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TVR 2024 Nr. 8

Prüfungspflicht des Departements: aufsichtsrechtliche Beschwerdegründe oder Rügen betreffend Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung.


§ 55 Abs. 1 Ziff 10 VRG, § 71 VRG, § 72 VRG, § 72 a VRG


Das Departement hat für jeden Rügepunkt gesondert zu prüfen, ob es das gerügte Verhalten als Aufsichtsinstanz im Sinne von § 72 VRG zu prüfen oder ob das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheides geltend gemacht wird und es das gerügte Verhalten als Rekursinstanz (§ 72a VRG) zu beurteilen hat. Soweit es die Rügen als Aufsichtsinstanz zu beurteilen hat, ist dem Beschwerdeführer als Rechtsmittel die Beschwerde an den Regierungsrat zu eröffnen. Soweit das Departement als Rekursinstanz die Rüge eines unrechtmässigen Verweigerns oder Verzögerns eines anfechtbaren Entscheides zu beurteilen hat, ist dem Rekurrenten als Rechtsmittel die Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu eröffnen.


Der Beschwerdeführer reichte beim DIV (Vorinstanz) am 16. März 2023 eine Aufsichtsbeschwerde gegen das Veterinäramt (verfahrensbeteiligtes Amt) ein. In dieser Aufsichtsbeschwerde warf er dem verfahrensbeteiligten Amt im Wesentlichen willkürliche Handlungen, Missbrauch der Amtsgewalt sowie Verweigerung und Verzögerung von Entscheiden im Zusammenhang mit der von ihm betriebenen Bienenzucht vor. Die Vorinstanz wies die Aufsichtsbeschwerde ab, soweit sie darauf eintrat. Als Rechtsmittel gegen diesen Entscheid führte die Vorinstanz die Beschwerde an das Verwaltungsgericht auf. In der Folge erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht Beschwerde und verlangte, der Entscheid der Vorinstanz sei aufzuheben. Das Verwaltungsgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Soweit es darauf nicht eintritt, überweist das Verwaltungsgericht die Beschwerde zuständigkeitshalber an den Regierungsrat.

 

Aus den Erwägungen:

 

1.

1.1        

1.1.1 Das Verwaltungsgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (§ 62 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 VRG). Fehlt es an der Zuständigkeit, so sind die Eingaben unter Benachrichtigung des Absenders an die zuständige Behörde weiterzuleiten, wobei die mit der Eingabe an die unzuständige Behörde gewahrte Rechtsmittelfrist auch hinsichtlich der zuständigen Behörde als eingehalten gilt (§ 5 Abs. 3 VRG).

 

1.1.2 Entscheide der Rekursinstanzen können mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden (§ 54 Abs. 1 Ziff. 3 VRG). Die Beschwerde an das Verwaltungsgericht ist aber unter anderem dann ausgeschlossen, wenn eine Beschwerde an den Regierungsrat gemäss § 55 erhoben werden kann (§ 54 Abs. 1bis Ziff. 3 VRG). Laut § 55 Abs. 1 Ziff. 10 VRG können Entscheide der Departemente über Aufsichtsbeschwerden unter Vorbehalt von § 72a VRG beim Regierungsrat mit Beschwerde angefochten werden.

 

1.1.3 Das VRG regelt unter der Überschrift "4.2 Die Aufsichtsbeschwerde" in den §§ 71 ff. VRG die Aufsichtsbeschwerde. In § 71 Abs. 1 VRG werden die Beschwerdegründe angeführt. Hinsichtlich der Zuständigkeit regelt § 72 Abs. 1 VRG, dass die Aufsichtsbeschwerde bei der Aufsichtsinstanz einzureichen ist. Davon abweichend sieht § 72a VRG für das Rechtsmittel, welches gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheides erhoben wird, die Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz vor, womit in diesen Fällen Rekurs bzw. Beschwerde zu führen ist. Wird also gegen eine Person oder ein Amt, welche bzw. welches der Aufsicht eines Departementes untersteht, Aufsichtsbeschwerde erhoben, so hat das Departement zu prüfen, ob aufsichtsrechtliche Gründe im Sinne von § 71 Abs. 1 VRG geltend gemacht werden und sie das gerügte Verhalten als Aufsichtsinstanz (§ 72 VRG) zu beurteilen oder ob das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheides geltend gemacht wird und sie das gerügte Verhalten als Rekursinstanz (§ 72a VRG) zu beurteilen hat. Soweit es die Rügen als Aufsichtsinstanz zu beurteilen hat, ist dem Beschwerdeführer dann als Rechtsmittel die Beschwerde an den Regierungsrat zu eröffnen (§ 55 Abs. 1 Ziff. 10 VRG). Soweit das Departement aber die Rüge eines unrechtmässigen Verweigerns oder Verzögerns eines anfechtbaren Entscheides als Rekursinstanz zu beurteilen hat, ist dem Rekurrenten als Rechtsmittel die Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu eröffnen (§ 72a VRG).

 

1.1.4 Laut § 71 Abs. 1 VRG kann Aufsichtsbeschwerde in folgenden Fällen erhoben werden: ungerechtfertigte Verweigerung oder Verzögerung einer vorgeschriebenen Amtshandlung (Ziff. 1); Missbrauch der Amtsgewalt (Ziff. 2); willkürliche Ausübung von Befugnissen (Ziff. 3). Besteht die verzögerte oder verweigerte Amtshandlung in einem anfechtbaren Entscheid, ist aufgrund der in E. 1.1.3 dargelegten Zuständigkeitsordnung nicht eine Aufsichtsbeschwerde bei der Aufsichtsinstanz, sondern Rekurs oder Beschwerde bei der Rechtsmittelinstanz zu erheben (Brunner/Seiler, in: Fedi/Kradolfer/Müller, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, 2. Aufl. 2024, § 71 N. 5). Aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten bei einer Beschwerde gegen einen aufsichtsrechtlichen Entscheid des Departements (Regierungsrat/Verwaltungsgericht) je nach Rügegrund ist es erforderlich, die Rüge der Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung im Sinne von § 72a VRG von den übrigen aufsichtsrechtlichen Rügen nach § 71 Abs. 1 VRG abzugrenzen.

 

1.1.4.1 Eine Rechtsverweigerung (Verweigern eines anfechtbaren Entscheids) liegt vor, wenn eine Verwaltungs- oder Justizbehörde ein Vorbringen in verfahrensrechtlicher Hinsicht unkorrekt oder gar nicht behandelt oder wenn sie sich weigert, eine Anordnung zu erlassen, obwohl sie dazu verpflichtet wäre (Bosshart/Bertschi, in: Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Aufl. 2014, § 19 N. 40). Voraussetzung für eine Rechtsverweigerungsbeschwerde (oder einen entsprechenden Rekurs) ist, dass die Rechtsuchenden zuvor ein Begehren auf Erlass einer Verfügung bei der zuständigen Behörde gestellt haben und ein Anspruch auf Erlass einer solchen Verfügung besteht. Ein solcher Anspruch besteht unter anderem dann, wenn die gesuchstellende Person Parteistellung beanspruchen kann. Fehlt es einer Person, welche ausdrücklich den Erlass einer Verfügung verlangt hat, an der Parteieigenschaft, hat die Behörde eine anfechtbare Nichteintretensverfügung zu erlassen (Urteil des Bundesgerichts 1C_165/2009 vom 3. November 2009 E. 2.2). Art. 29 Abs. 1 BV gewährleistet den Verfahrensbeteiligten zudem das Recht auf eine Beurteilung innert angemessener Frist. Ist dies nicht der Fall, spricht man von Rechtsverzögerung (Verzögern eines anfechtbaren Entscheides). Die Behörden haben die Verfahren beförderlich zu behandeln und innert begründ- und vertretbarer Frist zum Abschluss zu bringen („Justice delayed is justice denied“). Welche Behandlungsfrist angemessen ist, lässt sich stets nur im Einzelfall bestimmen, und zwar entsprechend der Natur und den Umständen der betreffenden Angelegenheit, namentlich die Komplexität der Rechtsstreitigkeit, deren Bedeutung für die betroffene Person sowie das Verhalten der Person und der Behörde (Uhlmann/Wälle-Bär, in: Waldmann/Krauskopf [Hrsg.], Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 2023, Art. 46a N. 24).

 

1.1.4.2 Hinsichtlich der Frage, wie die Rüge eines unrechtmässigen Verweigerns oder Verzögerns eines anfechtbaren Entscheides von den übrigen Beschwerdegründen nach § 71 Abs. 1 VRG abzugrenzen ist, lässt sich der Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 19. Februar 2008 zur Änderung des VRG zu § 72a VRG auf Seite 7 Folgendes entnehmen (vgl. auch Brunner/Seiler, a.a.O., § 71 N. 3):

"Unter dem geltenden Recht gab es einige Probleme bezüglich der Zuständigkeit im Aufsichtsbeschwerdebereich. Um hier Klarheit zu schaffen, soll neu explizit festgehalten werden, in welchen Fällen, welche Behörde zuständig ist. So ist bei Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerden die Rechtsmittelinstanz zuständig. Bezieht sich die Aufsichtsbeschwerde indessen auf anderes Handeln und Unterlassen von Behörden ist nicht die Rechtsmittelinstanz per se, sondern die der kritisierten Behörde übergeordnete Verwaltungsbehörde zuständig. Als übriges Handeln oder Unterlassen kommen z. B. in Frage: allgemeine Amtsführung, Informations-, Empfehlungs- oder Berichtstätigkeit, sonstige Realakte, Verletzung von Bestimmungen eines verwaltungsrechtlichen Vertrages, Verstösse gegen interne Richtlinien, organisatorische Massnahmen oder andere Anordnungen, denen der Verfügungscharakter abgeht."

 

1.1.5 Zu prüfen ist somit zunächst, mit welchen Rügen der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 16. März 2023 gegenüber der Vorinstanz eine Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung des verfahrensbeteiligten Amtes geltend gemacht hat und welche Rügen des Beschwerdeführers übriges Handeln oder Unterlassen oder anderes Verhalten im Sinne von § 71 Abs. 1 VRG beschlagen. Nur in denjenigen Fällen, in denen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung des verfahrensbeteiligten Amtes geltend gemacht wurde, ist das Verwaltungsgericht zuständig zur Beurteilung der Beschwerdeeingabe vom 2. April 2024.

 

1.2 - 1.6 (…)

 

1.7 Zusammengefasst ergibt sich somit, dass das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der Beschwerde (...) insoweit zuständig ist, als die Vorinstanz in ihrem Entscheid (...) über die Anträge Ziffern 1, 2, 8 und 9 der Eingabe vom 16. März 2023 entschieden hat. Ebenfalls zuständig ist das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der gegen den Entscheid (...) erhobenen Kostenbeschwerde. Demgegenüber ist das Verwaltungsgericht nicht zuständig zur Beurteilung der Beschwerde (...), soweit sie sich gegen den Entscheid der Vorinstanz (...) über die Anträge Ziffern 3 bis 7 der beschwerdeführerischen Eingabe vom 16. März 2023 richtet. Es handelt sich um aufsichtsrechtliche Rügen im Sinne von § 71 Abs. 1 Ziff. 1 - 3 VRG, in welchen weder Rechtsverweigerung noch Rechtsverzögerung geltend gemacht wird. Folglich ist zur Beurteilung des vorinstanzlichen Entscheids über diese Rügen der Regierungsrat zuständig (§ 55 Abs. 1 Ziff. 10 VRG). Mangels sachlicher Zuständigkeit kann das Verwaltungsgericht diesbezüglich auf die Beschwerde nicht eintreten. Die Beschwerde vom 2. April 2024 ist bezüglich dieser Rügen in Anwendung von § 5 Abs. 3 VRG zuständigkeitshalber an den Regierungsrat des Kantons Thurgau zu überweisen (TVR 2012 Nr. 6 E. 1.4).

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2024.35/E vom 20. November 2024

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