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TVR 2022 Nr. 27

Verpflichtung zum Vorbezug einer AHV-Rente


§ 8 SHG , Art. 40 Abs. 1 AHVG


Leistungen und Vermögen der Altersvorsorge gehen der Sozialhilfe grundsätzlich vor. Zwar soll eine angemessene Existenzsicherung im Alter nicht gefährdet werden. Jedoch sind unterstützte Personen grundsätzlich zum frühestmöglichen Vorbezug verpflichtet. Sozialhilfeleistungen sind nicht nur gegenüber Leistungen der zweiten und dritten Säule (vgl. TVR 2020 Nr. 27), sondern auch gegenüber AHV-Versicherungsleistungen subsidiär. Eine unterstützte Person kann daher von der Sozialhilfebehörde verpflichtet werden, AHV-Leistungen bzw. eine AHV-Rente vorzubeziehen. Ein derartiger AHV-Vorbezug kann ein oder zwei Jahre vor der Erreichung des ordentlichen Rentenalters geltend gemacht und verlangt werden.


A, geboren am 28. Mai 1959, wird seit 1. Oktober 2019 von der Politischen Gemeinde B mit Sozialhilfeleistungen unterstützt. Mit Entscheid vom 25. Oktober 2021 wurde A von der Politischen Gemeinde B insbesondere angewiesen, bis 31. Oktober 2021 ein Gesuch um Auszahlung seiner Freizügigkeitsguthaben zu stellen; ausserdem wurde er aufgefordert, bis spätestens 31. März 2022 den Vorbezug der AHV-Rente ab 1. Juni 2022 und den Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV ab 1. Juni 2022 anzumelden. Einen dagegen von A erhobenen Rekurs wies das DFS mit Bezug auf diese Punkte ab, woraufhin A Beschwerde erhob. Das Verwaltungsgericht weist diese Beschwerde ab; gleichzeitig wird A verpflichtet, innert 30 Tagen die Auszahlungsgesuche für die von der Politischen Gemeinde B bezeichneten Freizügigkeitsguthaben zu stellen und die Anmeldung zum Vorbezug der AHV-Altersrente sowie zum Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV vorzunehmen.

 

Aus den Erwägungen:

 

2.

2.1 Gemäss § 8 SHG sorgt die Gemeinde für die notwendige Unterstützung, wenn jemand nicht über hinreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für sich und seine Angehörigen mit gleichem Wohnsitz verfügt, sofern vom Hilfsbedürftigen nicht verlangt werden kann, sich die Mittel durch eigene Arbeit zu beschaffen, und keine andere Hilfe möglich ist (Subsidiaritätsprinzip; vgl. hierzu Hänzi, Die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, 2011, S. 113 f., sowie Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Ein Handbuch, 2014, S. 228 ff.). Für die Bemessung der Unterstützung gemäss § 8 SHG finden in der Regel die SKOS-Richtlinien Anwendung (§ 2a Abs. 1 Satz 1 SHV). Die in der SHV nachfolgend aufgeführten Konkretisierungen und Ergänzungen sind für die Bemessung der Unterstützung massgeblich (§ 2a Abs. 1 Satz 2 SHV). Die Unterstützung setzt sich aus der materiellen Grundsicherung und bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen zusätzlich aus situationsbedingten Leistungen, aus Integrationszulagen und/oder aus Einkommens-Freibeträgen zusammen (§ 2 Abs. 2 SHV). Die Höhe der materiellen Grundsicherung (Grundbedarf für den Lebensunterhalt, Wohnungskosten und Kosten für medizinische Grundversorgung) bemisst sich gemäss § 2b SHV in der Regel nach den SKOS-Richtlinien. Ergänzend und insoweit abweichend davon gilt für Wohnungskosten § 2b Abs. 4 SHV und für junge Erwachsene § 2k SHV (vgl. § 2b Abs. 1 SHV). Abweichungen sind zu begründen (§ 2b Abs. 2 SHV). Der Anspruch auf Unterstützung entfällt, wenn die eigenen Mittel zur Deckung der materiellen Grundsicherung ausreichen, wobei eigenes Vermögen voll angerechnet wird (§ 2b Abs. 3 SHV).

 

2.2 In Kap. D.3.3 der SKOS-Richtlinien (Version vom 1. Januar 2021) wird festgehalten, dass Leistungen und Vermögen der Altersvorsorge der Sozialhilfe grundsätzlich vorgingen. Es gelte jedoch sicherzustellen, dass eine angemessene Existenzsicherung im Alter nicht gefährdet werde (Abs. 1). Bezüglich der AHV-Leistungen wird ausgeführt, dass diese der Sozialhilfe vorgingen, weshalb unterstützte Personen grundsätzlich "zum frühestmöglichen Vorbezug verpflichtet" seien (Abs. 2). Mit Bezug auf die Altersvorsorge der 2. Säule und der Säule 3a halten die SKOS-Richtlinien sodann fest, dass Vermögen der 2. Säule und der Säule 3a grundsätzlich zusammen mit dem AHV-Vorbezug oder dem Bezug einer ganzen IV-Rente herauszulösen seien (Abs. 3). Älteren Arbeitslosen sei "bis zum AHV-Vorbezug" eine Weiterführung der Altersvorsorge in der 2. Säule bei ihrer bisherigen Vorsorgeeinrichtung zu ermöglichen (Abs. 4). Ausgelöste Guthaben der Altersvorsorge gehörten zum anrechenbaren Vermögen und seien für den aktuellen und zukünftigen Lebensunterhalt zu verwenden (Abs. 5).

 

2.3 Gemäss Art. 16 Abs. 1 FZV dürfen Altersleistungen von Freizügigkeitspolicen und Freizügigkeitskonten frühestens fünf Jahre vor und spätestens fünf Jahre nach Erreichen des Rentenalters nach Art. 13 Abs. 1 BVG ausbezahlt werden. Mit Bezug auf die AHV-Altersrente bestimmt Art. 40 Abs. 1 AHVG, dass Männer und Frauen, welche die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine ordentliche Altersrente erfüllen, die Rente ein oder zwei Jahre vorbeziehen können. Der Rentenanspruch entsteht in diesen Fällen für Männer am ersten Tag des Monats nach Vollendung des 64. oder 63. Altersjahres, für Frauen am ersten Tag des Monats nach Vollendung des 63. oder 62. Altersjahres. Gemäss Abs. 2 von Art. 40 AHVG wird die vorbezogene Altersrente (wie auch die Witwen‑, Witwer- und Waisenrente) gekürzt. Nach Art. 67 Abs. 1bis AHVV kann der Anspruch auf den Vorbezug der AHV-Rente nicht rückwirkend geltend gemacht werden. Die Anmeldung für den Vorbezug muss spätestens am letzten Tag des Monats, in welchem das entsprechende Altersjahr vollendet wird, eingereicht sein (vgl. Rz. 1108 f. RWL, Stand 1. Januar 2022). In TVR 2020 Nr. 27 bestätigte das Verwaltungsgericht, unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichts 2P.53/2004 vom 13. Mai 2004 E. 4.3, dass der Vorbezug von Altersleistungen der 2. Säule und der Säule 3a zumutbar und zulässig sei, wenn dadurch die Alterssicherung nicht empfindlich geschmälert werde. Für die Beurteilung, ob dies der Fall sei, wurde vom Verwaltungsgericht eine Berechnungsweise unter sinngemässer Anwendung der Bestimmungen über den Vermögensverzehr bei Ergänzungsleistungen (EL) als sachgerecht und angezeigt erklärt (TVR 2020 Nr. 27 E. 3.5 ff.). In jenem Entscheid ging es allerdings um die Frage, ob von der unterstützten Person die Auszahlung eines Freizügigkeitsguthabens bereits vor dem Zeitpunkt, in welchem ein Vorbezug der AHV-Rente möglich wäre, verlangt werden kann. Das Bundesgericht wies in E. 4.3 des erwähnten Urteils darauf hin, es sei nicht ersichtlich, weshalb ein zum Vorbezug von Freizügigkeitsleistungen Berechtigter, der von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch mache, nicht gleich behandelt werden solle, wie jemand, der die Leistungen tatsächlich beziehe. Es dem Gutdünken des Berechtigten zu überlassen, über die Anrechenbarkeit dieses Vermögens zu entscheiden, würde gemäss Bundesgericht zu einer stossenden Ungleichbehandlung gegenüber effektiven Bezügern von Freizügigkeitsleistungen führen (Urteil des Bundesgerichts 2P.53/2004 vom 13. Mai 2004 E. 4.3 mit weiteren Hinweisen; vgl. auch Landolt, Inwieweit darf die Sozialhilfebehörde am sozialversicherungsrechtlichen Honigtopf naschen? in: AJP 2012 S. 639 ff., S. 645 f., mit Hinweis auf Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2000.00411 vom 12. April 2001 E. 2d und VB.2003.00286 vom 15. Dezember 2003 E. 2.4 bzw. E. 4.5.3; TVR 2020 Nr. 27 E. 3.5; vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 8C_441/2021 vom 24. November 2021 E. 7.3.1 betreffend die Verwendung von Freizügigkeitsguthaben, die in Anwendung Art. 16 Abs. 1 FZV bezogen wurden [das heisst bis fünf Jahre vor und bis fünf Jahre nach Erreichen des Rentenalters], für die Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen).

 

3.

3.1 Als erstes ist auf die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Bezug der Freizügigkeitsleistungen aus der 2. Säule einzugehen. Diese bei zwei verschiedenen Institutionen vorhandenen Freizügigkeitsguthaben belaufen sich auf insgesamt über Fr. 60'000.--, was unbestritten ist.

 

3.1.1 Im vorliegenden Fall hatte die verfahrensbeteiligte Gemeinde vom Beschwerdeführer mit ihrem Entscheid vom 25. Oktober 2021 zwar mit Bezug auf die Freizügigkeitsguthaben eine frühzeitige Auszahlung, das heisst eine solche vor dem Zeitpunkt, in welchem der Beschwerdeführer zum Vorbezug der AHV-Rente berechtigt gewesen wäre (28. Mai 2022; Vollendung des 63. Altersjahres), verlangt. Nachdem die Rechtskraft des vorliegenden Entscheids ohnehin erst nach dem 28. Mai 2022 eintreten wird und der Beschwerdeführer daher nur noch zum Bezug der Freizügigkeitsguthaben nach der Vollendung des 63. Altersjahres verpflichtet werden kann, ist die Konstellation nicht ganz vergleichbar mit dem Sachverhalt, der dem Entscheid des Verwaltungsgerichts in TVR 2020 Nr. 27 zugrunde gelegen hatte (vgl. hierzu E. 2.3 vorstehend). Insbesondere relativiert sich vorliegend die Frage nach der ausreichenden Altersvorsorge (TVR 2020 Nr. 27 E. 3.5), da der Beschwerdeführer mittlerweile bzw. ab 28. Mai 2022 zum Vorbezug einer AHV-Rente berechtigt (gewesen) wäre.

 

3.1.2 Wie dargestellt (E. 2.3 vorstehend) ist der Vorbezug von Altersleistungen der zweiten Säule und der Säule 3a zumutbar und zulässig, wenn dadurch die Alterssicherung "nicht empfindlich geschmälert" wird (TVR 2020 Nr. 27 E. 3.5). Die Vor­instanz stellte im angefochtenen Entscheid fest, aufgrund der berechneten Höhe der AHV-Rente sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch bei einem ordentlichen Bezug keine Vollrente erhalten und trotz seines Vorsorgeguthabens auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein werde. Der vorzeitige Bezug der AHV-Rente und der Vorbezug des Vorsorgeguthabens führten daher nicht zu einer empfindlichen Schmälerung seiner Alterssicherung. Demzufolge sei es zumutbar, von ihm zu verlangen, dass er sich zeitnah bei der AHV für den Rentenbezug anmelde und bei den entsprechenden Institutionen um Auszahlung der Freizügigkeitsleistungen ersuche (…). Die verfahrensbeteiligte Gemeinde stellte in E. 2 ihres Entscheides vom 25. Oktober 2021 fest, dass der Beschwerdeführer gemäss Berechnung des Sozialversicherungszentrums des Kantons Thurgau ab 1. Juni 2022 eine Altersrente in der Höhe von Fr. 1'064.-- erhalten würde (wobei die ebenfalls strittige Auflage/Weisung zum Vorbezug der AHV-Altersrente, wie nachfolgend dargestellt, ebenfalls als recht- und verhältnismässig zu qualifizieren ist). Sein Lebensbedarf gemäss den SKOS-Richtlinien betrage total Fr. 2'026.--. Damit sei nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben werde, da er mit seiner künftigen AHV-Altersrente das EL-rechtliche Existenzminimum nicht erreichen werde und sein BVG-Freizügigkeitsguthaben von total Fr. 62'420.87 den "EL-Vermögenskarenzbetrag" von Fr. 100'000.-- nicht übersteige.

 

3.1.3 Diese Erwägungen der Vorinstanz und der verfahrensbeteiligten Gemeinde sind nicht zu beanstanden ([…]; zur Vermögensschwelle für einen Ergänzungsleistungsanspruch vgl. Art. 9a Abs. 1 lit. a ELG). Würde auf einen Vorbezug der AHV-Altersrente verzichtet, wäre die Rente bei ordentlichem Bezug ab Beendigung des 65. Altersjahres um lediglich 13,6% höher (vgl. Art. 56 AHVV), was einer monatlichen AHV-Rente von Fr. 1'232.-- entsprechen würde. Angesichts des Existenzminimums gemäss den SKOS-Richtlinien (welches sich nach der Berechnung der verfahrensbeteiligten Gemeinde auf Fr. 2'026.-- beliefe) ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch bei einem ordentlichen Rentenbezug Anspruch auf Ergänzungsleistungen hätte - die Erfüllung der leistungsspezifischen Anspruchsvoraussetzungen selbstverständlich vorbehalten. Sollte er, wie er in seiner Eingabe vom 24. Juni 2022 geltend macht, aufgrund eines Wegzugs ins Ausland den Anspruch auf Ergänzungsleistungen verlieren, so würde dies nichts an der Recht- und Verhältnismässigkeit der strittigen Anordnungen ändern. Es steht dem Beschwerdeführer jederzeit frei, seinen Wohnsitz ins Ausland zu verlegen, wobei er die Konsequenzen dieses Wegzugs, insbesondere auch hinsichtlich der sozialhilfe- und sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche, selber zu tragen hätte. Damit ist erstellt, dass auch eine frühzeitige Auszahlung der Freizügigkeitsguthaben gestützt auf Art. 16 Abs. 1 FZV nicht zu einer empfindlichen Schmälerung der Altersvorsorge des Beschwerdeführers führen wird. Diese Altersvorsorge wird - ungeachtet der vorzeitigen Auszahlung der Freizügigkeitsguthaben aus der 2. Säule - insbesondere durch die AHV-Altersrente sowie die zu erwartenden Ergänzungsleistungen gesichert sein. Die Voraussetzungen für die Auflage/Weisung an den Beschwerdeführer, die im Entscheid der verfahrensbeteiligten Gemeinde vom 25. Oktober 2021 (…) bezeichneten Freizügigkeitsguthaben frühzeitig bzw. vor Erreichen des AHV-Rentenalters zu beziehen, sind damit erfüllt. Die diesbezüglichen Einwände des Beschwerdeführers sind unbegründet. Die Vorinstanz stellte zutreffend fest, dass sich der Beschwerdeführer zwar seit Beginn des Sozialhilfe-Leistungsbezugs am 1. Oktober 2019 um eine Arbeitsstelle bemühe und die verlangten Arbeitsbemühungen jeweils eingereicht habe. Der Beschwerdeführer stellte in seiner Beschwerdeeingabe vom 17. Februar 2022 in Aussicht, bis 1. Juni 2022 unabhängig von der Sozialhilfe zu sein bzw. bis dann eine Arbeitsstelle gefunden zu haben. Zu einer dauerhaften Anstellung ist es bislang jedoch offenbar nicht gekommen. Ungeachtet der pandemiebedingten Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt erscheint die Chance, dass der 62-jährige Beschwerdeführer in absehbarer Zeit eine Festanstellung findet, aufgrund welcher er seinen Lebensunterhalt ohne Unterstützung durch die Sozialhilfe bestreiten kann, erheblich geringer, als dies bei einem jüngeren Sozialhilfebezüger der Fall wäre, zumal der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 24. Juni 2022 auch selber auf seine gesundheitlichen Probleme hinweist. Zu Recht bezeichnet die Vorinstanz auch die Vorstellung des Beschwerdeführers, bis zu seinem 70. Altersjahr erwerbstätig sein zu können (um einen möglichst hohen AHV-Rentenanspruch zu begründen), als unrealistisch. Die entsprechende Anordnung der verfahrensbeteiligten Gemeinde betreffend den frühzeitigen Bezug der Freizügigkeitsleistungen aus der 2. Säule erweist sich daher als recht- und verhältnismässig. Die Beschwerde ist diesbezüglich unbegründet.

 

3.2 Zu prüfen ist weiter die Verpflichtung des Beschwerdeführers, sich zum Vorbezug der AHV-Altersrente anzumelden.

 

3.2.1 Wie dargestellt (E. 2.2 vorstehend) gehen gemäss Kap. D.3.3 der SKOS-Richtlinien (Version vom 1. Januar 2021) Leistungen und Vermögen der Altersvorsorge der Sozialhilfe grundsätzlich vor. Zwar soll eine angemessene Existenzsicherung im Alter nicht gefährdet werden (Abs. 1). Jedoch sind unterstützte Personen grundsätzlich "zum frühstmöglichen Vorbezug verpflichtet" (Abs. 2). In den Erläuterungen zu Kap. D.3.3 der SKOS-Richtlinien (Erläuterung lit. a, AHV-Rente) wird ausgeführt, dass Sozialhilfeleistungen gegenüber AHV-Versicherungsleistungen subsidiär seien und unterstützte Personen daher AHV-Leistungen vorzubeziehen hätten. Ein AHV-Vorbezug könne ein oder zwei Jahre vor der Erreichung des ordentlichen Rentenalters geltend gemacht werden. Der Antrag habe von der unterstützten Person persönlich und spätestens bis zum Geburtsmonat für das kommende Lebensjahr zu erfolgen. Werde diese Frist verpasst, sei ein Vorbezug erst für das folgende Lebensjahr wieder möglich (Erläuterungen lit. a, AHV-Rente, zu Kap. D.3.3 der SKOS-Richt­linien; zur gesetzlichen Möglichkeit des AHV-Rentenvorbezugs nach Art. 40 Abs. 1 AHVG vgl. allgemein E. 2.3 vorstehend).

 

3.2.2 Damit ist auch die von der verfahrensbeteiligten Gemeinde verfügte Verpflichtung des Beschwerdeführers, sich zum Vorbezug einer AHV-Altersrente anzumelden, nicht zu beanstanden. (…) Aufgrund der berechneten (voraussichtlichen) Höhe der AHV-Rente (ist) davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch bei einem ordentlichen Bezug und trotz seines Vorsorgeguthabens auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein wird (E. 3.1 vorstehend).

 

3.2.3 Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, dass er uneingeschränkt die Wahl haben möchte, einen Vorbezug der AHV-Rente zu machen oder nicht. Wie bei der sozialhilferechtlichen Verpflichtung zu einem frühzeitigen Bezug der Leistungen aus der 2. Säule nach Art. 16 Abs. 1 FZV steht es dem Beschwerdeführer als Bezüger von Sozialhilfeleistungen auch nicht frei, mit einem gesetzlich zulässigen Vorbezug der AHV-Altersrente zuzuwarten, um künftig in den Genuss einer höheren Rente zu gelangen. Vielmehr ist er infolge der Grundsätze der Subsidiarität und der Schadenminderung als Sozialhilfeempfänger verpflichtet, einen Antrag auf Vorbezug der AHV-Rente zu stellen, sobald dies gesetzlich zulässig ist. Ein Sozialhilfeempfänger kann sich nicht darauf berufen, frei zu entscheiden, wann er eine AHV-Rente beziehen will. Da die Sozialhilfe nicht als Sozialversicherung anzusehen ist, unterscheidet sich die Situation eines Sozialhilfeempfängers von jener anderer Bürger, die nach Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit eine AHV-Rente beantragen (vgl. hierzu Berlusconi, Bemerkungen zum Urteil des Bundesgerichts 8C_344/2019 vom 15. November 2019, in SZS [Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherungen und berufliche Vorsorge] 1 / 2021, S. 50 f.). (…)

 

3.2.4 Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die von der verfahrensbeteiligten Gemeinde (…) gegenüber dem Beschwerdeführer verfügte Anordnung, sich beim Sozialversicherungszentrum des Kantons Thurgau zum Vorbezug der AHV-Rente ab 1. Juni 2022 anzumelden (und eine Kopie der Anmeldung den Sozialen Diensten einzureichen) als recht- und verhältnismässig. Die Beschwerde ist auch diesbezüglich unbegründet. (…)

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2022.28/E vom 13. Juli 2022


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