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TVR 2017 Nr. 13

Keine Gerichtsferien bzw. kein Fristenstillstand im Steuerstrafverfahren; ein Irrtum betreffend Fristenstillstand wegen Gerichtsferien stellt keinen Fristwiederherstellungsgrund dar


Art. 133 DBG, Art. 182 Abs. 3 DBG, § 164 Abs. 3 StG, § 176 Abs. 2 StG, § 63 Abs. 4 VRG


Im Steuerstrafverfahren bzw. Steuerübertretungsverfahren gelten keine Gerichtsferien und damit kein Fristenstillstand. Ein Irrtum betreffend Fristenstillstand wegen Gerichtsferien stellt keinen Fristwiederherstellungsgrund dar.


Mit Bussenverfügung vom 2. Oktober 2015 der Steuerverwaltung A wurde B mit Fr. 1'000.-- wegen Nichterteilung von Auskünften zur Steuererklärung gebüsst. Die von B dagegen erhobene Einsprache wies die Steuerverwaltung A mit Entscheid vom 16. Februar 2016 ab. Nach Rekurserhebung durch B erliess die Steuerverwaltung A wiedererwägungsweise einen neuen Entscheid, wogegen B wiederum Einsprache erhob. Diese wurde mit Entscheid vom 11. Juli 2016 erneut abgewiesen. Dagegen führte B Rekurs bei der Steuerrekurskommission C, welcher mit Entscheid vom 27. Juli 2017 abgewiesen wurde. In der Folge erhob B mit einer vom 15. September 2016 datierenden Eingabe (Postaufgabe: 15. September 2017) Beschwerde beim Verwaltungsgericht.
Am 18. September 2017 forderte das Gericht B zur Leistung eines Kostenvorschusses auf. Gleichzeitig wurde B darauf hingewiesen, dass gemäss § 63 Abs. 4 VRG im Steuerverfahren keine Gerichtsferien gelten würden, weshalb die Beschwerde als verspätet zu betrachten sei. B wurde eine Frist zur Stellungnahme betreffend Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung eingeräumt.
Am 19. September 2017 reichte B ein Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist ein. Darin brachte er vor, es habe sich im Zusammenhang mit der Bussenverfügung um ein Strafverfahren und nicht um ein Steuerverfahren gehandelt. In § 63 VRG habe kein Hinweis gefunden werden können, dass die Fristen für Straf- und Bussenverfahren während den Gerichtsferien nicht stillstehen würden. Das Verwaltungsgericht weist den Antrag auf Wiederherstellung der Beschwerdefrist ab und tritt nicht auf die Beschwerde ein.

Aus den Erwägungen:

2.5 Das DBG sieht keinen Fristenstillstand aufgrund von Gerichtsferien vor (Art. 133 DBG). Das Bundesgericht hat mit Bezug auf Art. 133 und Art. 140 DBG im Urteil 2A.248/2003 vom 8. August 2003 erwogen, das DBG - welches keine ausdrückliche Regelung über die Beachtung von Gerichtsferien vorsieht - regle den Fristenlauf abschliessend. Abweichende oder weitergehende kantonale Vorschriften wie etwa Gerichtsferien im Bereich des Bundessteuerrechts seien deswegen unzulässig (bestätigt mit Urteil 2A.70/2006 vom 15. Februar 2006 E. 3). In BGE 130 II 65 erkannte es in der Folge, die Kantone seien von Bundesrechts wegen gehalten, für Beschwerden betreffend die direkte Bundessteuer und die harmonisierten kantonalen Steuern einen einheitlichen Instanzenzug zu schaffen. Diese Überlegung veranlasste das Bundesgericht im Urteil 2A.70/2006 vom 15. Februar 2006 E. 3 zur Feststellung, unterschiedliche Fristbestimmungen für die harmonisierten kantonalen Steuern und die direkte Bundessteuer stünden dem Anliegen der Verfahrensharmonisierung entgegen. In der Folge trat im kantonalen Recht am 1. Januar 2008 die geltende Fassung von § 176 StG in Kraft. Unter Beachtung der vertikalen Steuerharmonisierung und im Speziellen des harmonisierungsrechtlichen Postulats (Urteil des Bundesgerichts 2A.70/2006 vom 15. Februar 2006) wurde darin die Nichtgeltung von Gerichtsferien in Übereinstimmung mit der Regelung im DBG ausdrücklich geregelt (§ 176 Abs. 2 StG und § 63 Abs. 4 VRG; vgl. Botschaft vom 27. Februar 2007 zur Änderung des StG vom 14. September 1992, S. 9 und 28 f.).

2.6 Im Steuerübertretungsverfahren sind sowohl im kantonalen Recht als auch im Bundesrecht sinngemäss die Vorschriften über die Verfahrensgrundsätze, das Veranlagungs- und das Beschwerde- bzw. Rechtsmittelverfahren anzuwenden (§ 217a Abs. 2 StG, Art. 182 Abs. 3 DBG, Art. 57bis Abs. 3 StHG). Es handelt sich um ein Administrativverfahren, welches verstärkt an straf(verfahrens)rechtlichen Grundsätzen ausgerichtet ist (vgl. Sieber/Malla, in: Zweifel/Beusch [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 3. Aufl., Basel 2017, Vor Art. 182 - 183 N. 5). Die allgemeinen steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften von Art. 109 - 146 DBG sind im Steuerstrafverfahren nur dann und nur insoweit anwendbar, als dies mit der kriminalrechtlichen Natur der Steuerstrafen vereinbar ist, was im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist, insbesondere in Übereinstimmung mit denjenigen strafprozessualen Grundsätzen, die sich aus der BV sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK ergeben (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, 3. Aufl., Zürich 2016, Art. 182 N. 2). Gleiches gilt im Rahmen der kantonalen Steuergesetzgebung (vgl. StP 207 Nr. 1 Ziff. 6). Es ist somit für jede einzelne der steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften zu fragen, ob sie im Steuerübertretungsverfahren zur Anwendung gelangt und bejahendenfalls mit welcher Bedeutung (vgl. Sieber/Malla, a.a.O., Vor Art. 182 - 183 N. 2).

2.7 Der Anwendung von § 176 Abs. 2 StG und Art. 133 DBG (mit der damit verbundenen Nichtgeltung von Gerichtsferien) im Steuerstrafverfahren steht kein strafprozessualer Grundsatz entgegen. Vielmehr ist mit Blick auf Art. 89 Abs. 2 StPO festzustellen, dass es im Strafverfahren keine Gerichtsferien gibt. Die kriminalrechtliche Natur der Steuerstrafen erfordert somit kein Abweichen von § 176 Abs. 2 StG und Art. 133 DBG. Demzufolge ist auch bei Steuerstrafverfahren kein Fristenstillstand aufgrund von Gerichtsferien zu beachten.

2.8 (…)

3.
3.1 - 3.3 (…)

3.4 Vorliegend ist der Beschwerdeführer einem subjektiven Irrtum über die Geltung der Gerichtsferien im Steuerstrafverfahren unterlegen. Ein Irrtum über die Fristberechnung, die Geltung der Gerichtsferien oder ganz allgemein ein Rechtsirrtum stellen aber grundsätzlich keinen Fristwiederherstellungsgrund dar (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2A.70/2006 vom 15. Februar 2006 E. 4 mit Hinweisen und 2C_407/2012 vom 23. November 2012 E. 3.2). Dem angefochtenen Entscheid ist zu entnehmen, dass die Beschwerde innert 30 Tagen seit Eröffnung zu erheben ist. Als rechtsunkundige Person wäre der Beschwerdeführer gehalten gewesen, sich an die Angaben in der Rechtsmittelbelehrung zu halten. Soweit er eigene Rechtsabklärungen mit Blick auf die Fristwahrung tätigte und - wie unter E. 2.7 dargelegt wurde - fälschlicherweise zum Schluss gekommen ist, es würden Gerichtsferien gelten, ist ihm dieses Versäumnis anzurechnen. Anderweitige Fristwiederherstellungsgründe werden nicht geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund gelingt dem Beschwerdeführer der Nachweis eines Hinderungsgrundes im Sinne von § 164 Abs. 3 StG und Art. 133 Abs. 3 DBG nicht. Der Antrag auf Wiederherstellung der Beschwerdefrist ist somit abzuweisen.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2017.142/E vom 15. November 2017

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