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RBOG 2013 Nr. 12

Die Erhebung von Berufung und Beschwerde in einer Eingabe ist zulässig; die Verweisung der güterrechtlichen Auseinandersetzung in ein separates Verfahren ist ein prozessleitender Entscheid und nicht berufungsfähig.


Art. 125 lit. b ZPO, Art. 283 Abs. 2 ZPO, Art. 308 Abs. 1 ZPO, Art. 319 ZPO


1. a) Der Rechtsmittelkläger erhebt in seiner Berufung zugleich separat Beschwerde wegen Rechtsverzögerung. Die Rechtsmittelbeklagte wirft die Frage auf, inwieweit eine Beschwerde für die Rüge der Rechtsverzögerung zulässig sei, wenn das ordentliche Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung stehe.

b) Nach Art. 319 lit. c ZPO sind Fälle von Rechtsverzögerung mit Beschwerde anfechtbar. Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dass der Berufungskläger Beschwerde und Berufung in einer Eingabe erhebt. Aus Gründen der Verfahrensökonomie werden die beiden Verfahren (Berufung und Beschwerde) gestützt auf Art. 125 lit. c ZPO vereinigt[1]. Gleichwohl sind für die Berufung und Beschwerde die jeweiligen einschlägigen Bestimmungen zu beachten.

2. a) Der Ehemann stützt die Berufung, mit welcher er die Ablehnung seines Antrags auf Verweisung des Güterrechts ad separatum anficht, auf Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO. Gemäss dieser Bestimmung sind erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide mit Berufung anfechtbar.

b) Die Verweisung der güterrechtlichen Auseinandersetzung in ein separates Verfahren stützt sich direkt auf die Spezialbestimmung von Art. 283 Abs. 2 ZPO. Prozessual geht es um eine Spezialvorschrift zu Art. 125 lit. b ZPO, wonach das Gericht zur Vereinfachung des Prozesses Klagen trennen kann[2]. Hiebei handelt es sich um einen prozessleitenden Entscheid[3]. Sowohl der Entscheid, das Güterrecht in ein Separatverfahren zu verweisen, als auch derjenige, eine solche Verweisung ad separatum zu verweigern, sind als prozessleitende Verfügungen nicht berufungsfähig[4]. Mit Berufung anfechtbar sind gemäss Art. 308 Abs. 1 ZPO nebst den hier nicht interessierenden Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen nur erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der Berufung rechtfertigt sich, weil solche Verfügungen einzig der Fortführung des Verfahrens innerhalb der mit der Sache befassten Instanz dienen, das Verfahren weder ganz noch teilweise beenden und grundsätzlich jederzeit während des Verfahrens ohne Begründung abgeändert werden können[5]. Somit ist auf die Berufung nicht einzutreten.

3. a) Zulässiges Rechtsmittel wäre die Beschwerde. Sie steht offen, wenn nach Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.

b) Damit stellt sich die Frage, ob die Berufung als Beschwerde behandelt werden kann.

Ein unzulässiges Rechtsmittel kann unter Umständen unter Wahrung der Interessen der Gegenpartei und der Prozessökonomie in ein anderes gültiges Rechtsmittel umgewandelt werden. Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels darf sich für den Rechtsmittelkläger nicht nachteilig auswirken, sofern die Anforderungen an das richtige Rechtsmittel erfüllt sind und die Rechte der Gegenpartei nicht beeinträchtigt wurden. Das Rechtsmittel muss zudem rechtzeitig, das heisst innert der massgeblichen Rechtsmittelfrist, eingereicht worden sein[6]. Wenn das falsche Rechtsmittel aufgrund einer falschen Rechtsmittelbelehrung eingereicht wurde, ist nach Massgabe des Vertrauensschutzes dafür zu sorgen, dass weder der rechtsmittelführenden noch der rechtsmittelbeklagten Partei Nachteile erwachsen[7].

c) Der Rechtsmittelkläger macht geltend, die Abweisung seines Antrags, das Güterrecht sei ad separatum zu verweisen, unterliege der Berufung, widrigenfalls der Beschwerde. Die Umwandlung des Rechtsmittels entspricht damit dem Willen des Rechtsmittelklägers. Zudem war die Rechtsmittelbelehrung der Vorinstanz unrichtig. Dies darf dem Rechtsmittelkläger nicht zum Nachteil gereichen. Der rechtsmittelbeklagten Partei erwuchsen durch die falsche Rechtsmittelbelehrung keine Nachteile. Mit seiner Eingabe vom 26. Februar 2013 hielt der Rechtsmittelkläger auch die 10-tägige Beschwerdefrist gemäss Art. 321 Abs. 2 ZPO ein. Die unzulässige Berufung wird deshalb als Beschwerde entgegengenommen.

d) Der Beschwerdeführer macht weiterhin geltend, die abgelehnte Abtrennung des Güterrechts ermögliche es der Ehefrau, ehelichen Unterhalt zu generieren. Dies kann einen nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO begründen. Da die übrigen Beschwerdevoraussetzungen erfüllt sind, ist somit auf das Rechtsmittel einzutreten.

Obergericht, 2. Abteilung, 18. Juni 2013, ZBR.2013.16


[1] Vgl. Seiler, Die Berufung nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Basel 2011, N 1053

[2] Staehelin, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 2.A., Art. 125 N 8

[3] Staehelin, Art. 125 ZPO N 3; Kaufmann, in: Schweizerische Zivilprozessordnung (Hrsg.: Brunner/Gasser/Schwander), Zürich/St. Gallen 2011, Art. 125 N 3

[4] Fankhauser, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 2.A., Art. 283 N 13

[5] Seiler, N 403; Reetz/Theiler, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 2.A., Art. 308 N 8

[6] Staehelin/Staehelin/Grolimund, Zivilprozessrecht, 2.A., § 25 N 23 f.; vgl. auch Reetz, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 2.A., Vorbemerkungen zu den Art. 308 - 318 N 51

[7] Seiler, N 929

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