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RBOG 2020 Nr. 33

Voraussetzungen für eine Parteientschädigung nach § 65 KESV


Art. 76 KESV, § 80 VRG, Art. 106 ZPO, Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO


1. a) Die Politische Gemeinde erstattete der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eine Gefährdungsmeldung betreffend die Beschwerdeführerin. Diese habe verschiedenen Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung E-Mails mit teils wirrem Inhalt geschickt. Im Hintergrund stehe ein Nachbarschaftskonflikt. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eröffnete daraufhin ein Verfahren. In der Folge fand ein Gespräch in den Büroräumlichkeiten des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin statt. Das anwesende Behördenmitglied hielt in einer Aktennotiz fest, aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes sei kein weiterer Handlungsbedarf gegeben. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin beantragte daraufhin eine Parteientschädigung gestützt auf § 65 KESV[1]. Der Rechtsschrift lag eine detaillierte Honorarnote über Fr. 4'881.30 bei.

b) Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde sah von der Errichtung erwachsenenschutzrechtlicher Massnahmen ab. Sie wies überdies den Antrag auf Ausrichtung einer Parteientschädigung ab.

c) Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde. Sie beantragte, es sei ihr eine angemessene Entschädigung zuzüglich Mehrwertsteuer für das Verfahren vor der Vorinstanz zuzusprechen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid im Kostenpunkt aufzuheben und an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.

2. Strittig ist einzig die Frage, ob der Beschwerdeführerin für das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten ist. Die Vorinstanz verneinte einen Anspruch gestützt auf § 65 KESV. Diese Bestimmung sehe vor, dass die Behörde ausnahmsweise eine Entschädigung zusprechen könne. Aufgrund der Offizial- und Untersuchungsmaxime sei sie von Amtes wegen tätig geworden. Das Verfahren sei weder kompliziert noch aufwändig gewesen (es habe auch nur ein Abklärungsgespräch stattgefunden). Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, es seien besondere Umstände gegeben. Die Vorinstanz blende den Inhalt ihrer Eingabe aus. Sie verkenne weiter die Vorgeschichte der Streitsache. Eigentlich habe es sich beim vorinstanzlichen Verfahren um eine Art «Retour-Kutsche» der Politischen Gemeinde gehandelt. Die Beschwerdeführerin sei den Behördenvertretern in der Öffentlichkeit entgegengetreten – so habe sie etwa auf die mangelhafte medizinische Versorgung hingewiesen – und habe sich dadurch unbeliebt gemacht. Sie habe die Gefährdungsmeldung als Verstoss gegen Treu und Glauben empfunden. Ausserdem sei die Vorgeschichte komplex gewesen: Neben dem Thema «ärztliche Versorgung» hätten Immissionen (im Sinn des Nachbarrechts) eine Rolle gespielt. Unzutreffend seien die vorinstanzlichen Erwägungen zu den E-Mails der Beschwerdeführerin; es handle sich um wenige und luzide Nachrichten. Schliesslich verweist die Beschwerdeführerin auf die stigmatisierende Wirkung eines Erwachsenenschutzverfahrens, das sie mit einem Strafverfahren vergleicht. Folglich müssten analoge Entschädigungsmechanismen zur Anwendung kommen, dies auch, um «gleich lange Spiesse» zu garantieren.

3. a) Die Regelung der Parteientschädigung im Verfahren vor den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden obliegt dem kantonalen Gesetzgeber. Der Bundesgesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, diese Frage einheitlich zu beantworten[2]. Im Kanton Thurgau hat das Obergericht gestützt auf die ihm vom kantonalen Gesetzgeber delegierte Rechtsetzungskompetenz[3] die KESV erlassen. Letztere legt die anwendbaren Verfahrensgrundsätze fest, soweit nicht (subsidiär) die Bestimmungen des ZGB, des EG ZGB und der ZPO Anwendung finden[4].

b) Die KESV hält in § 65 Abs. 1 explizit Folgendes fest: «Im Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde besteht kein Anspruch auf Parteikostenersatz oder Entschädigung. Die Behörde kann indessen, wenn sie von einer Massnahme absieht oder besondere Umstände vorliegen, ausnahmsweise eine angemessene Entschädigung zusprechen, wenn eine anwaltliche Vertretung besteht und diese sachlich geboten war, oder wenn in einem aufwändigen Verfahren eine betroffene Person sich selbst vertritt oder sich durch jemanden vertreten lässt, der nicht Anwältin oder Anwalt ist». Zu beantworten ist somit, ob die Beschwerdeführerin gestützt auf § 65 Abs. 1 KESV einen Anspruch auf eine Parteientschädigung im vorinstanzlichen Verfahren geltend machen kann.

c) Ein Erlass muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrundeliegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Auslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst der an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Erlass. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der «ratio legis». Dabei befolgt das Bundesgericht – und ihm folgend das Obergericht – einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen[5].

d) Der Wortlaut von § 65 Abs. 1 KESV bringt zum Ausdruck, dass im Grundsatz kein Anspruch auf einen Parteikostenersatz besteht. Das ergibt sich aus Satz 1 der Bestimmung sowie dem Hinweis in Satz 2, dass «ausnahmsweise» eine Entschädigung zugesprochen werden kann. Vom Grundsatz gibt es somit Ausnahmen, die Satz 2 der Bestimmung erläutert: Die Behörde kann eine Entschädigung zusprechen, wenn sie von einer Massnahme absieht oder besondere Umstände vorliegen. Der Wortlaut legt mit der Konjunktion «oder» nahe, dass es sich um alternative Varianten handelt. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung werden indes nur übernommen, wenn diese «sachlich geboten» war. Aus dem Wortlaut ergibt sich bereits, dass der erste Teil von Satz 2, der die Alternative «keine Massnahme» oder «besondere Umstände» aufstellt, im Kontext des zweiten Teils von Satz 2 (anwaltliche Vertretung «sachlich geboten») gelesen werden muss. Die Entschädigung anwaltlicher Kosten ist - anders formuliert - an gewisse Voraussetzungen geknüpft.

e) In der KESV wurde bewusst eine Parteientschädigung nur in Ausnahmefällen als notwendig und zulässig erachtet, und § 65 Abs. 1 KESV folgt nicht dem Prinzip von Obsiegen und Unterliegen. Damit lehnt sich die KESV auch an das verwaltungsrechtliche Verfahren an. Gemäss § 80 VRG[6] besteht in der Regel nur Anspruch auf Ersatz der ausseramtlichen Kosten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht oder dem Regierungsrat[7]. Im Rekursverfahren wird ein Ersatz der ausseramtlichen Kosten nur zugesprochen, wenn sich dies bei komplizierter Sachlage oder schwierigen Rechtsfragen rechtfertigt[8]. In den übrigen Verwaltungsverfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen[9]. Insofern steht die KESV auch im Einklang mit dem VRG, nachdem das Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zumindest gewisse Ähnlichkeiten mit einem verwaltungsrechtlichen Verfahren aufweist.

f) aa) In systematischer Hinsicht ist im Weiteren von Interesse, wie die Kostenregelung für das Beschwerdeverfahren ausgestaltet ist. Nach § 76 Abs. 1 KESV richtet sich die Kostenverlegung nach den Bestimmungen der ZPO. Im Beschwerdeverfahren gilt demnach – anders als im Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde – das Prinzip von Obsiegen und Unterliegen. Das ist insofern naheliegend, als sich im Beschwerdeverfahren eher sagen lässt, eine Partei unterliege oder obsiege. Nach § 76 Abs. 3 KESV kann die Beschwerdeinstanz in aufwändigen und komplizierten Verfahren statt einer blossen Umtriebsentschädigung ausnahmsweise eine angemessene Parteientschädigung zusprechen, wenn eine betroffene Person sich selber vertritt oder sich durch jemanden vertreten lässt, der nicht Anwältin oder Anwalt ist. Die Verordnung macht in dieser besonderen Konstellation die Zahlung einer weitergehenden Entschädigung davon abhängig, dass ein Verfahren aufwändig und kompliziert ist. Wenn im Beschwerdeverfahren in aufwändigen und komplizierten Fällen von den an sich geltenden Entschädigungsgrundsätzen abgewichen werden kann, so sollte dieser Massstab – systematisch betrachtet – auch für das Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde gelten.

bb) Nach Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO kann einer bedürftigen Person ein unentgeltlicher Anwalt oder eine unentgeltliche Anwältin bestellt werden. Voraussetzung ist, dass dies sachlich geboten ist. Es besteht ein systematischer Zusammenhang zwischen den Voraussetzungen der unentgeltlichen Verbeiständung und § 65 Abs. 1 KESV, denn hier wie da geht es darum, die Fälle zu umschreiben, die eine (zu entschädigende) anwaltliche Begleitung erfordern. Zur Beurteilung der Notwendigkeit der unentgeltlichen Verbeiständung stellt die Rechtsprechung unter anderem darauf ab, ob ein Verfahren kompliziert ist. Nach dieser Praxis ist zunächst nicht relevant, welche Prozessmaximen das Verfahren beherrschen[10]. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts schliesst selbst die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes die Bestellung eines Rechtsbeistands nicht aus[11]. Es muss vielmehr im Einzelfall geprüft werden, ob dieser komplex ist. Als kompliziert kann ein Fall gelten, der besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten stellt. So etwa, wenn die Rechtsfragen schwierig und der Sachverhalt unübersichtlich ist[12]. Die Komplexität muss in Relation zu den Kenntnissen und Fähigkeiten der betroffenen Person gesetzt werden; der Massstab ist insofern subjektiviert. Zu beachten sind die Rechts- und Sprachkenntnisse, das Alter, die soziale Situation sowie die gesundheitliche Verfassung[13]. Sodann ist nicht im Abstrakten nach der Schwierigkeit des Falls zu fragen, sondern vielmehr für den betreffenden Sachverhalt; der Massstab ist insofern konkret[14].

cc) Das Kriterium des aufwändigen Verfahrens kann mit Blick auf die Regelung des AnwT[15] näher umschrieben werden. Dieser sieht Zuschläge vor, wenn zusätzliche Verhandlungen oder Schriftsätze notwendig sind, bei unverhältnismässig grossem Aktenmaterial, oder wenn ausländisches Recht zur Anwendung kommt[16]. Ausführliche Beweisabnahmen können ein weiterer Hinweis auf ein aufwändiges Verfahren sein[17]. Diese Beispiele verdeutlichen, dass ein aufwändiges Verfahren stets ein «Mehr» an anwaltlichen Bemühungen voraussetzt als ein «normales» Verfahren. Bezogen auf Streitigkeiten vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zählt eine persönliche Anhörung ohne weiteres zum «normalen» Verfahren[18]. Erst wenn weitere Bemühungen anfallen, könnte von einem aufwändigen Prozess die Rede sein.

dd) Die Beschwerdeführerin bringt einen weiteren systematischen Aspekt ein. Sie verweist auf die ihrer Ansicht nach stigmatisierende Wirkung von Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren. Der Vergleich mit dem Strafrecht dränge sich auf. Dieser Vergleich ist jedoch nicht stichhaltig. Im Strafverfahren geht es darum, ein Verbrechen oder Vergehen aufzuklären. Das Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren hat eine ganz andere Zielsetzung. Es geht um den Schutz von verletzlichen Personen. Der Grat zwischen paternalistischer Intervention und objektiv berechtigtem Schutz mag manchmal schmal sein, er rechtfertigt jedoch nicht den Vergleich mit einem Strafverfahren. Im Verfahren vor Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden müssen die Betroffenen mitwirken. Im Strafverfahren steht ihnen demgegenüber das Aussageverweigerungsrecht zu. Auch gilt im Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren nicht die Unschuldsvermutung[19], es gibt keine Fälle von notwendiger Verteidigung[20] und keine Teilnahmerechte[21] bei Beweiserhebungen. Diese strukturellen Unterschiede sind so gewichtig, dass das Strafverfahren und das Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren nicht vergleichbar sind. Demgegenüber rechtfertigt sich ohne weiteres ein Vergleich mit dem Verwaltungsverfahren.

g) Sinn und Zweck von § 65 Abs. 1 KESV ist es, in Ausnahmefällen die betroffene Person für angemessene Anwaltskosten, die ihr durch ein Verfahren entstanden sind, zu entschädigen. Nach der Rechtsprechung des Obergerichts besteht kein Anspruch auf eine Umtriebsentschädigung, wenn die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde einer Gefährdungsmeldung nachgeht. Ebensowenig sind die Verfahrenskosten in dieser Situation – mutwillige Gefährdungsmeldung vorbehalten – auf die Staatskasse zu nehmen[22]. Die innere Rechtfertigung findet diese Praxis in den vom Bundesgesetzgeber vorgesehenen Verhaltensverpflichtungen. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde muss von Amtes wegen den Sachverhalt erforschen[23]. Sie klärt äussere Fakten (Geschehnisse, Zustände) sowie innere Tatsachen und Vorgänge (Eigenschaften von Personen, psychische Störungen, geistige Behinderungen sowie bestimmte Absichten oder Einstellungen) ab. Die betroffenen Personen sind zur Mitwirkung verpflichtet und haben bei der Abklärung des Sachverhalts Hand zu bieten[24]. Die Mitwirkungspflicht umfasst insbesondere die Pflicht zur Erteilung der erforderlichen mündlichen oder schriftlichen Auskünfte, zu Zeugenaussagen, zur Herausgabe von Urkunden und zur Duldung von ärztlichen und behördlichen Untersuchungen sowie von Augenscheinen[25].

h) Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass gemäss dem Wortlaut von § 65 Abs. 1 KESV eine Parteientschädigung nur in Ausnahmefällen geschuldet ist, namentlich wenn die Behörde von einer Massnahme absieht oder besondere Umstände vorliegen. Das systematische und das teleologische Auslegungselement verdeutlichen im Weiteren, dass nur in aufwändigen und komplizierten Verfahren eine Entschädigung zugesprochen werden soll. Dabei ist jeweils anhand eines individuell-konkreten Massstabs zu prüfen, ob ein Verfahren aufwändig und kompliziert ist. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang die Pflicht der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, sowie die Mitwirkungspflichten der Betroffenen. Daraus ist zu folgern, dass nicht jedes erfolglos eröffnete Verfahren zu Kostenfolgen zulasten des Staates führen kann. Der Verordnungsgeber wollte gerade nicht die Regelung von Art. 106 ZPO übernehmen, sondern lehnt sich an das verwaltungsrechtliche Verfahren an. Erst auf Stufe Beschwerdeverfahren kommt die ZPO sinngemäss zur Anwendung (§ 76 Abs. 1 KESV).

4. a) Das vorinstanzliche Verfahren wurde durch eine Gefährdungsmeldung der Politischen Gemeinde angestossen. Die Vorinstanz musste daraufhin tätig werden und den Sachverhalt abklären. Die Beschwerdeführerin traf dabei eine Mitwirkungspflicht. Es fand eine (erste) Anhörung statt. Das anwesende Behördenmitglied hielt fest, es bestehe aus Sicht der Behörde kein Handlungsbedarf. Im weiteren Verlauf des vorinstanzlichen Verfahrens ging es ausschliesslich um die Entschädigungsfrage. Das Ergebnis des Verfahrens stand also nach knapp drei Monaten fest. Entscheidend ist dabei, dass die Vorinstanz nicht von sich aus eine Massnahme ins Auge fasste, die sie später fallen lassen musste. Sie ging vielmehr einer Gefährdungsmeldung nach, die sich dann im Ergebnis aber als nicht stichhaltig erwies.

b) Die Beschwerdeführerin hat Jahrgang 1941. In der Beschwerdeschrift wird sie als «kultivierte Dame» bezeichnet, die ihren eigenen Haushalt führt, am kulturellen Leben teilnimmt, sich politisch engagiert und sozial sowie karitativ tätig ist. In der Beschwerde wird weiter ausgeführt, anlässlich der Anhörung habe die Beschwerdeführerin mindestens eine halbe Stunde ihre Lebenssituation, die berufliche Laufbahn und ihre Aufgabe im Wahlkampfstab des damaligen Regierungsratskandidaten geschildert. Sie habe die Vorinstanz auch mit einer selbst erstellten Tabelle dokumentiert. Es entsteht der Eindruck, dass die Beschwerdeführerin trotz ihres Alters am öffentlichen Leben teilnimmt, sich gut zurechtfindet und sich insbesondere dort einsetzt, wo sie Handlungsbedarf erkennt. Die E-Mail-Nachrichten, welche am Anfang dieses Verfahrens stehen, thematisieren denn auch eine aus Sicht der Beschwerdeführerin unhaltbare Situation in ihrer Nachbarschaft. Es handelt sich konkret um mehrere Nachrichten, die sie an den Gemeindepräsidenten, den Gemeindeschreiber und weitere Exponenten der Politischen Gemeinde verschickte. In Anwendung des gebotenen individuell-konkreten Massstabs kann weder gesagt werden, die Beschwerdeführerin sei mit dem vorinstanzlichen Verfahren überfordert gewesen, noch präsentierte sich der Sachverhalt als unübersichtlich. Es stellten sich auch keine schwierigen Rechtsfragen.

c) Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Gefährdungsmeldung sei eine reine Schikane des Gemeindepräsidenten gewesen. Die Vorinstanz habe die komplexe Vorgeschichte verkannt und keine Gesamtbetrachtung vorgenommen. Mit diesen Ausführungen übersieht die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz von Gesetzes wegen auf die Gefährdungsmeldung eingehen musste. Allein aufgrund der Akten, die verfügbar waren, konnte die Vorinstanz den Fall nicht einfach abschliessen. Zumindest ein Gespräch mit der Beschwerdeführerin war erforderlich. Insofern können der Vorinstanz auch keine groben Verfahrensfehler vorgeworfen werden[26]. Dass sich die Beschwerdeführerin durch das Verfahren persönlich betroffen fühlt, ist nachvollziehbar, jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant. Das Verfahren konnte rasch und ohne Massnahmen beendet werden. Die Vorgeschichte spielt diesbezüglich keine Rolle. Die Vorinstanz hatte sich nicht mit der Frage zu befassen, ob die Politische Gemeinde der Beschwerdeführerin Unrecht antat. Vielmehr ging es einzig um die Frage, ob Unterstützungsbedarf besteht oder nicht. Die anscheinend belastende Situation in der Nachbarschaft – die Beschwerdeführerin spricht von Mobbing – liegt zudem ebenso wie die von ihr geltend gemachte Immissionsproblematik ausserhalb des Verantwortungsbereichs der Vorinstanz. Aus diesen verfahrensfremden Umständen kann deshalb nicht abgeleitet werden, das vorinstanzliche Verfahren sei aufwändig und komplex gewesen. Die Beschwerdeführerin zog ihren Rechtsanwalt denn auch nicht erst für das Verfahren vor der Vorinstanz bei[27], sondern war bereits in der nachbarschaftsrechtlichen Streitigkeit durch ihn vertreten.

d) Zusammenfassend sind die Voraussetzungen von § 65 Abs. 1 KESV für die ausnahmsweise Zusprechung einer angemessenen Entschädigung somit nicht erfüllt. Die Vorinstanz sah folglich zu Recht von einer Parteientschädigung ab. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Obergericht, 1. Abteilung, 26. März 2020, KES.2020.9


[1] Kindes- und Erwachsenenschutzverordnung, RB 211.24

[2] BGE 140 III 386 f.

[3] § 11c Abs. 2 EG ZGB

[4] § 29 Abs. 1 KESV

[5] BGE 145 III 64 f.; BGE 141 III 198 f.; BGE 140 III 214

[6] Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, RB 170.1

[7] § 80 Abs. 1 VRG

[8] § 80 Abs. 2 VRG; eine Ausnahme davon besteht nur, wenn sich in einem Rekursverfahren Privatparteien gegenüberstehen.

[9] § 80 Abs. 5 VRG

[10] Bühler, Berner Kommentar, Bern 2012, Art. 118 ZPO N. 23

[11] BGE 110 Ia 28 f.

[12] Emmel, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger), 3.A., Art. 118 N. 7

[13] Bühler, Art. 118 ZPO N. 40

[14] Wuffli, Die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Bern 2015, S. 178

[15] Verordnung des Obergerichts über den Anwaltstarif für Zivil- und Strafsachen, RB 176.31

[16] § 3 lit. a und lit. b AnwT

[17] Vgl. § 6 lit. a AnwT

[18] Zumal die Anhörung grundsätzlich zwingend ist (Art. 447 Abs. 1 ZGB).

[19] Art. 10 Abs. 1 StPO

[20] Art. 130 StPO

[21] Art. 147 StPO

[22] RBOG 2014 Nr. 27

[23] Art. 446 Abs. 1 ZGB

[24] Art. 448 Abs. 1 ZGB

[25] RBOG 2014 Nr. 27 Erw. 2c

[26] Vgl. dazu für das verwaltungsrechtliche Rekursverfahren TVR 2000 Nr. 14

[27] Weil sie sich überfordert gefühlt hätte.

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