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RBOG 1996 Nr. 6

Bindung des Bauherrn an die Genehmigung der Schlussrechnung durch den Architekten; Tragweite der Ungewöhnlichkeitsregel


Art. 33 OR, Art. 363 ff. i.V.m. Art. 154 SIA-Norm 118 OR, Art. 82 SchKG


1. Die X + Y Architektur AG schloss für das Baukonsortium als Bauherrin mit der Rekursgegnerin einen Werkvertrag. In der Folge betrieb die Unternehmerin den Rekurrenten, ein Mitglied des Baukonsortiums, auf Bezahlung des ausstehenden Werklohns.

2. Im Rekursverfahren nicht bestritten wird, dass die Schlussabrechnung vom 17. November 1995 einen provisorischen Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG darstellt. Streitig ist dagegen, ob die X + Y Architektur AG berechtigt war, als Stellvertreterin das Baukonsortium zu verpflichten.

a) Abgesehen von gesetzlichen und gesellschaftsrechtlichen Stellvertretungsverhältnissen werden Vollmachten immer aufgrund obligationenrechtlicher Grundgeschäfte erteilt. Dabei legt Art. 33 Abs. 2 OR grundsätzlich fest, dass sich der Umfang der Vollmacht nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts richte (Hess, Der Architekten- und Ingenieurvertrag, Zürich 1986, S. 73 mit Hinweisen). Bei der Prüfung und Genehmigung der Schlussabrechnung geht es um die Feststellung, ob die Werklohnforderung des Unternehmers einerseits mit dem Vertrag und den dort vereinbarten Preisansätzen und andererseits mit dem festgestellten Ausmass und Regieaufwand übereinstimmt. Diese Prüfung gehört nach allgemeiner Usanz eindeutig zu den Aufgaben des Architekten (Hess, S. 80). Daraus lässt sich jedoch keine Ermächtigung zur Anerkennung einer Forderung des Unternehmers namens des Bauherrn ableiten. Bereinigt der Architekt in einer Besprechung mit dem Unternehmer dessen Rechnung oder übermittelt er ihm eine Zusammenstellung über das Ergebnis seiner Rechnungsprüfung, so bedeuten diese Handlungen und Erklärungen mangels einer entsprechenden Vollmacht keine für den Bauherrn verbindliche Schuldanerkennung, sondern nur eine fachkundige Meinungsäusserung. Die verbindliche Anerkennung von Unternehmerrechnungen durch den Architekten setzt in der Regel vielmehr eine ausdrückliche Vollmacht des Bauherrn voraus. Auch die Übertragung der Bauleitung an den Architekten berechtigt den Unternehmer nicht, allein aufgrund von Art. 396 Abs. 2 OR anzunehmen, der Architekt sei zur Anerkennung der von ihm geprüften Rechnung ermächtigt. Ist der Architekt selbst am Baukonsortium beteiligt, so bedarf es einer im Gesellschaftsvertrag geregelten Geschäftsführungsbefugnis, ansonsten auch die Vollmachtsvermutung von Art. 543 Abs. 3 OR nicht zum Tragen kommt (BGE 118 II 313). In Abweichung von diesen Regeln bestimmt jedoch Art. 154 Abs. 3 SIA-Norm 118, dass die Schlussrechnung mit dem Prüfungsentscheid der Bauleitung als beidseitig anerkannt gilt, falls sich bei der Prüfung keine Differenzen ergeben (Gauch/Tercier, Das Architektenrecht, 3.A., N 861 ff.).

b) Im Werkvertrag vom September 1991 vereinbarten das Baukonsortium als Bauherrin und die Rekursgegnerin als Unternehmerin ausdrücklich die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118. Die Parteien stimmen darin überein, dass die X + Y Architektur AG vom Baukonsortium mit der Bauleitung betraut war. Gestützt auf Art. 154 Abs. 3 SIA-Norm 118 waren die Architekten somit, zumindest im Verkehr mit der Rekursgegnerin, befugt, die Schlussabrechnung rechtsverbindlich für das Baukonsortium zu genehmigen. Zu prüfen ist indessen, ob vorliegend die Ungewöhnlichkeitsregel zur Anwendung zu gelangen hat.

c) Zweck der SIA-Norm 118 ist die Regelung des Vertragsverhältnisses zwischen Bauherrn und Werkunternehmer. Das vom schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein herausgegebene Regelwerk ist ein Schriftstück von 51 Druckseiten. Es umfasst insgesamt 190 Artikel, von denen die meisten in mehrere Absätze unterteilt sind. Die Norm wurde von einer Kommission ausgearbeitet, der vor allem Architekten und Ingenieure angehörten. Gemäss ihrer Präambel soll sie den Abschluss und die Gestaltung von Verträgen erleichtern und zudem bewirken, dass im Bauwesen möglichst einheitliche Vertragsbedingungen verwendet werden (BGE 109 II 456). Bei der Globalübernahme eines derartigen Regelwerks gilt deshalb die Ungewöhnlichkeitsregel. Danach sind von der pauschalen Zustimmung zu allgemeinen Geschäftsbedingungen alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen, insbesondere solche, deren Inhalt von dem abweicht, was vernünftigerweise erwartet werden darf. Indessen kann sich auf die Ungewöhnlichkeitsregel nur die schwache oder unerfahrene Partei berufen, was z.B. auf einen privaten Bauherrn zutrifft, welcher einmal in seinem Leben baut. Als schwächere Partei muss allerdings auch diejenige gelten, welche unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder andern Umständen, die sie als stärkere Partei erscheinen lassen, gezwungen ist, allgemeine Geschäftsbedingungen als Vertragsbestandteil zu akzeptieren, weil sie andernfalls kaum einen Vertragspartner findet. Die Ungewöhnlichkeitsregel gilt dagegen nicht für Branchenkenner und Spezialisten (BGE 109 II 457; Hess, S. 50). Grundsätzlich ist die Ungewöhnlichkeit individuell, demnach aus Sicht des Zustimmenden zur Zeit des Vertragsabschlusses zu beurteilen. Für einen Branchenfremden kann deshalb auch eine branchenübliche Klausel ungewöhnlich sein. Auf die individuellen Vorstellungen des Zustimmenden darf jedoch nur soweit abgestellt werden, als sie der Gegenpartei erkennbar sind, da grundsätzlich das Vertrauensprinzip wegleitend sein muss. Die Ungewöhnlichkeitsregel ist deshalb nur dann anzuwenden, wenn neben der subjektiven Voraussetzung des Fehlens von Branchenerfahrung die betreffenden Klauseln objektiv beurteilt einen geschäftsfremden Inhalt aufweisen (BGE 109 II 458).

d) Den Akten lässt sich nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, welche Personen dem Baukonsortium angehörten. Gemäss einer Bestätigung des Grundbuchamts, welche der Vorinstanz offensichtlich vorlag, handelte es sich dabei um die Gesellschafter A und B einerseits und den Rekurrenten andererseits. Die Rekursgegnerin führt dieses Schriftstück wohl auf, reichte es vermutlich aus Versehen aber nicht ein. Dagegen liegt eine Bestätigung im Recht, wonach X, bei dem es sich offensichtlich um einen der Inhaber der X + Y Architektur AG handelt, ebenfalls Mitglied des Baukonsortiums war. X wiederum unterzeichnete seinerzeit als Mitglied der Bauleitung und in Vertretung des Baukonsortiums den Werkvertrag mit der Rekursgegnerin. Die spätere Anerkennung der Schlussabrechnung und die daraus fliessende Verpflichtung des Baukonsortiums durch die Bauleitung ist unter diesen Umständen aber nicht als eine blosse Tatsachenfeststellung, sondern vielmehr als eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung zu qualifizieren. In jedem Fall muss X als Architekt und Inhaber eines Architekturunternehmens als branchenerfahren bezeichnet werden. Sein Wissen hat sich demnach auch das Baukonsortium, welchem er angehörte, anrechnen zu lassen. Von daher erscheint dieses im Vergleich zur Rekursgegnerin auch nicht als schwächere Partei. Ebensowenig lässt sich behaupten, der Hinweis auf die SIA-Norm 118 stelle objektiv beurteilt einen geschäftsfremden Inhalt dar. Schliesslich fehlen Anhaltspunkte dafür, dass das Baukonsortium aus irgendwelchen Gründen zum Abschluss des hier in Frage stehenden Werkvertrags gezwungen gewesen wäre. Somit war der Bauleitung zumindest im Verhältnis mit der Rekursgegnerin eine umfassende Vertretungsbefugnis in finanziellen Belangen verliehen. Daraus folgt, dass ihre Schlussabrechnung vom November 1995 für die Bauherrin unmittelbar bindende Wirkung hatte (ZR 87, 1988, Nr. 135).

Rekurskommission, 25. Oktober 1996, BR 96 93


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