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RBOG 2002 Nr. 6

Umfang des rechtlichen Gehörs im Eheschutzverfahren


Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 176 ZGB, § 161 Ziff. 3 ZPO, § 162 Abs. 2 ZPO, § 172 Ziff. 8 ZPO


1. Auf Gesuch der Ehefrau setzte das Gerichtspräsidium im Eheschutzverfahren die vom Ehemann an seine Familie geschuldeten Unterhaltsbeiträge fest, wobei es dessen Arbeitgeberin anwies, den entsprechenden Betrag direkt an die Ehefrau zu überweisen. Auf Rekurs des Ehemanns wies das Obergericht die Streitsache zu weiteren Abklärungen und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück.

Nach superprovisorischer Regelung von Unterhaltsbeiträgen und Schuldneranweisung erliess die Vorinstanz ohne neue Anhörung der Parteien die geänderte Eheschutzverfügung.

2. Der Ehemann erhob erneut Rekurs. Er rügte die Verletzung des rechtlichen Gehörs: Die angefochtene Verfügung sei ohne Gerichtsverhandlung ergangen, obschon ein Termin bereits angesetzt gewesen sei.

a) Das Eheschutzverfahren unterliegt dem Summarverfahren (§ 161 Ziff. 3 i.V.m. § 172 Ziff. 8 ZPO). Folglich kann das Gerichtspräsidium von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei eine mündliche Verhandlung durchführen (§ 162 Abs. 2 ZPO). Das Bundesgericht entschied, um dem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge zu leisten, seien die Parteien in einem Eheschutzverfahren vor Erlass der Verfügung zwingend mündlich anzuhören (BGE vom 20. Oktober 2000, 5P.336/2000). Das thurgauische Summarverfahren bietet somit - in Kombination mit den bundesgerichtlichen Vorgaben - dem Eheschutzrichter ein breites Instrumentarium, das er entsprechend den höchst unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Fälle auf das konkrete Verfahren anwenden kann (vgl. RBOG 2001 Nr. 5). Daraus ergibt sich unter anderem, dass die Parteien keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Anhörung und Parteivorträge) haben; der Eheschutzrichter ist nach wie vor berechtigt, aufgrund schriftlicher Eingaben zu entscheiden, unter der Bedingung, dass er vor Erlass der Verfügung die Parteien anhörte. Ebenso wenig erforderte die Rückweisung durch das Obergericht eine erneute Anhörung der Parteien, weil das Verfahren vor Vorinstanz alsdann nicht von neuem beginnt, sondern weitergeführt wird.

b) Die Parteien wurden vor der ersten Eheschutzverfügung befragt. Das schriftliche Protokoll dieser Anhörung liegt bei den Akten, wurde aber von den Parteien nicht unterzeichnet (vgl. § 219 Abs. 1 i.V.m. § 218 ZPO). Dieser Mangel führt jedoch nicht dazu, dass die Anhörung wiederholt werden müsste, umso weniger, als keine der Parteien Einwände gegen das Protokoll erhob, wozu genügend Zeit bestanden hätte. Eine weitere Anhörung der Parteien war gestützt auf den Rückweisungsentscheid nicht zwingend, weil nur relativ wenige Punkte zusätzlich abgeklärt werden mussten, die mittels Urkunden belegt werden konnten. Damit wurde der Anspruch auf das rechtliche Gehör nicht verletzt, indem die Vorinstanz nach der Rückweisung keine erneute Anhörung der Parteien durchführte bzw. den bereits angesetzten Termin absagte und die angefochtene Verfügung gestützt auf die schriftlichen Eingaben, die (einmalige) Anhörung sowie die eingereichten Belege erliess.

Obergericht, 26. August 2002, ZR.2002.74


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