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RBOG 2020 Nr. 18

Bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums ist von 20 Arbeitstagen pro Monat auszugehen.


Art. 23 Abs. 1 AVIG, Art. 40 AVIV, Art. 329 a OR, § 1 Ziff. 2 RTG, Art. 93 SchKG


1. a) Das Betreibungsamt stellte dem Beschwerdeführer die Pfändungsurkunde zu. Es bezifferte das Existenzminimum des Beschwerdeführers auf Fr. 2'824.50, wobei es ihm für die auswärtige Verpflegung Fr. 176.00 anrechnete. Dagegen reichte der Beschwerdeführer beim Bezirksgericht betreibungsrechtliche Beschwerde gegen die Existenzminimumberechnung ein. Er beantragte unter anderem, die Pauschale für auswärtige Verpflegung seien gemäss den Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten anzupassen.

b) Der Einzelrichter des Bezirksgerichts als untere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungssachen schützte die Beschwerde teilweise und wies das Betreibungsamt an, im Existenzminimum (Notbedarf) des Beschwerdeführers die auswärtige Verpflegung im Betrag von monatlich Fr. 200.00 zu berücksichtigen. Im Übrigen wies er die Beschwerde ab.

2. Gegen diesen Entscheid reichte der Beschwerdeführer beim Obergericht Beschwerde ein.

3. a) Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, da er Schwerarbeit verrichte, müsse sich die ihm anrechenbare Pauschale zwischen Fr. 14.50 und Fr. 16.50 pro Arbeitstag bewegen (Fr. 9.00 bis Fr. 11.00 zuzüglich jeweils Fr. 5.50). Sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass eine Schwerarbeit nicht gegeben sei, dann sei die tägliche Pauschale zumindest auf die maximalen Fr. 11.00 anzusetzen. Des Weiteren seien die allgemein gebräuchlichen 21.75 Arbeitstage pro Monat einzuberechnen.

b) Im Grundbetrag sind die Verpflegungskosten grundsätzlich bereits enthalten[1]. Mehrkosten für auswärtige Verpflegung sind jedoch zusätzlich in das Existenzminimum aufzunehmen, wenn die auswärtige Verpflegung berufsbedingt notwendig ist[2]. Bei Nachweis von Mehrauslagen für auswärtige Verpflegung können für jede Hauptmahlzeit Fr. 9.00 bis Fr. 11.00 angerechnet werden; bei Schwerarbeit, Schicht- oder Nachtarbeit zusätzlich Fr. 5.50 pro Arbeitstag für erhöhten Nahrungsbedarf.

c) Die Vorinstanz gestand dem Beschwerdeführer Mehrauslagen für auswärtige Verpflegung von Fr. 200.00 zu (20 Hauptmahlzeiten à Fr. 10.00 pro Monat)[3]. Dies erscheint hier ohne weiteres angemessen. Höhere tatsächliche Mehrkosten wären vom Beschwerdeführer nachzuweisen gewesen. Die vorinstanzliche Bemessung der Kosten für auswärtige Verpflegung steht auch nicht im Widerspruch zur zitierten Richtlinie, vielmehr bewegt sie sich innerhalb des vorgesehenen Spektrums (Fr. 9.00 bis Fr. 11.00 für jede Hauptmahlzeit). Die Vorinstanz ging dabei von 20 Arbeitstagen pro Monat aus. Dies ist ebenfalls nicht zu beanstanden; zumal bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nur diejenigen Auslagen Berücksichtigung finden dürfen, die auch effektiv anfallen (Effektivitätsgrundsatz)[4]. Dabei ist zu beachten, dass Arbeitnehmer in jedem Dienstjahr Anspruch auf mindestens vier Wochen Ferien haben[5] und im Kanton Thurgau jährlich zehn vom Gesetz[6] bestimmte öffentliche Ruhetage anfallen[7]. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, hier mit 20 Arbeitstagen pro Monat zu rechnen[8]. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten 21,75 durchschnittlichen Arbeitstage pro Monat basieren auf einer Rechnung ohne Berücksichtigung der Ferien[9], welche – in leicht reduziertem Umfang (21,7) – im Bereich der Arbeitslosenversicherung zur Bestimmung des versicherten Verdiensts gebräuchlich ist (Art. 23 Abs. 1 AVIG[10] i.V.m. Art. 40 AVIV[11])[12], indessen nicht die effektive Anwesenheit am Arbeitsplatz berücksichtigt. Im Ergebnis bleibt es damit bei einem anrechenbaren monatlichen Betrag von Fr. 200.00 für auswärtige Verpflegung[13].

Obergericht, 1. Abteilung, 11. November 2020, BS.2020.13


[1] Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 1. Juli 2009 (SchKG-Richtlinien), S. 1

[2] Vonder Mühll, Basler Kommentar, 2.A., Art. 93 SchKG N. 28

[3] 20 Arbeitstage pro Monat x Fr. 10.00 = Fr. 200.00

[4] Vgl. dazu BGE vom 14. Mai 2020, 2C_274/2020, Erw. 3.4; BGE 121 III 22 f.

[5] Art. 329a OR

[6] RTG (Ruhetagsgesetz, RB 822.9)

[7] § 1 Ziff. 2 RTG: Neujahr, 2. Januar, Karfreitag, Ostermontag, Auffahrt, Pfingstmontag, Weihnachtstag und 26. Dezember; § 1 Ziff. 3 RTG: 1. Mai und 1. August

[8] 365 Tage im Jahr abzüglich 104 Wochenendtage, 20 Ferientage und 10 Feiertage = 231 Arbeitstage pro Jahr oder 19,25 Arbeitstage pro Monat (wobei je nach Jahr unterschiedlich viele Ruhetage auf einen Arbeitstag fallen).

[9] 365 Tage im Jahr abzüglich 104 Wochenendtage = 261 Arbeitstage pro Jahr oder 21,75 Arbeitstage pro Monat; gebräuchlich ist auch dieselbe Berechnung ausgehend von 364 Arbeitstagen im Jahr, was 21,66 Arbeitstage pro Monat ergibt.

[10] Arbeitslosenversicherungsgesetz, SR 837.0

[11] Arbeitslosenversicherungsverordnung, SR 837.02

[12] Art. 40 AVIV: «Der Tagesverdienst wird ermittelt, indem der Monatsverdienst durch 21,7 geteilt wird»; vgl. zur Berechnung des Divisors auch BGE 111 V 250 sowie Kupfer Bucher, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG (Hrsg.: Stauffer/Cardinaux), 5.A., S. 169

[13] 20 x Fr. 10.00

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