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TVR 2019 Nr. 9

Ausserkantonaler Anwalt als unentgeltlicher Rechtsbeistand; grundsätzlich keine Annahme eines vorbestehenden Vertrauensverhältnisses allein aufgrund einer Mandatierung im vorinstanzlichen Rekursverfahren.


§ 81 Abs. 1 VRG


1. Grundsätzlich kann einem bedürftigen Beteiligten nur ein im Anwaltsregister des Kantons Thurgau eingetragener Anwalt als unentgeltlicher Anwalt bewilligt werden. Eine Ausnahme wird in der Praxis gemacht, wenn bereits ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht (E. 3.1).

2. Allein der Umstand, dass der ausserkantonale Rechtsvertreter die beschwerdeführende Partei bereits im vorinstanzlichen Verfahren vertreten hat, begründet kein besonderes Vertrauensverhältnis und vermag im Beschwerdeverfahren dessen Bewilligung als unentgeltlichen Anwalt nicht zu rechtfertigen (E. 3.3).


Eine im Anwaltsregister des Kantons St. Gallen eingetragene Anwältin ersuchte für ihre Mandantin in einem sozialhilferechtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau um Bewilligung als unentgeltliche Anwältin. Sie hatte die Beschwerdeführerin bereits im vorinstanzlichen Verfahren vertreten. Mit einem Zwischenentscheid weist das Verwaltungsgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung ab.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Nach § 81 VRG kann einem bedürftigen Beteiligten auf Antrag die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt werden, sofern das Verfahren nicht als aussichtslos oder mutwillig erscheint. Gemäss § 81 Abs. 2 VRG können als unentgeltliche Rechtsbeistände jedoch grundsätzlich nur im Anwaltsregister des Kantons Thurgau eingetragene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bewilligt werden. Das Bundesgericht hat diese Praxis mehrfach bestätigt. Eine Ausnahme wird in der Praxis gemacht, wenn bereits ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt besteht (vgl. Urteile des Bundesgerichts 5A_175/2008 vom 8. Juli 2008, 5A_623/2010 vom 26. November 2010 E. 2; vgl. auch TVR 2008 Nr. 13, Urteile des Bundesgerichts 9C_315/2018 vom 5. März 2019 E. 9.4.3, 2C_79/2013 vom 26. August 2013 E. 2.2.2.). Verneint hat das Bundesgericht jedoch ein vorbestehendes Vertrauensverhältnis im Urteil 2C_590/2018 vom 8. Mai 2019 in einem ausländerrechtlichen Verfahren, weil dieses keine besondere Komplexität aufwies und sich ein anderer Anwalt rasch in den Fall hätte einarbeiten können, obwohl der Anwalt seinen Klienten in der gleichen Angelegenheit über mehrere Instanzen vertrat (E. 3.5.4).

3.2 (…)

3.3 (…) Ein im Kanton Thurgau prozessierender Anwalt bzw. eine prozessierende Anwältin, die für ihre Mandantin ein Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung einreicht, hat den Wortlaut von § 81 Abs. 2 VRG sowie die dazu ergehende Rechtsprechung bereits im Zeitpunkt der Mandatierung zu kennen. Die Verhältnisse, welche die Ernennung eines ausserkantonalen Rechtsvertreters zum unentgeltlichen Rechtsbeistand nahelegen, dürfen nicht in missbräuchlicher Weise geschaffen worden sein (TVR 2015 Nr. 6 E. 3.4). Allein der Umstand, dass der ausserkantonale Rechtsvertreter die beschwerdeführende Partei bereits im vorinstanzlichen Verfahren vertrat, vermag im Beschwerdeverfahren dessen Bewilligung als unentgeltlichen Anwalt nicht zu rechtfertigen.

3.4 Den Ausführungen von RA X (…) lässt sich entnehmen, dass sie die Beschwerdeführerin erstmals im Verfahren vor der Vorinstanz vertreten hat und im Zeitpunkt dieser Mandatierung kein besonderes Vertrauensverhältnis bestand. Im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung (insbesondere Urteil des Bundesgerichts 2C_590/2018 vom 8. Mai 2018 und TVR 2015 Nr. 6) fehlt es somit offenkundig an einem vorbestehenden Vertrauensverhältnis, das ausnahmsweise die Bewilligung eines nicht im Anwaltsregister des Kantons Thurgau eingetragenen Anwalts als unentgeltlichen Rechtsbeistand erlauben würde. RA X kann sich nicht darauf berufen, durch die bereits erfolgte Zusammenarbeit im vorinstanzlichen Verfahren resultiere für das Beschwerdeverfahren ein vorbestehendes Vertrauensverhältnis, das den Anspruch auf freie Anwaltswahl in Abweichung von § 81 Abs. 2 VRG rechtfertigen würde. Ihr hätte als juristische Fachperson die Bestimmung von § 81 Abs. 2 VRG bekannt sein müssen, weshalb das Festhalten am Mandat für das Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht als missbräuchlich zu qualifizieren ist (vgl. TVR 2015 Nr. 6 E. 3.4). (…) Ein im Anwaltsregister des Kantons Thurgau eingetragener Anwalt bzw. eine Anwältin hätte sich zudem - entgegen den Vorbringen von RA X - rasch in den Fall einarbeiten können.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2019.160/Z vom 4. Dezember 2019

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