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TVR 2021 Nr. 26

Keine aufsichtsrechtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts; Auflagen betreffend Arbeitsbemühungen


§ 6 SHV, § 55 Abs. 1 Ziff 10 VRG, § 72 VRG


1. Das Verwaltungsgericht ist weder Aufsichtsbehörde der verfahrensbeteiligten Gemeinde noch Rechtsmittelinstanz für Beschwerden gegen Entscheide der Departemente über Aufsichtsbeschwerden (E. 1.2).

2. Die Fürsorgebehörde darf auf die in der Verfügung der IV-Stelle festgestellte Arbeitsfähigkeit abstellen und die unterstützte Person entsprechend verpflichten, Arbeitsbemühungen nachzuweisen, selbst wenn die Verfügung der IV-Stelle noch nicht rechtskräftig ist. Die unterstützte Person kann eine davon abweichende bzw. höhere Arbeitsunfähigkeit durch ein entsprechendes Arztzeugnis belegen. Sollte die Fürsorgebehörde davon abweichen wollen, hätte sie die unterstützte Person durch einen Vertrauensarzt abklären zu lassen, da sie die Arbeitsfähigkeit nicht nach eigenem Ermessen und abweichend von ärztlichen Attesten festlegen kann. Einer solchen Untersuchung hätte sich die unterstützte Person bei ernsthaften Zweifeln an der Richtigkeit oder Aktualität der verfügbaren Unterlagen denn auch zu unterziehen (E. 4.3).


Ende März 2019 zog E zusammen mit seiner von ihm seit 2015 geschiedene Ehefrau von F/ZH nach B/TG. Mit Verfügung vom 2. Dezember 2019 stellte die Invalidenversicherung die Rente von E mit der Begründung ein, er sei zu 70% arbeitsfähig. Dagegen ist beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich eine Beschwerde hängig. Die Politische Gemeinde B gewährte E mit Entscheid vom 4. März 2020 antragsgemäss ab Februar 2020 finanzielle Sozialhilfe. Sie ging von einer Zweck-Wohngemeinschaft aus, wobei sie festhielt, dass die aktuelle Wohnform in den kommenden Monaten überprüft werde und ihr Entscheid revidiert würde, sollte sie zu einer anderen Beurteilung kommen. E sei gemäss der Verfügung der Invalidenversicherung zu 70% arbeitsfähig, weshalb er verpflichtet werde, monatlich zehn Arbeitsbemühungen vorzulegen und sich beim RAV anzumelden. Bei Arbeitsunfähigkeit sei ein entsprechendes Arztzeugnis beizubringen. Der Mietzins der Wohnung liege Fr. 20.-- über der Mietzinslimite. Aufgrund des geringen Betrages sei es E überlassen, ob er sich eine neue Wohnung suchen oder den überhöhten Betrag von seinem Lebensunterhalt finanzieren wolle. Die aktuellen Wohnkosten würden längstens bis 30. Juni 2020 übernommen.
Den dagegen erhobenen Rekurs hiess das DFS insoweit gut, als es festhielt, dass die aktuellen Wohnkosten längstens bis zum Ablauf von drei Monaten ab Rechtskraft des Rekursentscheids des DFS übernommen werden müssten. Im Übrigen wies es den Rekurs ab, soweit es darauf eintrat. Das Verwaltungsgericht weist die Beschwerde von E ab, soweit es darauf eintritt.

Aus den Erwägungen:

1.2 (…) Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer die Öffnungszeiten der Fürsorgebehörde B und deren Terminvergabe sowie den Überweisungszeitpunkt der Unterstützungsleistungen beanstandet. Dies war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Das Verwaltungsgericht ist denn auch weder Aufsichtsbehörde der verfahrensbeteiligten Gemeinde (§ 72 VRG) noch Rechtsmittelinstanz für Beschwerden gegen Entscheide der Departemente über Aufsichtsbeschwerden (§ 55 Abs. 1 Ziff. 10 VRG).

2. Die politischen Gemeinden treffen Vorkehren, um soziale Not zu verhindern. Sie leisten Hilfe zu deren Behebung (§ 1 Abs. 1 SHG). Zuständig ist die Wohnsitzgemeinde des Hilfsbedürftigen (§ 4 Abs. 1 SHG). Verfügt jemand nicht über hinreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für sich und seine Angehörigen mit gleichem Wohnsitz, sorgt die Gemeinde für die notwendige Unterstützung, sofern vom Hilfsbedürftigen nicht verlangt werden kann, sich die Mittel durch eigene Arbeit zu beschaffen, und keine andere Hilfe möglich ist (§ 8 SHG). Der Hilfsbedürftige hat über seine Verhältnisse wahrheitsgetreu Auskunft zu geben und die erforderliche Akteneinsicht zu gestatten (§ 25 Abs. 1 SHG). Für die Bemessung der Unterstützung gemäss § 8 SHG finden in der Regel die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) Anwendung. Die SHV enthält ergänzend massgebende Konkretisierungen (§ 2a Abs. 1 Satz 2 SHV).

3.
3.1 Unter den Begriff Zweck-Wohngemeinschaften fallen Personengruppen, welche mit dem Zweck zusammenwohnen, die Miet- und Nebenkosten gering zu halten. Die Ausübung und Finanzierung der Haushaltsfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) erfolgt vorwiegend getrennt. Durch das gemeinsame Wohnen werden neben der Miete einzelne Kosten, welche im Grundbedarf enthalten sind, geteilt und somit verringert (z.B. Abfallentsorgung, Energieverbrauch, Festnetz, Internet, TV-Gebühren, Zeitungen, Reinigung; Kap. B.2.4 der SKOS-Richtlinien). Jedoch führen Personen in Wohn-Zweckgemeinschaften den Haushalt nicht gemeinsam (Wizent, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, Rz. 674, S. 252).

3.2 Die verfahrensbeteiligte Gemeinde ging im Entscheid vom 4. Februar 2020 von einer Zweck-Wohngemeinschaft aus. Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren erweisen sich die diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht nachvollziehbar und somit völlig unbegründet, nachdem er nicht bestreitet, mit seiner geschiedenen Ehefrau zusammen zu wohnen und selbst vom Vorliegen einer Zweck-Wohngemeinschaft spricht. Er bestreitet denn auch zu Recht nicht, dass sein Grundbedarf um 10% reduziert ist. Soweit sich die verfahrensbeteiligte Gemeinde vorbehält, die Wohnform des Beschwerdeführers zu überprüfen, ist dies vor dem Hintergrund ihrer Pflicht, den rechtserheblichen Sachverhalt abzuklären (§ 12 VRG), nicht zu beanstanden. Hilfsbedürftige trifft dabei eine umfassende Informations- und Mitwirkungspflicht (vgl. § 25 Abs. 1 SHG). Sie tragen die Beweislast dafür, dass die Vor­aussetzungen ihres Anspruchs auf finanzielle Unterstützung erfüllt sind (Urteil des Bundesgerichts 8C_851/2013 vom 15. Januar 2014 E. 4.3). Wird einer Verpflichtung, Einblick in die Wohnsituation zu gewähren, nicht nachgekommen, kann dies die Einstellung oder Kürzung der Leistungen zur Folge haben, was die verfahrensbeteiligte Gemeinde in ihrem Entscheid richtig ausgeführt hat. Nachdem für den Beschwerdeführer mit der blossen Ankündigung des Vorhabens der verfahrensbeteiligten Gemeinde keine Verpflichtungen und insbesondere keine Nachteile verbunden sind, ist er im jetzigen Zeitpunkt entsprechend nicht beschwert, weshalb nicht weiter darauf einzugehen ist.

4.
4.1 Die verfahrensbeteiligte Gemeinde geht von einer Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers von 70% aus, weshalb sie ihn angewiesen hat, monatlich schriftlich und unaufgefordert zehn Arbeitsbemühungen inklusive Bewerbungsschreiben und Absagebriefe vorzulegen. Zudem habe er sich beim RAV anzumelden. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, er sei zu 100% arbeitsunfähig, was belegt sei, weshalb eine Bewerbungspflicht nicht gefordert werden könne.

4.2 Die grundsätzliche Zulässigkeit zum Erlass von Auflagen ergibt sich aus § 6 SHV. Auflagen, Weisungen und Bedingungen sind Nebenbestimmungen einer Verfügung. Nebenbestimmungen müssen mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vereinbar sein. Sie müssen die Voraussetzungen der Eignung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismässigkeit zwischen Zweck und Wirkung des Eingriffs erfüllen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Zürich/St. Gallen 2020, N. 926 und 929). Aus den die Sozialhilfe prägenden Grundsätzen der Eigenverantwortung und der Subsidiarität folgt, dass hilfesuchende Personen dazu verpflichtet sind, alles Zumutbare zur Behebung der eigenen Notlage zu unternehmen, insbesondere die eigene Arbeitskraft einzusetzen und eine zumutbare Erwerbstätigkeit anzunehmen (BGE 130 I 71 E. 5.3). Damit verbunden ist in einem ersten Schritt selbstredend die Pflicht, sich eine Arbeit zu suchen. Nach § 8b SHG können Hilfsbedürftige denn auch zur Aufnahme einer zumutbaren Arbeit auf dem freien Markt oder im Rahmen eines Beschäftigungsprogrammes verpflichtet werden. Bei Weigerung wird die Unterstützung gekürzt oder eingestellt (§ 2h Abs. 3 SHV; vgl. TVR 2008 Nr. 30).

4.3
4.3.1 Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat die Rente des Beschwerdeführers mit Verfügung vom 2. Dezember 2019 eingestellt und ist von einer Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers im Umfang von 70% ausgegangen. Dagegen ist seit Januar 2020 eine Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hängig, wobei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen ist (Art. 66 IVG i. V. mit Art. 97 AHVG). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die verfahrensbeteiligte Gemeinde im Zeitpunkt ihres Entscheids am 4. März 2020 von einer 70%igen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ausging und ihn entsprechend verpflichtete, Arbeitsbemühungen nachzuweisen, zumal sie ihm angezeigt hat, dass er eine höhere Arbeitsunfähigkeit durch ein entsprechendes Arztzeugnis belegen kann. Es ist dem Beschwerdeführer somit jederzeit unbenommen nachzuweisen, dass die zum damaligen Zeitpunkt angenommene 70%ige Arbeitsfähigkeit nicht mehr oder nur noch teilweise besteht. Eine solche reduzierte Arbeitsfähigkeit hat der Beschwerdeführer laufend mittels Arztzeugnissen zu belegen. Auch im Rahmen einer solchen allenfalls zusätzlich reduzierten Arbeitsfähigkeit hat er aber die Auflagen der verfahrensbeteiligten Gemeinde (Einreichung von Arbeitsbemühungen und Anmeldung beim RAV) zu erfüllen. Bei einer Nichtbefolgung der Auflagen wird der Beschwerdeführer mit Leistungskürzungen oder -einstellungen rechnen müssen. Die verfahrensbeteiligte Gemeinde hat diesbezüglich zu Recht in Aussicht gestellt, detaillierte bzw. begründete Arztzeugnisse des Hausarztes und der Psychiaterin einzufordern (vgl. § 25 Abs. 1 SHG, TVR 2018 Nr. 29 E. 2.5). Sollte sie von einschlägigen Arztzeugnissen abweichen wollen, hätte sie den Beschwerdeführer allerdings durch einen Vertrauensarzt abklären zu lassen, da sie die Arbeitsfähigkeit nicht nach eigenem Ermessen und abweichend von ärztlichen Attesten festlegen kann. Einer solchen Untersuchung hätte sich der Beschwerdeführer bei ernsthaften Zweifeln an der Richtigkeit oder Aktualität der verfügbaren Unterlagen denn auch zu unterziehen (TVR 2009 N. 27 E. 2.1; TVR 2018 Nr. 29 E. 2.5).

4.3.2 Ob seit 1. Februar 2020 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit vorliegt, wie der Beschwerdeführer durch Arztzeugnisse zu belegen versucht, muss vorliegend durch das Gericht nicht beantwortet werden, nachdem im Entscheid vom 4. März 2020 nichts Entsprechendes festgehalten wurde.

4.4 Insgesamt erweist sich das Vorgehen der verfahrensbeteiligten Gemeinde als rechtens. Nicht gerügt wird vom Beschwerdeführer schliesslich die Anzahl der verlangten Arbeitsbemühungen. Die Auflage erweist sich denn auch als verhältnismässig und ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist, sofern überhaupt darauf eingetreten werden kann.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2020.93/E vom 11. November 2020

Das Bundesgericht ist mit Urteil 8C_767/2020 vom 3. Februar 2021 auf eine dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht eingetreten.

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