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RBOG 2010 Nr. 30

Offizialanwaltsentschädigung im Eheschutzverfahren


§§ 1 ff. AnwT, § 10 AnwT, § 13 AnwT, Art. 176 ZGB


1. a) Die Rekurrentin hatte für ihre Mandantin um den Erlass von Eheschutzmassnahmen sowie um Einsetzung als Offizialanwältin ersucht. Die Vorinstanz entschädigte sie für das Verfahren mit Fr. 2'500.00 zuzüglich 7,6% Mehrwertsteuer. Sie ging dabei von einer Grundgebühr von zwischen Fr. 100.00 und Fr. 3'000.00 aus und berücksichtigte innerhalb des tarifarischen Rahmens den notwendigen Zeitaufwand sowie die Bedeutung und Schwierigkeit der Streitsache. Die Rekurrentin hatte in einer ersten Honorarnote Fr. 3'380.00 und in einer weiteren Rechnung Fr. 500.00, je zuzüglich Barauslagen und Mehrwertsteuer, verlangt.

b) Die Rekurrentin beantragt, die Entschädigung sei auf Fr. 4'434.10 festzusetzen. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, in ihren beiden Honorarnoten habe sie den gehabten Aufwand detailliert dargetan. Die Rechnungen seien nicht zuletzt deshalb so hoch ausgefallen, weil ihre aus Sri Lanka stammende Mandantin nicht gut deutsch spreche. Anlässlich der Anhörung habe eine Übersetzerin beigezogen werden müssen. Ausserdem sei es aus Verständnisgründen notwendig gewesen, mit der Schwägerin der Klientin ergänzende Gespräche zu führen. Des Weitern hätten Unterlagen aus Sri Lanka angefordert und geprüft werden müssen. Schliesslich sei in der nötigen Kürze auf die 30-seitige Gesuchsantwort und nachfolgend noch auf zwei weitere Eingaben der Gegenpartei einzugehen gewesen. Die Kürzung des Honorars werde im angefochtenen Entscheid nicht begründet. Der Anwaltstarif erlaube Abweichungen vom tarifarischen Rahmen. Die geltend gemachten Aufwendungen von 19,4 Stunden seien ausgewiesen. Beim üblichen Stundenansatz von Fr. 200.00 hätte die angefallene notwendige Arbeit in 11,3 Stunden erledigt werden müssen. Nicht zumutbar sei es der Rekurrentin, zu einem Stundenansatz von Fr. 116.00 zu arbeiten.

2. a) Die Entschädigung des Offizialanwalts in Zivilsachen richtet sich nach den ordentlichen Ansätzen. Erfolgt die Entschädigung im Sinn von § 11 AnwT nach Zeitaufwand, beträgt der Honoraransatz Fr. 200.00 pro Stunde[1]. In Prozessen ohne bestimmten Streitwert wie im Personen- oder Familienrecht beträgt die Grundgebühr in der Regel Fr. 1'000.00 bis Fr. 6'000.00, sofern nicht geldwerte Ansprüche von gesamthaft mehr als Fr. 40'000.00 streitig sind[2]. Innerhalb des tarifarischen Rahmens bemisst sich die Gebühr nach dem notwendigen Zeitaufwand, der Bedeutung und der Schwierigkeit der Sache[3]. Im summarischen Verfahren beträgt die Gebühr 10-50% der auf diese Weise errechneten Summe[4]. Hiezu sind im Eheschutzverfahren Zuschläge gemäss § 3 AnwT möglich[5].

Im Eheschutzverfahren ist folglich nicht der Aufwandtarif, sondern der ordentliche Tarif gemäss §§ 4 und 2 AnwT mit nachfolgender Reduktion nach § 10 Abs. 1 AnwT massgebend. Hier wird der Aufwand anders als dann, wenn die Grundregel von § 11 AnwT zum Zug kommt, nur innerhalb des ermittelten Gebührenrahmens berücksichtigt.

b) Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft werden im summarischen Verfahren erlassen[6]. Die Grundgebühr beläuft sich hier somit auf zwischen Fr. 100.00 und Fr. 3'000.00. Dieser tarifarische Gebührenrahmen gilt "in der Regel"; Abweichungen sind folglich zulässig. Bei der Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, der es rechtfertigt, die Grundgebühr gemäss § 4 Abs. 1 AnwT zu erhöhen, ist aber Zurückhaltung angebracht, andernfalls in Eheschutzverfahren der Aufwand entgegen den Intentionen der Revision des Anwaltstarifs[7] in kürzester Zeit wieder für die Festsetzung der Parteientschädigung von ausschlaggebender Bedeutung sein würde. Es ist aber offensichtlich, dass in diesem Bereich der Zeitaufwand angesichts der nicht abgestuften generellen Grundgebühr gemäss § 4 Abs. 1 AnwT eine viel grössere Rolle spielt als beim normalen Streitwerttarif nach § 2 AnwT. Wer eine Entschädigung über dem tarifarischen Rahmen verlangt, hat demzufolge darzulegen, weshalb ein Ausnahmefall geltend gemacht wird; dazu gehört, dem Gericht eine detaillierte Zusammenstellung des getätigten Aufwands einzureichen. Aufgabe des Gerichts ist es sodann, bei der Festsetzung der Grundgebühr sowie auch der möglichen Zuschläge nebst dem gehabten den notwendigen Zeitaufwand im Auge zu behalten. Denkbar ist, dass die Entschädigung alsdann nicht zu einem Stundenansatz von Fr. 200.00 führt. Hierauf haben aber auch weder die obsiegende anwaltlich vertretene Partei noch die vom Staat zu bezahlende Vertretung Anspruch. Streitwert- und Rahmentarife haben Honorare zur Folge, die umgerechnet auf den getätigten Aufwand unterschiedlich ausfallen, und die im Einzelfall zu bescheideneren Stundenansätzen als den in § 13 Abs. 2 AnwT genannten Fr. 200.00 führen können.

c) aa) Die Rekurrentin bezifferte in ihrer ersten Honorarnote ihren bis im Oktober 2009 angefallenen zeitlichen Aufwand auf 16,9 Stunden, woraus ein Honorar von Fr. 3'380.00 resultiere. Die einzelnen Positionen enthalten einen kurzen Hinweis darauf, um welche Arbeiten es sich gehandelt hatte. Rund zwei Monate später reichte sie der Vorinstanz eine ergänzende Rechnung ein: Ihr – zusätzliches – "Honorar nach Anwaltstarif" belaufe sich, ausgehend von einem Zeitaufwand von 2,5 Stunden, auf Fr. 500.00.

Die Rekurrentin beanstandet zu Recht, dass es die Vorinstanz unterliess, die Kürzung des Honorars um immerhin rund Fr. 1'500.00 zu begründen. Auch die Rekurrentin macht jedoch keine Angaben zur primär massgebenden Grundgebühr nach § 4 Abs. 1 AnwT und zum tarifarischen Rahmen; weshalb es sich im Zusammenhang mit ihrem Mandat aufdrängen würde, ihr eine Grundgebühr von über Fr. 3'000.00 zuzusprechen, legt sie substantiiert nicht dar. Ausreichende Gründe hiefür sind denn auch nicht ersichtlich. Sprachschwierigkeiten der eigenen Partei und aufwändiges Verhalten der Gegenseite genügen in aller Regel nicht, um den oberen tarifarischen Rahmen zu überschreiten: Solchen Aspekten ist bei Festsetzung der konkreten Gebühr Rechnung zu tragen; der tarifarische Rahmen bietet einen grossen Spielraum. Besonderheiten, welche die Mandatsführung schwierig machten und einen grösseren als den üblichen, mittleren Zeitaufwand erforderten, sind in dem Sinn zu berücksichtigen, dass sich die Gebühr zum oberen Rand des tarifarischen Rahmens hin bewegt.

Hier rechtfertigt es sich angesichts der Besonderheiten des Massnahmeverfahrens, der Rekurrentin das Maximum der im Summarverfahren möglichen Gebühr von Fr. 3'000.00 zuzusprechen. Die Verständigung mit ihrer Klientin war problematisch. Anlässlich der Anhörung war der Beizug eines Dolmetschers notwendig, und die Rekurrentin musste zwecks Abklärung und Klarstellung der Fakten Kontakt mit der Schwägerin der Ehefrau aufnehmen. Das prozessuale Verhalten der Gegenpartei war sodann auch nicht geeignet, die anwaltlichen Bemühungen im normalen Rahmen zu halten; die Rekurrentin hatte sich mit einer äusserst umfangreichen Gesuchsantwort auseinanderzusetzen. Unter diesen Umständen ist es angemessen, den im Summarium zur Verfügung gestellten Gebührenrahmen auszuschöpfen und die Gebühr nach § 4 Abs. 1 und 2, § 1 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 AnwT auf Fr. 3'000.00 festzulegen.

bb) Darüber hinaus macht die Rekurrentin Sachverhalte geltend, welche Zuschläge gemäss § 3 AnwT rechtfertigen. Die Gesuchsantwort des Ehemanns umfasste 30 Seiten. Es wurde darin auf 53 Beilagen verwiesen. Vom 27. August 2009 datiert eine weitere Eingabe des Ehemanns mit zwei Beilagen. Am 9. September 2009 wurden der Rekurrentin die Einvernahmeprotokolle der Parteien vom 31. August 2009 zugestellt. Am 21. September 2009 verfasste die Anwältin des Ehemanns eine nächste Stellungnahme mit drei Beilagen. Am 22. September 2009 forderte die Vorinstanz die Rekurrentin auf, zu diesen Unterlagen Stellung zu nehmen. Am 28. August 2009 war die Rekurrentin sodann gezwungen, ihre bereits am 4. August 2009 superprovisorisch gestellten Begehren betreffend Zuteilung/Betreten der ehelichen Wohnung und Unterhaltsbeiträge zu erneuern. Diese Eingabe war für die Rekurrentin mit weiterem Aufwand verbunden, der zu vergüten ist. Gesamthaft erscheint gestützt auf § 3 lit. a AnwT ein Zuschlag von 35% der Grundgebühr gerechtfertigt. Es resultiert somit eine Entschädigung von Fr. 4'050.00.

cc) Die Rekurrentin verlangt ein Honorar von Fr. 3'880.00. Diese Summe liegt innerhalb des Gebührenrahmens von Fr. 4'050.00. Der von der Rekurrentin in Rechnung gestellte Aufwand war angesichts der sprachlichen Schwierigkeiten der aus Sri Lanka stammenden Klientin, der Ausweitung des Verfahrens durch die Gegenpartei und nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass die Vorinstanz die Eheleute im Rahmen der Vorladung zur Anhörung aufforderte, sich selbst um einen Dolmetscher zu bemühen, falls ein solcher für die Einvernahme benötigt werde, notwendig. Um ihren anwaltlichen Sorgfaltspflichten Genüge zu tun, war die Rekurrentin gezwungen, sich mit den von der Gegenanwältin zahlreich eingereichten Unterlagen, deren weitschweifigen Vorbringen in der Gesuchsantwort und den unaufgefordert zugesandten Stellungnahmen auseinanderzusetzen. Sie tat dies in der angemessenen und erforderlichen Kürze.

3. Der Rekurs ist somit zu schützen. Die Rekurrentin hat Anspruch auf ein Honorar von Fr. 3'880.00 zuzüglich Barauslagen und Mehrwertsteuer.

Obergericht, 15. März 2010, ZR.2010.19


[1] § 13 Abs. 1 und 2 AnwT

[2] § 4 Abs. 1 und 2 AnwT

[3] § 1 Abs. 2 AnwT

[4] § 10 Abs. 1 AnwT

[5] § 10 Abs. 2 AnwT

[6] § 172 Ziff. 8 ZPO

[7] In der seit 1. Januar 2007 gültigen Fassung

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