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RBOG 2023 Nr. 20

Die Vormerknahme der Niederlegung des Willensvollstreckermandats durch die Aufsichtsbehörde hat keine Auswirkung auf Haftungs- und Verantwortlichkeitsansprüche der Erbengemeinschaft.

Art. 404 OR Art. 517 Abs. 1 ZGB Art. 398 ff. OR


Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdegegnerin wurde in einem Nachlass, in dem die Beschwerdeführerin Erbin ist, als Willensvollstreckerin eingesetzt. Noch vor der Teilung des Nachlasses legte die Beschwerdegegnerin ihr Mandat nieder, wovon der Einzelrichter des Bezirksgerichts Vormerk nahm. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin beim Obergericht Beschwerde.

Aus den Erwägungen:

[…]

3.

3.1.

Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines Willens beauftragen[1]. Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters. Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen[2].

Der Auftrag kann von jeder Seite jederzeit widerrufen oder gekündigt werden. Erfolgt dies jedoch zur Unzeit, so ist der zurücktretende Teil zum Ersatz des dem anderen verursachten Schadens verpflichtet[3].

3.2.

Die vorzeitige Beendigung der persönlichen Funktion als Willensvollstrecker kann unter anderem in einem Rücktritt des Willensvollstreckers begründet sein. Dies ist wegen fehlenden Amtszwangs jederzeit und ohne Angabe von Gründen möglich. Allerdings darf der Rücktritt in Analogie zu Art. 404 OR nicht zur Unzeit erfolgen[4].

Wenn der Willensvollstrecker vorzeitig ausscheidet und in der Verfügung von Todes wegen ein Ersatz bezeichnet wurde, so tritt dieser an die Stelle des Ausgeschiedenen und die Willensvollstreckung geht weiter. Wurde jedoch kein Ersatzvollstrecker bezeichnet, so fällt die Willensvollstreckung vollständig dahin; die Behörde kann keinen Ersatzvollstrecker ernennen. Die Erben treten wieder vollumfänglich in ihre Verwaltungs- und Verfügungsrechte ein und haben den Nachlass so zu übernehmen, wie er sich beim Wegfall des Willensvollstreckers darstellt[5]. Widerruf und Kündigung sind einseitig ausübbare, auflösende Gestaltungsrechte und grundsätzlich zwingender Natur. Bei der Beendigung des Auftrags nach Art. 404 Abs. 1 OR wird der Vertrag mit Wirkung ex nunc aufgelöst[6]. Auf das jederzeitige Beendigungsrecht kann gemäss Rechtsprechung nicht verzichtet werden, weil der Auftrag regelmässig durch eine ausgesprochene Vertrauensstellung geprägt ist, welche dessen Weiterführung bei Vertrauensstörungen nicht als sinnvoll erscheinen lässt. Das Bundesgericht vertritt entsprechend in konstanter Rechtsprechung die Auffassung, dass das Beendigungsrecht (sowohl des Auftraggebers als auch des Beauftragten) aufgrund des ausgeprägten Vertrauenselements im Auftragsverhältnis vertraglich weder eingeschränkt noch wegbedungen werden könne[7].

3.3.

Den Willensvollstrecker trifft für seine Tätigkeit eine persönliche Verantwortlichkeit disziplinarischer, zivilrechtlicher, strafrechtlicher und beruflicher Natur. Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit bedeutet, dass der Willensvollstrecker für seine gesamte Tätigkeit einschliesslich der teilungsvorbereitenden Handlungen einer vertragsähnlichen Verschuldenshaftung nach Bundeszivilrecht unterliegt, deren Ausgestaltung sich in Analogie zu Art. 398 ff. OR richtet, dass für die Beurteilung der Haftungsansprüche der ordentliche Richter zuständig ist und dass die Haftung des Willensvollstreckers unabhängig ist von der administrativen/disziplinarischen Verantwortlichkeit gegenüber der Aufsichtsbehörde. Eine Disziplinarmassnahme konsumiert die zivilrechtliche Haftung nicht[8].

3.4.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, bei der Geschäftsbesorgung der Willensvollstreckerin habe es Unregelmässigkeiten gegeben oder sie befürchtet, die Vormerknahme der Amtsniederlegung würde die Willensvollstreckerin und Beschwerdegegnerin exkulpieren, ist festzuhalten, dass allfällige Fragen aus zivilrechtlicher Verantwortlichkeit von der gerichtlichen Vormerk­nahme der Amtsniederlegung unberührt bleiben. Entsprechende Rechtsbehelfe hätte die Beschwerdeführerin im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens geltend zu machen. Dasselbe gilt für die Frage nach der Beendigung des Mandats zur Unzeit und einen allenfalls dadurch entstandenen Schaden. Diese Verantwortlichkeits- und Haftungsfragen sind im ordentlichen und nicht im Aufsichtsbeschwerdeverfahren zu behandeln, weshalb auf die entsprechenden Begründungen und Anträge nicht eingegangen wird.

Die Beschwerdegegnerin ist aufgrund des fehlenden Amtszwangs berechtigt, auch ohne Angabe von Gründen vom Amt des Willensvollstreckers zurückzutreten. Das Mandat wird unabhängig von der Frage, ob die Beendigung zur Unzeit erfolgt ist, beendet. Der Rücktritt erfolgte gegenüber dem zuständigen Bezirksgericht und gilt ab dessen Eintreffen am Folgetag. Dadurch, dass die Vorinstanz mit ihrem Entscheid von der Mandatsniederlegung einzig Vormerk nahm, handelte sie rechtzeitig und verhielt sie sich rechtmässig. Damit wäre auch kein aufsichtsrechtlich relevanter Tatbestand gegeben.

3.5.

Die Beschwerde ist demnach unbegründet und wird abgewiesen.

[…]

Obergericht, 1. Abteilung, 7. Juni 2023, ZR.2023.11


[1]    Art. 517 Abs. 1 ZGB

[2]    Art. 518 Abs. 1 und 2 ZGB

[3]    Art. 404 OR

[4]    Leu, Basler Kommentar, 7.A., Art. 517 ZGB N. 25

[5]    Leu, Art. 517 ZGB N. 26

[6]    Graham-Siegenthaler, in: Haftpflichtkommentar (Hrsg.: Fischer/Luterbacher), Zürich/St. Gallen 2016, Art. 404 OR N. 2

[7]    Graham-Siegenthaler, Art. 404 OR N. 5

[8]    Leu, Art. 518 ZGB N. 109


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