RBOG 1997 Nr. 12
Die richterliche Anweisung an den Schuldner stellt keine richterliche Genehmigung der Unterhaltsvereinbarung dar
Art. 80 SchKG, Art. 111 (Art. 158 aZGB) ZGB, Art. 132 ZGB, Art. 137 Abs. 2 (Art. 145 aZGB) ZGB, Art. 177 ZGB
1. a) Die Parteien schlossen eine Unterhaltsvereinbarung für die Dauer des Scheidungsprozesses ab, ohne sie richterlich genehmigen zu lassen. In der Folge erliess der Massnahmerichter eine Anweisungsverfügung im Sinn von Art. 177 ZGB an die Arbeitgeberin des Unterhaltsschuldners. In der von der Rekurrentin angehobenen Betreibung für ausstehende Unterhaltsbeiträge verweigerte die Vorinstanz die definitive Rechtsöffnung mangels Vorlage eines entsprechenden Rechtsöffnungstitels.
2. Die Rekurrentin betrachtet die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung bezüglich der Unterhaltsbeiträge während des Scheidungsverfahrens als Titel für die definitive Rechtsöffnung für ausstehende Unterhaltsbeiträge. Die dafür notwendige richterliche Genehmigung folgert sie aus der richterlichen Anweisung an die Schuldnerin des Rekursgegners.
a) Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil, wird definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Urteils getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft (Art. 80 f. SchKG). Den gerichtlichen Urteilen gleichgestellt sind die Anordnung vorsorglicher Massnahmen nach Art. 145 ZGB sowie die Vereinbarung, nach welcher die Parteien sich vergleichen und auf die Einlassung oder auf die Weiterführung eines Prozesses verzichten (vgl. Panchaud/Caprez, Die Rechtsöffnung, Zürich 1980, §§ 99 I, 100, 104). Die Vereinbarung der Ehegatten über vorsorgliche Massregeln während der Prozessdauer bedarf zur vollen Rechtswirksamkeit analog den Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung nach Art. 158 Ziff. 5 ZGB der richterlichen Genehmigung (RBOG 1988 Nr. 1; Spühler/ Frei-Maurer, Berner Kommentar, Ergänzungsband, Art. 145 ZGB N 426). Die dem Richter nicht zur Genehmigung unterbreitete private Vereinbarung ist zwar ein Vertrag, an den die Ehegatten gebunden sind und der nicht einseitig widerruflich ist, der jedoch grundsätzlich nicht ohne weiteres auf dem Weg der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Die nicht richterlich genehmigte Vereinbarung stellt bezüglich der darin verurkundeten Unterhaltsbeiträge lediglich eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 SchKG dar (vgl. Bühler/Spühler, Berner Kommentar, Art. 145 ZGB N 431 f. mit Hinweisen).
Bei der Genehmigung einer Vereinbarung über vorsorgliche Massnahmen hat der Richter zu prüfen, ob die Übereinkunft den gesetzlichen Anforderungen entspricht und den Verhältnissen der Parteien angemessen ist (RBOG 1988 Nr. 1; AGVE 1972 Nr. 1 S. 16). Die richterliche Genehmigung ist in der Entscheidung, am besten im Entscheidungsdispositiv oder wenigstens in den Erwägungen, zum Ausdruck zu bringen (Bühler/Spühler, Art. 145 ZGB N 429). Es wurde indessen auch schon entschieden, dass die Genehmigung sich aus den Umständen ergeben könne, etwa dann, wenn ein (Eheschutz-)Verfahren durch die Vereinbarung unmittelbar beendet worden sei, was nur bedeuten könne, dass der (Eheschutz-)Richter die dadurch getroffene Regelung unter Würdigung der Umstände als angemessen angesehen habe; damit sei der Vergleich jedenfalls implizit genehmigt worden (AGVE 1969 Nr. 3 S. 21).
b) Die Anweisung an den Schuldner im Sinn von Art. 177 ZGB stellt eine privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme sui generis dar (BGE 110 II 9; SJZ 91, 1995, Nr. 32 S. 317; RBOG 1995 Nr. 3 S. 76; vgl. Hausheer/Spycher/Kocher/Brunner, Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 1997, N 04.85 f.; Hausheer/Reusser/Geiser, Kommentar zum Eherecht, Bern 1988, Art. 177 ZGB N 17 ff.). Die Anweisung an den Schuldner ist auch als vorsorgliche Massregel nach Art. 145 ZGB möglich. Dabei bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder wurde der Unterhaltsbeitrag vom Massnahmerichter bereits vor der beantragten Anweisung an den Schuldner festgesetzt, oder dies geschieht gleichzeitig mit der Anweisung an den Schuldner (vgl. RBOG 1995 Nr. 3 S. 78). Werden vom Massnahmerichter gestützt auf eine Parteivereinbarung Unterhaltsbeiträge festgesetzt und gleichzeitig die Anweisung an den Schuldner verfügt, liegt ohne Zweifel eine richterliche Genehmigung der Parteivereinbarung vor. Verfügt der Richter hingegen gestützt auf eine vorher nicht richterlich genehmigte Parteivereinbarung eine Anweisung an den Schuldner im Sinn von Art. 177 ZGB, ohne dass die Zweckmässigkeit der Parteivereinbarung geprüft und ausdrücklich bejaht wurde, stellt die Anweisung an den Schuldner keine richterliche Genehmigung der Parteivereinbarung dar, und zwar auch keine sinngemässe. Dies gilt schon deshalb, weil die Höhe des angewiesenen Betrags nicht zwingend mit dem in der Parteivereinbarung oder in der Massnahmeverfügung festgesetzten Unterhaltsbeitrag übereinstimmen muss; so sind etwa gerade bei der Anweisung an den Arbeitgeber Pfändungen zugunsten eines anderen Gläubigers zu berücksichtigen (Hausheer/Reusser/Geiser, Art. 177 ZGB N 20). Eine stillschweigende richterliche Genehmigung der Vereinbarung im Rahmen einer Verfügung betreffend Anweisung an den Schuldner wäre immerhin möglicherweise dann anzunehmen, wenn die Anweisungsverfügung in irgendeiner Weise Bezug auf die Parteivereinbarung nimmt. Dabei genügt es allerdings nicht, wenn lediglich die angewiesenen und in der Parteivereinbarung festgesetzten Beträge übereinstimmen.
c) Die Verfügung betreffend Anweisung an die Arbeitgeberin des Rekursgegners nahm überhaupt nicht Bezug auf die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung über die Unterhaltsbeiträge für die Dauer des Scheidungsverfahrens. Eine implizite Genehmigung dieser Vereinbarung durch die Anweisungsverfügung kann daher nicht angenommen werden. Dass die fragliche Vereinbarung vom Massnahmerichter genehmigt wurde, behauptet die Rekurrentin zu Recht nicht. Es liegt demnach kein Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 80 f. SchKG vor. Zu Recht verweigerte daher die Vorinstanz die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung.
Rekurskommission, 8. September 1997, BR 97 95