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RBOG 2019 Nr. 21

Keine Aufklärungspflicht der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde über die Verfahrenskosten und die unentgeltliche Rechtspflege


§ 63 f KESV, Art. 97 ZPO


1. Die Schulgemeinde X und das Ambulatorium des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes (KJPD) erstatteten Gefährdungsmeldungen für die Kinder von A. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eröffnete ein Verfahren und entschied, auf die Errichtung von Kindesschutzmassnahmen zu verzichten, weil keine aktuelle Kindeswohlgefährdung (mehr) vorliege, auferlegte den Eltern aber die Verfahrenskosten von Fr. 750.00. A erhob Beschwerde im Kostenpunkt; er sei leider nicht in der Lage, die Rechnung zu begleichen und ihm sei seitens der Schule gesagt worden, dass es keine Kosten geben werde.

2. a) Für das Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und vor der Beschwerdeinstanz finden nach § 29 Abs. 1 KESV[1] die Bestimmungen des ZGB und des EG ZGB[2] Anwendung. Sinngemäss gelten ausserdem, soweit keine besonderen Vorschriften bestehen, die Bestimmungen der ZPO und des ZSRG[3] samt der ZSRV[4]. Gemäss § 62 Abs. 1 KESV bestehen die Kosten des Verfahrens vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde aus der Verfahrensgebühr und den Kosten einer von der Behörde angeordneten Vertretung sowie den Barauslagen. Als Barauslagen gelten alle der Behörde entstandenen Auslagen, insbesondere für Leistungen Dritter, wie die Kosten für Gutachten und ärztliche Fachberichte sowie die Auslagen für Übersetzungen, für Publikationen und für entrichtete Gebühren[5]. Die Verfahrenskosten werden der betroffenen Person auferlegt, sofern nicht besondere Umstände eine andere Verlegung der Kosten oder den Verzicht auf Verfahrenskosten rechtfertigen, wobei die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vorbehalten bleibt[6]. In Kindesschutzverfahren und in Verfahren betreffend den persönlichen Verkehr, die elterliche Sorge oder den Unterhalt sind die Verfahrenskosten in der Regel von den Eltern zu tragen[7].

b) Auch der Hinweis des Beschwerdeführers, er sei vorgängig nicht über die anfallenden Kosten orientiert worden, beziehungsweise ihm sei seitens der Schule gesagt worden, es würden keine Kosten anfallen, hilft ihm nicht weiter. Selbst wenn eine solche Aussage gemacht worden wäre, musste auch dem Beschwerdeführer klar gewesen sein, dass eine Exponentin der Schule X keine verpflichtende Erklärung zu Lasten der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde abgeben konnte. Es kommt hinzu, dass die Vorin­stanz die Eltern als nicht anwaltlich vertretene Parteien auch nicht nach Art. 97 ZPO über die mutmasslichen Prozesskosten sowie über die unentgeltliche Rechtspflege aufklären musste, weil Adressat der Aufklärungspflicht das Gericht ist, das heisst, das erstinstanzliche und das zweitinstanzliche Gericht, nicht hingegen die Kindes- und Erwachsenschutzbehörde oder die Schlichtungsbehörde, für die besondere Kostenregelungen gelten[8]. Doch selbst wenn die analoge Anwendung von Art. 97 ZPO auf das Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zu bejahen wäre, bliebe eine Verletzung der Aufklärungspflicht folgenlos, weil gemäss § 64 Abs. 2 KESV die Möglichkeit besteht, die Verfahrenskosten auf entsprechendes Gesuch hin nachträglich zu erlassen.

Obergericht, 1. Abteilung, 25. Oktober 2019, KES.2019.61


[1] Kindes- und Erwachsenenschutzverordnung, RB 211.24

[2] Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch, RB 210.1

[3] Gesetz über die Zivil- und Strafrechtspflege, RB 271.1

[4] Verordnung zum Gesetz über die Zivil- und Strafrechtspflege, RB 271.11

[5] § 62 Abs. 2 KESV

[6] § 63 Abs. 2 KESV

[7] § 63 Abs. 5 KESV

[8] Vgl. Suter/von Holzen, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 3.A., Art. 97 N. 4; Rüegg/Rüegg, Basler Kommentar, 3.A., Art. 97 ZPO N. 2

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