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RBOG 2005 Nr. 5

Vorsorgliche Massnahmen und Eheschutz: Eheliche Schulden können im Notbedarf nur berücksichtigt werden, wenn der Gesamtbedarf der getrennt lebenden Familie gedeckt ist


Art. 137 Abs. 2 (Art. 145 aZGB) ZGB, Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB


1. Schuldverpflichtungen sind im Notbedarf des unterhaltspflichtigen Ehegatten grundsätzlich nur zurückhaltend zu berücksichtigen, andernfalls dessen nach Deckung des eigenen Notbedarfs verbleibende finanzielle Leistungskraft derart gemindert würde, dass sie gegebenenfalls nicht einmal mehr ausreichte, die familienrechtlichen Unterhaltspflichten zumindest teilweise zu erfüllen. Der Unterhaltspflichtige hätte es mithin in der Hand, durch Eingehung von Drittschulden seine Leistungsfähigkeit zulasten des unterhaltsberechtigten Ehegatten zu mindern. So hat bei knappen Mitteln des Unterhaltspflichtigen selbst das Gemeinwesen zurückzutreten, darf doch in diesem Fall die Steuerlast nicht im Notbedarf des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt werden (BGE 127 III 292). Nach Rechtsprechung und Lehre sind Schulden in den Notbedarf des Pflichtigen aufzunehmen, wenn die Schuld vor Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zum Zweck des Unterhalts beider Ehegatten begründet wurde, nicht hingegen, wenn sie bloss im Interesse einer einzigen Partei liegt, es sei denn, beide Ehegatten würden solidarisch haften (BGE 127 III 292). Das Obergericht schloss sich dieser Auffassung an, präzisierte sie indessen dahin, dass diese Voraussetzung im Massnahmeverfahren zumindest glaubhaft gemacht und die monatlichen Rückzahlungsverpflichtungen ausgewiesen sein müssten oder von der Gegenpartei nicht bestritten sein dürften (vgl. Merz, Die Praxis zum Eheschutz, Sulgen 2005, S. 122 N 1). Das Bundesgericht berücksichtigt im Anwendungsbereich von Art. 93 SchKG bei der Berechnung des Existenzminimums als Zuschläge zum Grundbetrag ebenfalls nur tatsächlich bezahlte Beträge (BGE 121 III 20). Es muss den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden, und es kann nicht auf bestehende oder nur behauptete, aber nicht erfüllte vertragliche Verpflichtungen abgestellt werden. Es wäre stossend, wenn dem Schuldner Beträge zum Existenzminimum zugeschlagen würden, die er gar nicht dem vorgesehenen Zweck zuführt (BGE 122 III 22 f.). Diese Überlegungen gelten im Familienrecht erst recht, denn es würde in diesem Bereich dem Gerechtigkeitsempfinden noch mehr als anderswo zuwiderlaufen, den Unterhalt an die Familie wegen Zahlungsverpflichtungen des Unterhaltsschuldners Dritten gegenüber zu kürzen, welche dieser tatsächlich gar nicht leistet, sondern zweckwidrig für sich selber verwendet. Über diese Überlegungen hinaus stellt sich auch ganz grundsätzlich die Frage, inwieweit die Interessen eines Drittgläubigers gegenüber der getrennt lebenden Familie zu schützen sind, wenn der Gesamtbedarf der Familie nicht gedeckt werden kann. Solange die Familie zusammen lebt, kann der Gläubiger bei einer Mangellage der Familie nicht befriedigt werden; weshalb dies nicht mehr gelten soll, wenn die Familie getrennt lebt, ist nicht ohne weiteres einzusehen (OGE vom 13. Juni 2005, ZR.2005.29, S. 6 f.).

2. Die Vorinstanz rechnete bereits einen Betrag von Fr. 600.-- zur Tilgung des Kredits für das Haus in Italien in den Notbedarf des Rekurrenten ein. Das ergab einen Überschuss von lediglich Fr. 3.35. Würde dem Rekurrenten ein weiterer Betrag zur Schuldentilgung zugestanden, führte dies zu einer Unterdeckung und grundsätzlich zu einem Eingriff in das Existenzminimum der Rekursgegnerin, weil dem Unterhaltspflichtigen an sich stets das Existenzminimum zu belassen ist (BGE 123 III 1 ff.; Merz, S. 150 f. N 1). Würde entsprechend dem Antrag des Rekurrenten das Manko geteilt, würden sogar beide Parteien ihr Existenzminimum nicht decken können. Unabhängig von der Frage, ob die Kredite zum Zweck des Unterhalts beider Ehegatten aufgenommen wurden, kommt daher eine Anrechnung dieser Raten zur Abzahlung eines Privatkredits von vornherein nicht in Betracht. Es geht nicht an, Gläubiger durch die Einrechnung ihrer Guthaben in den Notbedarf eines Ehegatten gegenüber der Fürsorgebehörde zu begünstigen, die in solchen Fällen für den Unterhalt des anderen Ehegatten aufkommen müsste. Es kann daher offen bleiben, wer welche Kredite zu welchem Zweck erhältlich machte. Es braucht auch nicht geprüft zu werden, ob der Rekurrent seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Gläubigerin nach Auflösung des ehelichen Haushalts überhaupt nachkam. Immerhin behauptete die Rekursgegnerin, dass einzig sie als unfreiwillige Verantwortliche für die Bezahlung der Schulden besorgt gewesen sei, wogegen der Rekurrent sich um die finanziellen Belange nicht gekümmert habe.

3. Die Vorinstanz berücksichtigte somit zu Recht die Raten des Privatkredits nicht im Existenzminimum des Rekurrenten.

Obergericht, 31. Oktober 2005, ZR.2005.91


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