bedarf beim Intensivpflegezuschlag vergleichbar und damit hier nicht aussagekräftig.
3.7 Schliesslich gilt es zu beachten, dass der Beschwerdeführerin, was unbestritten ist, zusätzlich zwei Stunden für die dauernde Überwachung im Sinne von Art.?39 Abs. 3 IVV angerechnet werden. Wenn die Beschwerdeführerin geltend macht, die von der Beschwerdegegnerin berechneten Zeitaufwände seien zu knapp bemessen, etwa in der Nacht, bei der Notdurft oder bei der Therapieausführung mit dem Motomed, so ist sie darauf hinzuweisen, dass diese Überwachung auch durch diesen Zuschlag abgegolten wird. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass sie einer besonders intensiven dauernden Überwachung im Sinne von Art. 39 Abs. 3 Satz 2 IVV bedarf. Eine besonders intensive dauernde Überwachung liegt vor, wenn von der Betreuungsperson überdurchschnittlich hohe Aufmerksamkeit und ständige Interventionsbereitschaft gefordert wird. Dies bedeutet, dass sich die Betreuungsperson permanent in unmittelbarer Nähe der versicherten Person aufhalten muss, da eine kurze Unachtsamkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit lebensbedrohliche Folgen hätte oder zu einer massiven Schädigung von Personen und Gegenständen führen würde (Rz 8079 KSIH). Das ist bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall. Die einberechneten zwei Stunden für die dauernde Überwachung im Sinne von Art. 39 Abs. 3 IVV sind daher angemessen.
3.8 Zusammengefasst ergibt sich somit, dass für die Position „Aufstehen / Absitzen / Abliegen" für die Umlagerung auf den Rücken zusätzlich maximal sechs Minuten und für die Spasmen zehn Minuten angerechnet werden können. Für den Punkt „Verrichten der Notdurft" wäre ein weiterer Zuschlag von zehn Minuten anzurechnen gewesen. Für „Begleitung zu Arzt- und Therapiebesuchen" ist sodann ein zusätzlicher Aufwand von acht Minuten gerechtfertigt. Tatsächlich angerechnet wurden 5 Stunden und 21 Minuten. Es wäre somit von der Fachspezialistin ein weiterer Aufwand von 34 Minuten anzurechnen gewesen, was insgesamt 5 Stunden und 55 Minuten ergibt. Bisher ist der Beschwerdeführerin ein Intensivpflegezuschlag im Sinne von Art. 42ter Abs.?3 IVG für einen Betreuungsaufwand von mindestens vier Stunden ausgerichtet worden, was 20 Prozent des Höchstbetrags der Altersrenten nach Art. 34 Abs. 3 und 5 AHVG entspricht. Eine Erhöhung des Intensivpflegezuschlags auf 40% des Höchstbetrags der Altersrenten nach Art. 34 Abs. 3 und 5 AHVG sieht Art 42ter Abs. 3 IVG ab mindestens sechs Stunden pro Tag vor. Diese sechs Stunden werden unter Berücksichtigung von weiteren 34 Minuten um nur fünf Minuten nicht erreicht. Wie in E. 3.5.2 ausgeführt, ist jedoch der Abklärungsbericht vom 4. Oktober 2018, auf den sich die Beschwerdegegnerin für ihre Verfügung stützt, unvollständig mit Bezug auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin für Kontakte ausser Haus im Sinne von Art. 37 Abs. 3 lit. c IVV auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und somit ein zusätzlicher Aufwand geltend gemacht werden kann. Ohne diese zusätzliche Abklärung lässt sich der Anspruch der Beschwerdeführerin auf den Intensivpflegezuschlag nicht abschliessend beurteilen. Die angefochtene Verfügung ist daher aufzuheben und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie nach Ergänzung des Abklärungsberichts über den Anspruch der Beschwerdeführerin auf den Intensivpflegezuschlag neu entscheide. In diesem Sinne wird die Beschwerde teilweise gutgeheissen.
Entscheid des Verwaltungsgerichts als Versicherungsgericht VV.2019.79/E vom 7. August 2019