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RBOG 2019 Nr. 20

Bei Teilfreispruch nur dann Kostenaufteilung auf Verurteilten, Staat oder Privatkläger, wenn im freisprechenden Punkt Mehrkosten anfielen


Art. 350 Abs. 1 StPO, Art. 426 Abs. 1 StPO


1. a) Wird die beschuldigte Person bei einer Mehrzahl strafbarer Handlungen teilweise schuldig gesprochen und teilweise freigesprochen, so sind die Verfahrenskosten anteilsmässig der beschuldigten Person, dem Staat und gegebenenfalls der Privatklägerschaft aufzuerlegen. Dabei gilt es das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip zu beachten. Der beschuldigten Person dürfen jedoch die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn die ihr zur Last gelegten Handlungen in einem engen und direkten Zusammenhang stehen, und alle Untersuchungshandlungen hinsichtlich je­des Anklagepunktes notwendig waren. Es ist nach Sachverhalten, nicht nach Tatbestän­den aufzuschlüsseln. Bei einem einheitlichen Sachverhaltskomplex ist vom Grundsatz der vollständigen Kostenauflage nur abzuweichen, wenn die Strafuntersuchung im frei­sprechenden Punkt zu Mehrkosten geführt hat. Eine Aufschlüsselung der Kosten je nach Schwere der frei­gesprochenen und verurteilten Taten führt demgegenüber zu intransparenten Entscheiden, wenn nicht gleichzeitig begründet wird, welcher Massstab für die Schwere der jeweiligen Tat angewandt worden ist. Bei der Aufteilung der Verfahrenskosten ist der Strafbehörde jedenfalls ein gewisser Ermessenspielraum zuzugestehen[1].

b) aa) Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten sowie eine bedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je Fr. 430.00 beantragt. In der Folge sprach die Vorinstanz den Berufungskläger in mehreren Punkten frei und verurteilte ihn (unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von 61 Tagen) zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je Fr. 430.00 sowie zu einer Busse von Fr. 12'900.00, wobei der Vollzug der Geldstrafe bei einer Probezeit von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsklägers ist allerdings das Verhältnis der beantragten zur ausgesprochenen Strafe für die Tragung respektive Aufteilung der Kosten nicht massgebend. So war die Vorinstanz in keiner Art und Weise an den Strafantrag der Staatsanwaltschaft gebunden, sondern bei der Festsetzung der Strafe frei[2]. Vielmehr stellt sich daher die Frage, in welchem sachlichen Zusammenhang die angefallenen Kosten standen; mit anderen Worten sind Auslagen für die Beurteilung von Sachverhalten, welche zu einem Schuldspruch führten, vom Berufungskläger zu tragen.

bb) Der Auftrag an die X AG datierte vom 3. März 2015 und erfolgte im Rahmen der gestützt auf die Befragungen der Schwestern A und B vom 14. beziehungsweise 24. Januar 2015 eröffneten Strafuntersuchung. Bereits dieser Auftrag sah die Durchsuchung der Datenträger nach verbotener Pornographie, insbesondere Kinderpornographie, in Schrift oder Bild vor. Am 27. April 2015 stellte die Staatsanwaltschaft der X AG zusätzliche Fragen für den Fall, dass verbotene Pornographie auf den Datenträgern gefunden würde. Die X AG erstellte die Expertise am 8. Mai 2015. Gestützt auf dieses Gutachten sprach die Vorinstanz den Berufungskläger wegen verbotener Pornographie schuldig, welcher Schuldspruch unangefochten blieb und in Rechtskraft erwuchs. Die Kosten der X AG im Zusammenhang mit der Datenspiegelung (1. Phase) verbuchte die Staatsanwaltschaft mit Fr. 17'510.05, jene der Datenauswertung (2. Phase) mit Fr. 17'743.85; insgesamt entfielen somit allein Fr. 35'253.90 auf die Auswertung der elektronischen Datenträger und damit auf diesen Schuldspruch. Das psychiatrische Gutachten vom 20. April 2015 wäre allein gestützt auf die zu einem Schuldspruch führenden Sachverhalte wohl kaum in Auftrag gegeben worden, weshalb dem Berufungskläger diesbezüglich keine Kosten aufzuerlegen sind. Die Untersuchungskosten der Staatsanwaltschaft in Höhe von Fr. 3'447.00 und die Polizeikosten von Fr. 150.00 standen grösstenteils im Zusammenhang mit den Abklärungen der von A erhobenen Vorwürfe, welche zu Freisprüchen führten. Demzufolge erscheint es als gerechtfertigt, den Berufungskläger diesbezüglich (lediglich) mit einem Anteil von Fr. 500.00 zu belasten. Mit Blick auf die Gebühr der Staatsanwaltschaft ist klarzustellen, dass Fr. 500.00 ohnehin den unteren Grenzwert bilden[3]. Für das Gerichtsverfahren veranschlagte die Vorinstanz eine Verfahrensgebühr von Fr. 1'600.00. Wären indessen allein die verbotene Pornographie sowie die gegenüber B begangene sexuelle Handlung mit einem Kind zur Debatte gestanden, wäre die Verfahrensgebühr auf höchstens Fr. 1'000.00 festgesetzt worden[4]. Zusammenfassend sind dem Berufungskläger somit (reduzierte) Kosten der Strafuntersuchung und der Staatsanwaltschaft von (gerundet) Fr. 36'254.00[5] sowie Verfahrenskosten der Vorinstanz in Höhe von Fr. 1'000.00 aufzuerlegen.

Obergericht, 1. Abteilung, 19. Dezember 2018, SBR.2018.48


[1] Domeisen, Basler Kommentar, 2.A., Art. 426 StPO N. 6

[2] Art. 350 Abs. 1 StPO

[3] § 6 Ziff. 3 VGG

[4] § 11 Ziff. 3 VGG

[5] Fr. 35'253.90 (Datenträgerauswertung) + Fr. 500.00 (Polizeikosten und Untersuchungskosten Staatsanwaltschaft) + Fr. 500.00 (Gebühr Staatsanwaltschaft)

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