RBOG 1998 Nr. 9
Die nicht richterlich genehmigte Unterhaltsvereinbarung berechtigt zur provisorischen Rechtsöffnung
Art. 82 SchKG, Art. 111 (Art. 158 aZGB) ZGB, Art. 125 ff. (Art. 151 ff. aZGB) ZGB, Art. 137 Abs. 2 (Art. 145 aZGB) ZGB
1. Gestützt auf eine von den Parteien unterzeichnete Unterhaltsvereinbarung erteilte die Vorinstanz provisorische Rechtsöffnung für ausstehende Unterhaltsbeiträge. Der Rekurrent verlangte die Verweigerung der Rechtsöffnung mit der Begründung, die Unterhaltsvereinbarung sei nicht richterlich genehmigt worden und könne daher keine Rechtswirksamkeit erlangen.
2. Beruht die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, wird provisorische Rechtsöffnung erteilt, sofern der Betriebene nicht Einwendungen, welche die Schuldanerkennung entkräften, sofort glaubhaft macht (Art. 82 SchKG).
a) Die Schuldanerkennung stellt eine Willenserklärung dar, wonach sich der Schuldner zur Bezahlung einer bestimmten oder leicht bestimmbaren Geldsumme zu einer bestimmten Zeit verpflichtet. Es genügt, wenn die Summe aus einer anderen Urkunde ziffernmässig deutlich ersichtlich und als anerkannt ausgewiesen ist (Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6.A., § 19 N 68; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4.A., Art. 82 N 9; Panchaud/Caprez, Die Rechtsöffnung, Zürich 1980, § 1 N 1 und 8). Für die Rechtsöffnung muss aus den vorgelegten Urkunden hervorgehen, dass sich der Schuldner eine klagbare, bezifferte und nicht an Bedingungen geknüpfte Forderung zu zahlen verpflichtete (Panchaud/Caprez, § 13 I).
b) Die private Vereinbarung, durch welche eine Person sich verpflichtet, Unterhaltsbeiträge zugunsten einer anderen Person zu leisten, stellt eine Schuldanerkennung dar, die zur Rechtsöffnung berechtigt, sofern die Betreibung zulässig ist (Panchaud/ Caprez, § 91). Das Problem der Zulässigkeit der Betreibung stellt sich indessen seit der Aufhebung des Verbots der Zwangsvollstreckung unter Ehegatten gemäss Art. 173 ff. aZGB nicht mehr. Es entspricht denn auch der Lehre und Rechtsprechung, dass die Parteien grundsätzlich an eine Parteivereinbarung gebunden sind und dem Richter lediglich deren Nichtgenehmigung beantragen können (BGE 99 II 359 ff.; Spühler/Frei-Maurer, Berner Kommentar, Ergänzungsband, Art. 158 ZGB N 150; RBOG 1982 Nr. 1). Auch Hinderling/Steck (Das Schweizerische Ehescheidungsrecht, 4.A., S. 545 Anm. 77) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, soweit eine Parteivereinbarung nicht das Kindeswohl, sondern nur die Interessen der Ehegatten betreffe, sollte es genügen, dass sie jederzeit vom Richter "für die Zukunft" abgeändert werden könne. Daraus folgt, dass auch diese Autoren die Auffassung vertreten, eine Vereinbarung, welche das Kindeswohl nicht tangiere, sei grundsätzlich ohne richterliche Genehmigung gültig.
Die vom Rekurrenten zitierte Auffassung von Bühler/Spühler (Berner Kommentar, Art. 145 ZGB N 34) betrifft eigentlich nicht die "Rechtsgültigkeit", sondern die Vollstreckbarkeit (nach altem Eherecht): Demnach bedarf eine Vereinbarung über die Folgen des Getrenntlebens im Streitfall der richterlichen Genehmigung, um für die Dauer des Scheidungsprozesses Geltung beanspruchen und vollstreckt werden zu können (vgl. Bühler/ Spühler, Einleitung N 34, Art. 145 ZGB N 26). Die gleichen Autoren führten denn auch aus, die dem Richter nicht zur Genehmigung unterbreitete - an sich zulässige - private Vereinbarung sei ein Vertrag, an den die Ehegatten gebunden seien und der nicht einseitig widerruflich sei, der jedoch grundsätzlich nicht ohne weiteres auf dem Weg der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden könne. Setze der Zessionar eines Ehegatten den in der nicht genehmigten Vereinbarung betragsmässig zugesicherten und anerkannten Anspruch (Unterhaltsbeitrag) in Betreibung, stelle die Vereinbarung lediglich eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 SchKG dar (Bühler/Spühler, Art. 145 ZGB N 431 f. mit Hinweis auf BGE 77 III 53 ff.).
Spühler/Frei-Maurer (Art. 145 ZGB N 426) vertreten zwar die Auffassung, die Vereinbarung der Parteien während der Dauer des Scheidungs- oder Trennungsprozesses bedürfe analog den Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung nach Art. 158 Ziff. 5 ZGB der richterlichen Zustimmung. Gerade ihr Hinweis auf RBOG 1988 Nr. 1 zeigt aber, dass sich die Umschreibung "Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der richterlichen Genehmigung" auf die zutreffende Tatsache bezieht, dass der Massnahme- und Scheidungsrichter nicht an eine nicht richterlich genehmigte Parteivereinbarung gebunden ist, sondern davon abweichen kann. Mit der Vollstreckbarkeit von nicht richterlich genehmigten Parteivereinbarungen befasst sich diese Stelle nicht. Auch der vom Rekurrenten zitierte Entscheid (SJZ 68, 1972, Nr. 23 S. 59) bezieht sich letztlich nur auf die Frage, ob Vereinbarungen über vorsorgliche Massnahmen nach Art. 145 ZGB ebenfalls richterlich genehmigt werden müssen; zur Frage, ob bzw. welche bindenden Wirkungen für die Parteien entstehen, lässt sich diesem Entscheid nichts entnehmen.
Steht somit fest, dass auch eine vom Richter nicht genehmigte unterzeichnete Vereinbarung bezüglich des Unterhalts während der Dauer des Scheidungsverfahrens für die Parteien gültig ist, sind keine Gründe ersichtlich, weshalb sie nicht eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 SchKG darstellt, sofern der geschuldete Betrag und die Fälligkeit aus der Konvention hervorgehen und die Vereinbarung keine Bedingungen - etwa diejenige der richterlichen Genehmigung - enthält.
c) Entgegen der Auffassung des Rekurrenten ist die Erwägung der Vorinstanz zutreffend, der Rechtsöffnungsrichter sei an eine aussergerichtlich geschlossene Parteivereinbarung gebunden. Er hat lediglich zu prüfen, ob eine zur provisorischen Rechtsöffnung berechtigende Schuldanerkennung vorliegt und gegebenenfalls die vom Schuldner erhobenen Einwendungen glaubhaft sind. Gerade im Rahmen dieser Einwendungen kann der Unterhaltspflichtige selbstredend Willensmängel oder andere die Schuldanerkennung entkräftende Einwände geltend machen.
Richtig ist grundsätzlich das Argument des Rekurrenten, dass im Anschluss an das Rechtsöffnungsverfahren die Möglichkeit des unterliegenden Unterhaltspflichtigen besteht, eine Aberkennungsklage zu erheben. Ob der Aberkennungsrichter aber "an eine aussergerichtliche Vereinbarung der Parteien gebunden" ist, bleibt insofern ohne Belang, als es der Unterhaltspflichtige jederzeit in der Hand hat, ein Massnahmebegehren nach Art. 145 ZGB zu stellen, um damit die Parteivereinbarung zu ersetzen oder zumindest abzuändern. In einem solchen Fall muss der Aberkennungsrichter korrekterweise den Prozess sistieren und zumindest den Ausgang des Massnahmeverfahrens abwarten, falls das Massnahmebegehren auch einen Zeitraum umfasst, auf welchen sich die bereits aufgrund der Parteivereinbarung in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge beziehen.
Rekurskommission, 26. Januar 1998, BR 97 142